Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Ein reines Herz

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14. August 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Reinheit des Herzens

  • Reinheit des Herzens. Vermutlich täten sich die meisten schwer zu sagen, was darunter zu verstehen ist. Es klingt vielleicht ein wenig bieder und langweilig. Aber diese Verheißung aus den Seligpreisungen, dem Eröffnungsteil der Bergpredigt Jesu in der Bibel, lässt auch eine große Sehnsucht in uns klingen.
  • Irgendwie hat Reinheit des Herzens damit zu tun, dass ein Mensch nicht taktisch und berechnend daher kommt, nicht bei jedem Wort, das er sagt, und bei allem, was er tut, im Hinterkopf schon dabei ist, den eigenen Vorteil und Profit auszurechnen. Reinheit hat deswegen einen leicht romantischen und weltfernen Klang, weil wir wissen, wie selten und unwahrscheinlich es ist, dass ein Mensch nicht irgendwelche Hinterabsichten verfolgt. Man könnte auch ganz einfach sagen: Wir wissen aus Erfahrung, ein wie seltenes, zerbrechliches und unendlich wertvolles Geschenk echte Liebe ist.
  • "Selig sind die ein reines Herz haben." Jesus verwendet ein Bild, das aus den jüdischen Psalmen stammt, die im Buch der Psalmen in der Bibel gesammelt und aufbewahrt sind. Das Herz ist dabei nicht einfach nur der Sitz von Gefühlen. In der biblischen Sprache ist das Herz die Mitte des ganzen Menschen, seines Wollens, seines Denkens und seines Fühlens. Wer ein reines Herz hat, ist - das meint die Seligpreisung - zu beglückwünschen, er hat das höchste im Leben erreicht, herzlichen Glückwunsch: ein reines Herz.

2. Echte Liebe

  • Es hat viel mit dem zu tun, was die Erfahrung des eigenen Lebens ist, ob solche Gedanken plausibel erscheinen oder nicht. Manchem hat es das bisherige Leben schwer gemacht, an die Reinheit des Herzens zu glauben. Vielleicht aber ist für manche von ihnen hier der Ort, genau dafür den Blick wieder zu bekommen. Da sind zwei Menschen, die vor Gottes Angesicht treten, um einander die Treue zu versprechen.
  • Auch bei K. und M. ist nicht alles perfekt. Die beiden haben auch ihre Lebensgeschichte. Sie kennen - jeder für sich und beide zusammen - auch die Brüche des Lebens. Aber umso mehr sind K. und M. heute hier, weil sie auf mehr vertrauen, als nur auf nüchternen Erfahrung. Sie vertrauen auf ihr Herz. Sie vertrauen, dass das Gefühl, das sie heute füreinander haben, sie auch weiter trägt. Denn wie in der Bibel das Wort Herz nicht nur für Gefühle steht, so soll auch das Ja-Wort, das sie heute zueinander sprechen, nicht nur gefühlig sein. Auch das Wollen und das Denken soll von der Reinheit des Herzens geprägt sein.
  • Ja, küss mich halt mich lieb mich, vor allem aber vertraue darauf, dass unsere Treue möglich ist, wenn wir sie wollen. Die Reinheit des Herzens bedeutet, dass ein Mensch nicht nur dann treu sein will, wenn es sich für sein Gefühlsleben rechnet. Echte Liebe bedeutet, das Kosten-Nutzen-Kalkül bei Seite zu lassen. Gefühlsmaximierung ist keine Liebe und schon gar nicht treu. Ein reines Herz jedoch weiß, dass man im Leben auch zu zweit zusammen nicht immer glücklich ist. Aber man wird im Rückblick unendlich glücklich sein, dass man immer zusammen ist.
    Die beiden haben die weiteren Seligpreisungen, wie sie in der Bibel stehen, weggelassen, weil sie doch etwas heftig seien für den heutigen Tag. Sie können sie daheim in der Bibel nachschlagen. Da kommt viel Realismus, dass solche Treue und Reinheit des Herzens sich nicht rechnet, ja sogar Aggression von außen auf sich ziehen kann. Es gibt die Neider, die es nicht aushalten, dass einer glücklich ist, auch wenn er nicht Karriere macht und notfalls mit Gewalt seine Interessen durchsetzt. Aber genau das mein Jesus: Selbst wenn solche Reaktionen kommen: "Selig, glücklich sind, die ein reines Herz haben!"

3. Gottes Angesicht

  • M. hat sich bewusst und nicht mal eben und leichtfertig darauf eingelassen, seine K. in einer Kirche zu heiraten. Es ist nicht die Welt aus der kommt, nicht die Sprache die er gelernt hat, es sind nicht die Riten und Verhaltensweisen, die ihm seit Kindheit vertraut wären. Worauf er aber vertraut ist, dass der christliche Glaube von K. und ihr Vertrauen in Gott auch ihn mit trägt, wenn sie heute zusammen vor Gottes Angesicht treten.
  • "Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen." Hier wird verheißen, dass Menschen Gott schauen. Auch das ist ganz alte Tradition des jüdischen Glaubens. Deswegen findet sich in den Gebeten der Psalmen die Bitte um ein reines Herz als Vorbereitung darauf, im Gottesdienst vor Gott treten zu dürfen. Es braucht dieses reines Herz, damit der Gottesdienst nicht oberflächlich bleibt, sondern eine wirkliche Begegnung mit Gott wird. "Gott schauen" ist eigentlich etwas, was uns Menschen unmöglich ist, denn Gott ist nicht ein Teil dieser Welt, den man anschauen kann wie etwas Beliebiges, nur irgendwie größer. Gleichzeitig kann man mit einem reinen Herzen entdecken, dass Gott, der Urheber von allem, uns in dieser Welt begegnen will, dass wir mit dem inneren Auge schauen können, worauf wir sonst nur im Gottesdienstes mit Riten und in der Kirche mit poetischer Sprache und Symbolen zeigen können.
  • So ist die größte Bitte, die ich heute an Gott für Sie beide, K. und M., richte, dass ihnen diese Schau Gottes geschenkt werde, wenn sie einander anschauen: Heute, nachdem sie einander die Treue versprochen haben, aber auch in den Momenten des großen Glücks, das Sie mit einander erleben mögen, und auch, wenn Sie sich anschauen, nachdem sie schwere Zeiten zusammen durchlebt haben: Immer möge Gott Ihnen in den Augen des anderen gegenwärtig sein und das Wort klingen: Ich nehme dich an als meine Frau, als mein Mann, in Liebe und in der Bitte um ein reines Herz, das sich ganz dir schenken kann. Amen.