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Sehschule für Kinogänger: "The Good Old Times are gone"
von P. Martin Löwenstein SJ, Frankfurt/Main 25. Juni 2004
 

-------->> Info zu den Filmen "Der Pate" Teil 1 bis 3:

 

Einleitung


Moderne und Kapitalismus

Macht unter den Bedingungen der Moderne




Reader zur Sehschule für Kinogänger: "The Good Old Times are gone"
zu "Der Pate"/"The Godfather" von Francis Ford Copola, Frankfurt 25. Juni 2004

Hobbes, Thomas: Leviathan. Oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Deutsch von Walter Euchner. Hrsg. und eingeleitet von Iring Fetscher. Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1984 (Hervorhebung fett von Lw)

10. Kapitel Von Macht, Wert, Würde, Ehre und Würdigkeit

[66] Die Macht Menschen besteht, allgemein genommen, in seinen gegenwärtigen Mitteln zur Erlangung eines zukünftigen anscheinenden Guts und ist entweder ursprünglich oder zweckdienlich.

Natürliche Macht ist das Herausragen der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, wie außerordentliche Stärke, Schönheit, Klugheit, Geschicklichkeit, Beredsamkeit, Freigebigkeit und Vornehmheit. Zweckdienlich ist die Macht, die durch natürliche Macht oder durch Zufall erlangt wird und als Mittel oder Instrument zum Erwerb von mehr Macht dient, wie Reichtum, Ansehen, Freunde und das verborgene Wirken Gottes, das man gewöhnlich Glück nennt. Denn die Natur der Macht ist in diesem Falle dem Gerücht ähnlich, das mit seiner Verbreitung zunimmt, oder der Bewegung schwerer Körper, die desto schneller wird, je weiter sie sich fortbewegen.

Die größte menschliche Macht ist diejenige, welche aus der Macht sehr vieler Menschen zusammengesetzt ist, die durch Übereinstimmung zu einer einzigen natürlichen oder bürgerlichen Person vereint sind, der die ganze Macht dieser Menschen, die ihrem Willen unterworfen ist, zur Verfügung steht, wie z. B. die Macht eines Staates. Oder die Macht ist dem Willen jedes einzelnen unterworfen, wie die Macht einer Partei oder verschiedener verbündeter Parteien. (2)13 Deshalb ist es Macht, Diener zu haben, Freunde zu haben ebenfalls, denn sie sind vereinte Kräfte.

Ebenso ist Reichtum, verbunden mit Freigebigkeit, Macht, da er Freunde und Diener verschafft - ohne Freigebigkeit aber nicht, denn in diesem Fall schützt er nicht, sondern setzt uns dem Neid als Beute aus.

Im Ruf von Macht stehen ist Macht, weil dies die Anhängerschaft von Schutzbedürftigen nach sich zieht.

In dem Ruf stehen, von seinem Land geliebt zu werden. Volkstümlichkeit genannt, ist aus demselben Grunde Macht.

Ebenso ist jede Eigenschaft Macht, die einem Menschen die Liebe oder die Furcht vieler einbringt, oder der Ruf einer solchen Eigenschaft, da sie ein Mittel ist, die Hilfe und den Dienst vieler zu erlangen.

[67] Glücklicher Erfolg ist Macht, da er zu dem Ruf von Weisheit oder großem Glück führt. Er veranlasst die Menschen, jemanden zu fürchten oder ihm zu vertrauen.

Die Leutseligkeit von Menschen, die schon Macht besitzen, ist ein Zuwachs an Macht, denn sie weckt Liebe.

(...).

Die Geltung oder der Wert eines Menschen ist wie der aller anderen Dinge sein Preis. Das heißt, er richtet sich danach, wieviel man für die Benützung seiner Macht bezahlen würde und ist deshalb nicht absolut, sondern von dem Bedarf und der Einschätzung eines anderen abhängig. (...) Und wie bei anderen Dingen, so bestimmt auch bei den Menschen nicht der Verkäufer den Preis, sondern der Käufer. Denn mag jemand, wie es die meisten Leute tun, sich selbst den höchsten Wert beimessen, so ist doch sein wahrer Wert nicht höher, als er von anderen geschätzt wird.

Das Kundtun des Werts, den wir uns gegenseitig beimessen, nennt man gewöhnlich ehren und entehren.

