Predigt zum 10. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus)
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6. Juni 1999 - St. Barbara Krakau
1. Die Anderen
- Thomas Büttner war bis heuer zwei Jahre mit den Jesuiten in Kroatien, um dort beim Aufbau nach dem Krieg mitzuhelfen
(jevnet 2/99). Er sollte in einem Dorf in der Kraijna mithelfen, den Flüchtlingen, die dort angesiedelt wurden, eine
Zukunft zu geben. Erst hatten dort Serben die Kroaten blutig vertrieben und dann nicht minder blutig Kroaten die Serben.
Heute leben nur noch wenige Serben unter den Kroaten, die zumeist Flüchtlinge aus Bosnien sind. Der
Jesuiten-Flüchtlingsdienst versucht dabei, allen zu helfen, Serben, Kroaten und Muslime. Die Reaktion darauf ist vor
allem auf seiten der Mehrheit der Kroaten Hass: Wie könnt Ihr mit denen zusammen sein, die uns unser Land
weggenommen und unsere Familien umgebracht haben?
- Wahrscheinlich können wir das Evangelium vom Mahl Jesu mit den Jüngern ganz gelassen anhören. Es regt uns nicht
besonders auf. Wir wissen, dass Matthäus ein wichtiger Mann der Kirche geworden ist, sich also ganz offensichtlich
bekehrt hat. Nur: war das die Bedingung Jesu dafür, dass er mit ihm zu Abend gegessen hat? Und hat sich Jesus
vergewissert, dass die anderen "Sünder", die da zum Essen erschienen sind, sich auch alle bekehrt hatten?
- Vielleicht müssen Sie etwas nachdenken, um bei sich selbst zu sehen, wo bei Ihnen der Geduldsfaden reißt: Mit diesem
Abschaum würde Jesus nicht mehr zusammen essen! Mit diesen Kriegsverbrechern, Zynikern, Gewinnlern, Lüstlingen,
mit diesen Menschen sollte Jesus zusammen sein wollen - lieber als mit mir? Kaum vorstellbar.
2. Jesus und die Sünder
- Kaum vorstellbar, aber doch Wirklichkeit. Jesus hat selbst noch mit denen Umgang gepflegt, die anständige Menschen -
zu Recht doch! - meiden. Er hat dabei weder davor sichergestellt, dass aus jedem dieser Sünder hinterher ein Bekehrter
und Heiliger wird, noch hat er eine Presseerklärung abgegeben, des Inhalts, dass er sich selbstverständlich von jedem
Einverständnis mit den Taten der Sünder distanziert und der Besuch rein seelsorglichen Charakter habe.
- Den Zorn der Pharisäer kann ich leichter nachvollziehen als die Motive Jesu. Mit der Erklärung die er gibt - die Kranken
brauchen den Arzt, nicht die Gesunden - verschafft er seinem Verhalten noch allgemeine Bedeutung. Die Begründung
kann natürlich nicht widersprochen werden, aber verstehen wir sie noch als Motivation, wenn wir bedenken, mit wem
sich Jesus daraufhin einlässt? Wie kann er das, warum tut er das?
- Jesus hält Mahl mit den Sündern, weil er weiß, dass die Sünde gefangen hält. Wer in Schuld gefangen ist, wem Schuld
zum Teil seines Lebens geworden ist, wer Teil eines Krieges geworden ist, der dachte vielleicht am Anfang noch, er
selbst könne etwas verändern, dies und das tun und doch Distanz wahren, jederzeit wieder aufhören. Der Teufel aber
bedient sich unserer Unfähigkeit zu trauern, um uns immer mehr an die Sünde zu binden. Das geht ganzen Nationen so -
wo ist die Aufarbeitung der Verbrechen der Gewaltherrschaft? - und das geht jedem Menschen so. Wir haben und finden
Entschuldigungen, Gründe und Begründungen, und lassen uns so immer mehr gefangen nehmen. Das ist die Herrschaft
der Sünde, die den Menschen in sich verschließt.
3. Befreiung
- Daher ist das Mahl, das Jesus mit den Sündern hält, Befreiung. Die Bekehrung und das Abwenden von der Sünde ist es
noch nicht. Mancher Zöllner wird danach wieder weitergemacht haben wie zuvor. Aber das Aufbrechen der
Isolationsmacht der Sünde, ist die befreiende Tat Gottes.
- Eine Voraussetzung hat diese Befreiung. Das Erkennen meiner Sünde. Erst wenn ich aus dem tödlichen Kreislauf der
Beschwichtigung und Begründung, aus dem Aufrechnen und Rechten aussteige und bekennen kann - vor Gott, vor den
Menschen und nicht zuletzt vor mir selbst, dass ich ein Sünder bin, erst dann werde ich offen für das neue Leben, in das
uns Gott beruft.
- Deswegen sind wir alle Eingeladene zum Mahl des Herren. Es ist ein Mahl der Sünder. Aber es ist zugleich auch das
Mahl, das uns beruft zur Freiheit der Kinder Gottes. Amen