Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr B 2008 (Lukas)

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30. November 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius, Frankfurt

1. Dumm gelaufen

  • Dumm gelaufen. Der Banker (vormals/künftig Bankier), der die phantastischen Zinsen einer isländischen Bank seinen Kunden anempfohlen hat, muss ihnen jetzt erklären, das es da Schwierigkeiten gibt. Die Bank selbst schreibt Milliarden fauler Kredite ab. Dabei hätte man es schon früher sehen können. Es gab warnende Stimmen, aber die hatten keine Chance, im lärmigen Rausch des Booms gehört zu werden.
  • Dumm gelaufen. Als das Klausurergebnis vorliegt, dämmert dem Studenten, dass das der letzte Versuch war. Dieses Studium kann er vergessen. Er hatte - wieder - erst auf den letzten Drücker richtig gelernt. Es hatte bei ihm bisher immer am besten funktioniert, nur unter Druck zu lernen. Dabei hätte er wissen können dass auch mal die Zeit knapp wird und etwas dazwischen kommt. Aber bislang hat es doch irgendwie geklappt sich durchzumogeln. Bis jetzt.
  • Dumm gelaufen. Als er an diesem Abend erst spät in der Nacht nach Hause kommt, ist sie weg. Es war so bequem, jemand zu haben, der zur emotionalen Erbauung und für guten Sex daheim auf ihn wartet. Sie hatte ihm oft gesagt, dass Liebe mehr ist und Treue wichtig. Oft gesagt, aber dennoch nicht gehört. Jetzt steht er vor dem Scherbenhaufen - allein.

2. Das Ende

  • Die Bilder der apokalyptischen Reden Jesu in Jerusalem kann man knapp auf den Punkt bringen: Dumm gelaufen. Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit offenbar wird, dann ist die Geschichte, wie wir sie kennen, vorbei. Wenn wir unserem Schöpfer gegenüber treten, ist das nicht einfach lustig. "Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen."
  • Wir leben unser Leben. Dazu sind wir geschaffen und berufen. Gott hat uns in Freiheit erschaffen und er achtet sie. Gott hat uns nicht als perfekte Wesen erschaffen, sondern als Persönlichkeiten, die an den Chancen, Herausforderungen und auch Widrigkeiten des Lebens wachsen. Er erscheint in dieser Welt nur verhüllt; sein Wort ist Mensch geworden in liebender Ohnmacht. Nur so kann er unsere Freiheit wahren. Es ist unsere Geschichte - oder unser Durchwurschteln, weil wir uns nicht zeitig aufraffen, Gott entgegen zu gehen.
  • Advent ist Ankunft. Adventszeit ist Einladung, dem kommenden Gott entgegen zu gehen. Die Lesungen des Ersten Advent machen aber auch ganz klar, dass Gott in jedem Fall kommt. Spätestens, wenn uns der Sensenmann holt, ist uns das Leben aus der Hand genommen. Dann ist Gott da und wir stehen vor ihm. Es kann wunderbar sein, Christus in seiner Herrlichkeit zu sehen, weil Gott die Liebe ist und in seinem Licht alles verwandelt werden kann. Aber es kann uns auch völlig unvorbereitet treffen, dass dann der Schlüssel da ist, aber das Schloss verklemmt und verklebt.

3. Der Anfang

  • Advent ist die Einladung, dem Kommenden entgegen zu gehen. Das Problem von "dumm gelaufen" ist die Zeitperspektive. Dumm ist es dann gelaufen, wenn Zukunft und Gegenwart nicht zusammenpassen. Dumm ist es gelaufen, wenn ich darauf vergessen habe, dass alles in der Zeit ein Ende hat. Dumm ist es aber auch dann gelaufen, wenn ich nicht in der Gegenwart und für die Gegenwart lebe: Der Banker, der auf immer steigende Kurse setzt und nicht nach dem Wert heute fragt; der Student, der sein Studium so anlegt, gerade irgendwie durch die Prüfung zu kommen, statt in dem Fach seine Berufung zu finden; der Mann, der die Liebe in der Beziehung heute nicht liebt und damit nicht nur das böse Erwachen riskiert; es entgeht ihm auch die Erfüllung und Freude heute gelebter Treue.
  • Der Akzent des Evangeliums liegt auf Wachsamkeit. Wir sollen wissen, dass "der Hausherr kommt". Wenn Christus erscheint, dann kommen die Koordianten der Welt ins Wanken, "die Sterne werden vom Himmel fallen". Aber es ist nur die geschaffene Sonne, die sich verfinstert, wenn das ungeschaffene Licht erscheint. Es sind nur der Hass und die Gleichgültigkeit, die im Erdbeben erschüttert werden. Erscheinen wird das Licht und die unfassbare, herrliche Liebe unseres Gottes, die die Menschen aus allen Himmelsrichtungen zusammen führt. Diese Erwartung soll das Jetzt prägen und verwandeln. Jetzt lieben, damit uns das Offenbarwerden der Liebe Gottes nicht überrascht wie ein Dieb in der Nacht.
  • Den Tag und die Stunde brauchen wir nicht zu kennen, wann wir unverhüllt vor Gott stehen werden. Denn nicht dann erst beginnt das Leben in Gott, sondern jetzt und heute, wo wir unser Leben in dieser Erwartung gestalten. Das Jetzt und Heute ist das Geschenk des kommenden Gottes - der jetzt und heute unter uns ist. Verhüllt zwar, aber gegenwärtig dem, der wachsam glaubt und vertraut, und der wach ist dafür, jede Stunde in Gottes Gegenwart zu leben. Amen.