Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Brot Zeichen der Fülle

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3. September 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Erinnerung

  • Der Vorschlag stammt von der Braut. Sie hatte sich an dieses Stück aus der Bibel erinnert, das wir nun als Evangelium gehört haben. A. hat sich erinnert an diese Begebenheit mit den Broten und den Fischen und den vielen Menschen die satt wurden, und dass dennoch sogar etwas übrig blieb.
  • Das passiert mit Bibelstellen wie mit Kinofilmen. Irgend etwas hat sich in unserer Erinnerung festgesetzt ohne dass wir gleich sagen könnten, was es ist. Da ist noch einmal eine andere, eine tiefere Ebene als nur die äußerliche Schilderung von Ereignissen. Die tiefere Ebene erst ist es, die es schafft, uns auch tiefer zu berühren, als es reine Unterhaltung (gegen die ich nichts habe!) oder etwas nur Oberflächliches es je kann.
  • Darum geht es im Grunde bei dieser Feier hier, warum A. und P. Sie, als ihre Gäste, heute nicht einfach nur zu einer legendären, rauschenden Party am Abend eingeladen haben, sondern zu so etwas Eigentümlichen wie einer christlichen Trauung in einer Katholischen Kirche.
    Es ist dann doch dieser Kontext, diese Tradition, dieser überlieferte Ritus, das alles hier, was - möglicherweise, irgendwie und wenn es gut geht - diese tiefere Dimension anspricht, die das ganze Andere erst trägt und über den Augenblick hinaus wertvoll macht. Vielleicht wird es auch das sein - neben den obligatorischen Peinlichkeiten, die sicher noch kommen -, was irgendwann später aus der Erinnerung wieder auftaucht. So wie bei dem Evangelium von den Broten und den unüberschaubar vielen, die dadurch satt geworden sind.

2. Mehr

  • Die Bibel, gerade in den Evangelien, die von Jesus handeln, erzählt oft ganz knapp. Sie möchte nicht mit Bildern überwältigen. Diejenigen, die die Erinnerungen an Jesus aufgeschrieben haben, wollten vielmehr, dass in uns das anklingt, was Jesus durch seine Worte und Zeichen in ihnen damals zum Klingen gebracht hat. Sie wollen die Erfahrung der Gegenwart Gottes weiter geben, so wie sie sie damals gespürt haben, als wenige Brote für die vielen gereicht hatten - und man sogar noch Brote übrig hatte.
  • Was darin zum Klingen gebracht wird, ist die Erfahrung, dass die Dinge mehr sind als nur der oberflächliche Anschein, der Kaufpreis oder der Nutzen. Die Brote, die in Dankbarkeit empfangen und mit einander geteilt werden, sind ein Zeichen dafür, dass diese ganze Welt und vor allem jeder Mensch mehr ist als nur der Nutzen oder die Rolle oder ein sonstwie berechenbares System. Was immer genau damals bei der Brotvermehrung passiert ist, das ist es, was der Kern der Erfahrung war: Hier bricht etwas auf, in dem die Tiefe und Schönheit der Welt erfahrbar wird. Die Welt ist mehr als nur die Oberfläche, weil da ein Gott ist, der sie berufen hat ein Ort zu sein, an dem eines möglich wird: Liebe.
  • Deswegen haben die Christen diese Erinnerungen an die wunderbare Brotvermehrung immer so erzählt, dass darin etwas anklingt von Jesus der das lebte: Liebe, die sich schenkt. "Jesus nahm die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach die Brote und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen." Das ist genau die Formulierung, die wir bis heute im Gottesdienst verwenden, wenn wir feiern, dass in dem Brot, das verteilt wird, Gottes Gegenwart erfahren wird. Es erinnert an den, der sein Leben so gelebt hat, dass andere daraus leben konnten. Selbst sein Tod ist zur Hoffnung auf Leben für viele geworden. - Das Auge sieht nur das Brot. Das Herz weiß um die Liebe.

3. Ehe

  • Ich bin mir sicher, A. hätte all das nicht gesagt oder gemeint, als sie dieses Evangelium für heute spontan vorgeschlagen hat.
    Aber vielleicht haben Sie, A., etwas von dem Gefühl in sich gehabt und mit dieser Geschichte verbunden, diese tiefe, schwer sagbare und doch so wirkliche Erfahrung, dass das Leben mehr ist, weiter, größer, über sich hinaus wächst und weist, dort wo die Liebe gegenwärtig ist. Wie das Brot das mehr ist als nur ein paar Laib Brot.
  • Das ist es eigentlich, weswegen diese Feier hier in der Kirche mit dem Eheversprechen vor Gottes Angesicht stattfindet. Es ist eine Weise auszudrücken, dass die Liebe, die Sie beide zu einander haben, mehr ist als nur eine biochemische Reaktion im Gehirn, mehr als nur Gefühle, die mal kommen und dann wieder gehen, mehr als nur ein Eherechtsvertrag beim Standesamt. In Ihrer Ehe, die Sie heute schließen, klingt etwas an von der Tiefenmelodie des Lebens, dem Lied Gottes in seiner Schöpfung, die mehr ist, als nur das, was an der Oberfläche sichtbar ist.
  • Am Schluss kommt es darauf an, das zu leben. Schöne Worte nutzen nichts, wenn wir nicht konkret die Liebe, die Treue und die Gerechtigkeit gegenüber jedermann leben. Die Treue in der Partnerschaft ist P. und A. ganz wichtig, und dass sie ihre Familie auf das gründen, was wir seit den Tagen Jesu die Nächstenliebe leben.
    Die Grundlage, die Kraft, die Energie dazu, das zu leben, die ist Euch geschenkt. Da ist ein Gott, der Euch zusammen geführt hat. Er hat Euch wie einen jeden von uns gewollt und geschaffen, er hat in Liebe ja zu Euch gesagt. Er selbst bricht das Brot für Euch und gibt es Euch durch die Hände der Menschen, die er Euch zur Seite gestellt hat. Und Ihr dürft die Erfahrung machen, dass es für alle reicht und dass immer noch etwas übrig ist. Denn Liebe wird nicht weniger, wenn man sie teilt, sondern ist Gottes nie endende Fülle. Amen.