Jemanden hoch einschätzen heißt ihn ehren, ihn niedrig einschätzen heißt ihn entehren. Hoch und niedrig ist in [68] diesem Falle aber als Vergleich mit dem Rang zu verstehen, den jedermann sich selbst beilegt.

(...)

Einen anderen um die Hilfe irgendeiner Art bitten heißt ihn ehren, da dies ein Zeichen unserer Meinung ist, es stehe in seiner Macht zu helfen, und je schwieriger die Hilfe ist, desto größer ist die Ehre.

Gehorchen heißt ehren, denn niemand gehorcht Leuten, von denen er annimmt, dass sie keine Macht haben, ihm zu helfen oder zu schaden. Und folglich heißt nicht gehorchen entehren.

Jemandem große Geschenke machen heißt ihn ehren, da dies ein Kauf von Schutz und eine Anerkennung von Macht ist. Kleine Geschenke machen heißt entehren, denn sie sind nur Almosen und bedeuten, dass man der Ansicht sei, der Empfänger bedürfe kleiner Unterstützungen.

Das Wohl eines anderen eifrig fördern und ihm schmeicheln heißt ehren, da dies ein Zeichen ist, dass wir seinen Schutz oder seine Hilfe suchen. Sich nicht darum zu kümmern heißt entehren.

Einem anderen einen Vorteil überlassen oder einräumen heißt ehren, da dies das Zugeständnis von größerer Macht bedeutet. Sich anmaßend verhalten heißt entehren.

Einem anderen Beweise von Liebe oder Furcht geben heißt ehren, denn lieben wie fürchten bedeutet einen Wert beimessen. Verachten oder weniger lieben oder fürchten, als es jemand erwartet, heißt entehren, da dies soviel wie unterbewerten bedeutet.

Loben, preisen oder glücklich nennen heißt ehren, da nur Güte, Macht und Glück geschätzt werden. Schmähen, spotten oder bemitleiden heißt entehren.

Jemanden wohlüberlegt anreden und anständig und bescheiden vor ihm auftreten heißt ihn ehren, denn dies sind Zeichen von Furcht, ihn zu beleidigen. Ihn unbedacht anreden oder vor seinen Augen etwas Unanständiges, Schmutziges oder Schamloses tun heißt entehren.

Einem anderen glauben, vertrauen und sich auf ihn verlassen heißt ihn ehren, da dies ein Zeichen ist, dass wir ihm Wert und Macht zuschreiben. Einem misstrauen oder nicht glauben heißt entehren.

Auf den Rat eines Menschen oder seine sonstigen Reden hören heißt ehren, da dies ein Zeichen dafür ist, dass wir ihn für klug, beredt oder [69] geistreich halten. Währenddessen schlafen, weggehen oder reden heißt entehren.

Einem anderen erweisen, was er für ein Zeichen von Ehrerbietung ansieht oder was Gesetz und Gewohnheit dazu machen, heißt ehren, denn indem man die von anderen bezeugte Ehrerbietung billigt, anerkennt man die Macht, die andere anerkennen. Dies unterlassen heißt entehren.

Jemandens Meinung zustimmen heißt ehren, da dies ein Zeichen der Anerkennung seiner Urteilskraft und Klugheit ist. Nicht zustimmen heißt entehren und bedeutet den Vorwurf des Irrtums und, wenn man in vielen Dingen nicht zustimmt, der Verrücktheit.

Nachahmen heißt ehren, da dies leidenschaftlich billigen bedeutet. Jemandens Feinde nachahmen heißt entehren.

(...).

Bei einem Rat oder einem schwierigen Unternehmen die Dienste eines anderen in Anspruch nehmen heißt ehren, da dies ein Zeichen dafür ist, dass wir ihm Klugheit oder eine andere Macht zuschreiben. In solchen Fällen die Dienste derer, die sich anbieten, ablehnen, heißt entehren.

(...)

Ehrenvoll ist jeder Besitz, jede Handlung oder Eigenschaft, die Beweis und Zeichen von Macht sind.

Und deshalb ist es ehrenhaft, von vielen geehrt, geliebt oder gefürchtet zu werden, da dies Beweise von Macht sind. Von wenigen oder niemandem geehrt werden ist unehrenhaft.

Herrschaft und Sieg sind ehrenhaft, da durch Macht erworben, und Knechtschaft aus Not oder Furcht ist unehrenhaft.

