Predigt zu Aschermittwoch 2002
Zurück zur Übersicht von: Aschermittwoch
13.02.2002 - Fachb. Kath. Theologie Uni Frankfurt
1. Zeit und Entscheidung
- Fastenzeit ist Zeit zur Besinnung. 40 Tage vom Aschermittwoch zum Karfreitag, unterbrochen nur von den Sonntagen; 40 Tage,
in denen wir eingeladen sind, zur Besinnung zu kommen. Exerzitien im Alltag, Fastenpredigten, religiöse Bücher sind spezielle
Angebote für die Fastenzeit.
- Dies
ist eine gute Sache und zu loben. Sucht man aber nach biblischen
Bezügen für die Fastenzeit, merkt man, dass da nicht so
ganz viel ist. Natürlich, da sind die vierzig Tage Jesu in der Wüste
und die vierzig Jahre Israels auf der Suche nach dem gelobten
Land. Der bei weitem überwiegende Topos im Neuen Testament ist aber
nicht die "Zeit der Besinnung", sondern die Stunde zur
Umkehr. Das Neue Testament ist geschrieben in drängender Zeit. Die
Predigt Jesu ist geprägt von der nahen Ankunft des
Gottesreiches. Entsprechend ist der Aufruf Jesu nicht der, sich eine
Besinnungszeit zu nehmen, sondern der Aufruf zur radikalen
Umkehr.
- Wir sollten dies zumindest als Korrektiv zur
"Zeit der Besinnung" im Hinterkopf behalten. Denn die Predigt Jesu
macht uns so
deutlich, dass alle Besinnung, alles Beten und alles Fasten für die
Katz ist, wenn nicht am Anfang die Entscheidung steht: Hin zu
dem lebendigen Gott.
2. Zeit und Gemeinschaft
- Dieses Korrektiv im Hinterkopf, können wir uns wieder der Zeit der Besinnung zuwenden. Die auf vierzig Tage ausgedehnte
Fastenzeit ist nicht die Alternative zur entschiedenen Umkehr, sondern ihre Konsequenz. Sie hat in ihrem ursprünglichen Sinn die
Umkehr nicht so sehr zur Folge denn zur Voraussetzung.
- Das
macht ein Blick auf den Ursprung der vierzig Tage deutlich. Es sind in
der alten Kirche die Tage, die ein Christ warten
musste, bevor er oder sie wieder in die volle Gemeinschaft aufgenommen
wurde und am Abendmahl teilnehmen konnte. Wenn
jemand etwa sich dazu verführen lies, öffentlich dem Kaiser zu opfern,
statt sich zu dem lebendigen Gott zu bekennen, hat er sich,
Taufe hin oder her, de facto aus der Mahl-Gemeinschaft der Eucharistie
herauskatapultiert. Mord, Ehebruch, schwere Verbrechen
gegen die Armen wären ähnliche "Tatbestände", durch die ein Mensch die
Gemeinschaftsfähigkeit für das Reich Gottes verliert.
Niemand kann eine Witwe um ihr letztes Brot betrügen und zugleich am
Mahl der Liebe teilhaben.
- Die Fastenzeit ist daher die Zeit gewesen, in der ein solcher Christ wieder hineinwächst in die Gemeinschaft. Die Umkehr muss
dem vorausgehen. Die Reue ist Voraussetzung. Dies ist eine Entscheidung, keine Zeit der Besinnung. Dann aber kann und muss
Zeit sein. Zeit, um das soziale Leben wieder herzustellen und zu ermöglichen, Zeit, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen.
3. Zeit mit Christus
- Wer immer eine schwere Beziehungskrise erlebt hat, kann den Gedanken nachvollziehen. Gerade dann, wenn es in der Beziehung
nach einer schweren Verfehlung Umkehr und Versöhnung gegeben hat, braucht es die Zeit besonderer Aufmerksamkeit. Es
braucht besondere Zärtlichkeit und Zuwendung, um das wieder aufzubauen, was zuvor zerstört worden war.
- Ihren vollen Sinn hat die Fastenzeit - wie das Sakrament der Buße - dort, wo die Gnade der Taufe durch gravierende Sünde, durch
eine Schuld wie Mord, Gottesleugnung, Ehebruch oder Diebstahl an den Armen verraten wurde. Dies kommt - zum Glück selbst -
unter Christen selten vor. Wenn wir als Durchschnittsünder uns dennoch vornehmen, die Fastenzeit zu nutzen, dann sollte uns
dabei die Erinnerung im Kopf bleiben, dass dies eine Zeit ist, Beziehungen zu heilen und Gemeinschaft wieder aufzubauen.
- Diese
Gemeinschaft ist aber nicht irgend eine. Sie ist konkret in den
Christen, mit denen zusammen ich eine Gemeinde bilde, sei
es als Pfarrgemeinde, sei es an der Universität. Es ist dies dann immer
zugleich die Gemeinschaft, die ich mit dem Einen habe, in
dem Gott für uns Mensch geworden ist: Jesus Christus. Darum sagte Jesus
im Johannesevangelium von sich selbst "Ich bin der
Weg.". An der Weggabelung muss ich mich entscheiden. Den Weg muss ich gehen. Mit Christus wieder vertrauter zu werden und
so fähig werden, mit anderen Menschen zusammen seine Kirche zu sein, das ist der Sinn der Fastenzeit. Nehmen wir uns diese
Zeit der Besinnung. Amen.