Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr B 2020 (Mk)

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29. November 2020 - Kapelle im Gemeinschaftskrankenhaus St. Petrus, Bonn

1. Adventliche Gleichnisse

  • „Dem Türsteher befahl er, wachsam zu sein“. Dieses Bild für sich genommen vermittelt den Eindruck, dass wir in der Erwartung von Gottes Gegenwart vor allem untätig verharren sollen. Der Türsteher steht an seinem Platz und hält die Augen auf. Wer tut er nicht. Er geht nicht umher. Er trifft nicht andere. Er ist eigentlich der perfekte Kontemplative.
  • Doch wenn wir diesen Abschnitt im Evangelium zusammennehmen mit den vielen anderen, die uns überliefern, wozu Jesus im Blick auf sein Wiederkommen auffordert, dann sieht das anders aus. Dort fordert das Gleichnis jeweils dazu auf, die Talente einzusetzen, etwas damit zu machen, sie nicht zu vergraben.
  • Ich finde es immer spannend, solche – auf den ersten Blick – Widersprüche nicht zu übergehen, sondern nachzufragen.

2. Der Türsteher

  • Der Türsteher ist eine Gestalt des Advents. Er steht an der Tür seines Hauses und hält Ausschau nach dem Gast, der kommen will. Er rechnet mit diesem Besuch. Damit ist er das Gegenteil des Menschen, der die Tür des Hauses schon längst abgeschlossen hat und nicht mehr damit rechnet, dass Gott in seinem Leben gegenwärtig wird.
  • Der Türsteher hält Ausschau nach den Zeichen, die auf die Gegenwart Gottes hinweisen. Er hat Zeit und sieht die Natur, sieht die Schönheit von allem, was nicht korrumpiert ist, sondern durchlässig für seinen Ursprung als gute Schöpfung Gottes.
  • Der Türsteher sieht, dass die Liebe, die das Kennzeichen des wahren Gottes ist, in so vielen Gestalten gegenwärtig ist. Der Türsteher weiß um das Bedrängende, das Traurige, das Leid. Aber selbst dort schaut er das Leid nicht an als etwas, das zerstört, sondern als etwas, das es ermöglicht, den Leidenden in Liebe nahe zu sein, als einen willkommenen Ort der Menschwerdung.

3. Gott in allem

  • Genau das verbindet das Bild vom Türsteher mit dem Bild von dem Knecht, dem aufgetragen ist, seine Talente einzusetzen. Denn es sind diese Talente, die der Herr selbst ihm anvertraut hat. Wenn er sie vergräbt, sind sie weg. Wenn er sie einsetzt in dem Maße in dem es ihm möglich ist, dann wird das Gute, das durch sie gewirkt wird, zur Erfahrung der Gegenwart Gottes.
  • Zu Beginn der Bergpredigt formuliert dass Jesus genau auf diese Weise: „Ihr seid das Licht der Welt, damit die Menschen eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen“. Genauso darf ich das Gute, dass ich selber wirke, voll Dankbarkeit anschauen als ein Werk Gottes, als ein Geschenk, durch das mich Gott mit anderen verbindet.
  • Der Türsteher des Evangeliums hält Ausschau nach diesen Erfahrungen dass Gott alles in allem wirkt. Er ist nicht schläfrig und nicht frustriert, sondern wach und neugierig, wie ein Verliebter, wie ein Mensch, der auf einen willkommenen Gast wartet. Die Zeit des Wartens wird ihn nicht lang, weil er die vielen Spuren sieht, die den Kommenden vorangehen. Das ist Advent. Amen