Glück, falls beständig, ist ehrenhaft, da es ein Zeichen der Gunst Gottes ist. Unglück und Verluste sind unehrenhaft. Reichtum ist ehrenhaft, denn er ist Macht. Armut ist unehrenhaft. Großmut, Freigebigkeit, Hoffnung, Mut und Vertrauen sind ehrenhaft, da sie aus dem Bewusstsein von Macht entstehen. Kleinmütigkeit, Geiz, Furcht und Misstrauen sind unehrenhaft.

(...)

Ernst, sofern er von einer Beschäftigung des Geistes mit einer anderen Angelegenheit herzurühren scheint, ist ehrenhaft, denn Beschäftigtsein ist ein Zeichen von Macht. Scheint er jedoch von der Absicht herzurühren, ernst zu wirken, so ist er unehrenhaft. Denn die erste Art von Ernst ist der ruhigen Fahrt eines mit Waren beladenen Schiffes ähnlich, die zweite aber der eines Schiffes mit einem Ballast von Sand oder ähnlichem Plunder.

Berühmt, das heißt wegen seines Vermögens, Amts, seiner großen Taten oder irgendeines herausragenden Vorzugs bekannt sein ist ehrenhaft, denn dies ist ein Zeichen der Macht, wegen der er berühmt ist. Umgekehrt ist Unbekanntheit unehrenhaft.

(...)

Begierde nach großem Reichtum und Streben nach großen Ehren sind ehrenhaft, denn sie sind Zeichen dafür, dass man die Macht besitzt sie zu erlangen. Begierde und Streben nach kleinen Gewinnen und Vorteilen sind unehrenhaft.

Es spielt auch für die Ehre keine Rolle, ob eine Handlung gerecht oder ungerecht ist, wenn sie nur groß und schwierig und folglich ein Zeichen von Macht ist. Denn Ehre besteht nur in der Meinung, dass Macht vorliegt. Deshalb waren die Heiden des Altertums nicht der Ansicht, dass sie ihre Götter entehrten, als sie sie in ihren Dichtungen raubend, stehlend und andere große, aber ungerechte und unreine Taten vollbringend auftreten ließen, sondern sie meinten, sie dadurch ganz besonders zu ehren. So wird an Jupiter nichts so sehr gerühmt wie seine Ehebrüche, und an Merkur seine Listen und Diebereien: Das höchste Lob, das ihm Homer in einem Hymnus ausspricht, lautet so: Er wurde morgens geboren, mittags ersann er Musik und bevor es Nacht wurde, stahl er das Vieh des Apoll von dessen Hirten.

Auch bei den Menschen galt es bis zur Gründung großer Staaten nicht als Schande, ein Pirat oder Wegelagerer zu sein, sondern eher als rechtmäßiges Gewerbe, und zwar nicht nur bei den Griechen, sondern auch bei allen anderen Völkern, wie aus der Geschichte des Altertums klar hervorgeht. Und heutzutage sind in diesem Teil der Welt private Duelle ehrenhaft und werden es, obwohl sie ungesetzlich sind, so lange sein, bis angeordnet wird, die Ehre gebühre denen, die die Herausforderung ablehnen, und den Herausforderern Schande. Denn Duelle sind oftmals auch Auswirkungen von Mut, und der Grund von Mut ist immer Stärke oder Gewandtheit, die Macht darstellen. Meistens handelt es sich jedoch um die Auswirkungen einer vorschnellen Rede und der Furcht vor Schande bei einem oder beiden Zweikämpfern, die, durch ihre Voreiligkeit gebunden, auf den Kampfplatz getrieben werden, um der Schande zu entgehen. (3)

11. Kapitel Von der Verschiedenheit der Sitten

[75] (...)

So halte ich an erster Stelle ein fortwährendes und rastloses Verlangen nach immer neuer Macht für einen allgemeinen Trieb der gesamten Menschheit, der nur mit dem Tode endet. Und der Grund hierfür liegt nicht immer darin, dass sich ein Mensch einen größeren Genuss erhofft als den bereits erlangten, oder dass er mit einer bescheidenen Macht nicht zufrieden sein kann, sondern darin, dass er die gegenwärtige Macht und die Mittel zu einem angenehmen Leben ohne den Erwerb von zusätzlicher Macht nicht sicherstellen kann.(...)

Wetteifer um Reichturn, Ehre, Befehlsgewalt oder eine andere Macht führt zu Streit, Feindschaft und Krieg, da der Weg des einen Bewerbers zur Erlangung seines Wunsches dazu führt, den anderen zu töten, zu unterwerfen, zu verdrängen oder zurückzuwerfen. Teilweise führt der Wetteifer um Anerkennung zur Verehrung des Altertums. Denn man kämpft nur mit Lebenden, nicht mit Toten, wenn man diesen mehr zuschreibt als ihnen eigentlich zukommt, damit sie den Ruhm des anderen verdunkeln.

Das Verlangen nach angenehmem Leben und sinnlichem Vergnügen veranlasst die Menschen, einer allgemeinen Gewalt zu gehorchen, denn durch dieses Verlangen gibt man den Schutz auf, den man von eigener Anstrengung und Arbeit hätte erhoffen können. Furcht vor Tod und Misshandlungen bewirkt aus dem gleichen Grund dasselbe. Umgekehrt sind arme und robuste, mit ihrer gegenwärtigen Lage unzufriedene Männer sowie solche, die ehrgeizig ein militärisches Kommando anstreben, geneigt, die Ursachen eines Kriegs andauern zu lassen und Wirren und Aufruhr anzuzetteln. Denn militärische Ehren gibt es nur im Krieg, und für ein schlecht stehendes Spiel besteht nur Hoffnung, wenn man erreicht, dass die Karten von neuem gemischt werden.

(...)

[77] Empfangen wir von jemandem, dem wir uns gleichwertig dünken, eine größere Wohltat, als Hoffnung besteht, sie wettmachen zu können, so führt dies zu Scheinliebe, in Wirklichkeit aber zu geheimem Hass und versetzt uns in die Lage eines hoffnungslosen Schuldners, der den Anblick seines Gläubigers flieht und ihn im Stillen dort hinwünscht, wo er ihn nie wieder zu Gesicht bekommt. Denn Wohltaten verpflichten, Verpflichtung ist Knechtschaft und unerfüllbare Verpflichtung ständige Knechtschaft, die man hasst, wenn sie seinesgleichen geschuldet wird. Aber empfangen wir von jemandem Wohltaten, den wir als überlegen anerkennen, so erweckt dies Liebe, da die Verpflichtung keine neue Herabsetzung bedeutet. Und die freudige Annahme, Dankbarkeit genannt, ist eine dem Verpflichtenden erwiesene Ehre, die allgemein als Wiedergutmachung angesehen wird. Wohltaten von Gleichgestellten oder Unterlegenen erwecken ebenfalls Liebe, solange Hoffnung besteht, sie wettmachen zu können. Denn die Verpflichtung des Empfängers geht auf Hilfe und gegenseitige Unterstützung, woraus ein Wettstreit entsteht, wer den anderen im Erweisen von Wohltaten übertreffen wird - gewiss der edelste und nützlichste Wettstreit, der möglich ist, bei dem sich der Sieger an seinem Sieg freut und der andere sich revanchiert hat, wenn er sich geschlagen gibt.

Einem Menschen mehr Schaden zufügen, als man wieder gutmachen kann oder will, erweckt im Täter Hass gegen das Opfer. Denn er hat Rache oder Vergebung zu erwarten, und man hasst beides.

Furcht vor Unterdrückung spornt uns an, zuvorzukommen oder die Hilfe von Bundesgenossen zu suchen, denn es gibt keinen anderen Weg, Leben und Freiheit zu sichern.

1. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Fünfte revidierte Auflage, besorgt von Johannes Winckelmann. Tübingen (J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)) 1976, S. 28.

2. Lat. Fassung präziser: Die dieser am nächsten kommende Macht ist die, welche von dem Willen vieler Menschen abhängt, die sich nicht miteinander vereinigt haben, wie z. B. einer einzelnen oder mehrerer verbündeter Parteien.

3. Die lat. Fassung vertieft die Argumentation "Die Bereitwilligkeit zum Kampf ist immer ein . Zeichen der Tapferkeit, welche in dem natürlichen Zustande der Menschen wo nict die einzige, doch die größte Tugend ist; Weigerung zum Kampf hingegen wird durch Gesetze, nicht aber durch die Natur zur Tugend, und die Natur hat mehr Kraft als alle Gesetze.