Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Weihetag der Lateranbasilika 2014 (Ezechiel)

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9. November 2014 - Herz Jesu, Hamburg-Hamm

1. Symbol der Einheit

  • In der Heiligen Messe gibt es eine kleine, unscheinbare Tradition, die den meisten wahrscheinlich noch nie aufgefallen ist. Wenn der Priester das Brot bricht, damit es an das Volk Gottes ausgeteilt wird, dann bricht er auch ein kleines Eckchen ab und gibt es in den Kelch. Man muss schon sehr aufpassen, um das zu sehen. Manche Priester, die Symbole gerne abschaffen, lassen es auch ganz weg.
  • Wie es mit vielen Symbolen in der Liturgie so ist: Der Ursprung ist nicht ganz klar und die Bedeutung hat sich über die Jahrhunderte immer mal wieder verschoben. So kann man in dem Stückchen Brot im Kelch ein Zeichen dafür sehen, dass das Sakrament des Leibes und Blutes Christi eins ist, ganz und gar ein Sakrament, egal ob ich bei der Kommunion nur den Leib Christi im Brot oder nur das Blut Christi im Wein oder auch beides empfange. Immer ist es der eine Christus und ist es die eine Kirche, mit der ich Kommunion habe.
  • Es könnte aber auch einen sehr konkreten Hintergrund haben, warum ein Stückchen Brot in den Kelch gegeben wird. Denn der Priester ist in der Katholischen Kirche - recht verstanden - immer ein Mitarbeiter des Bischofs und Teil des Presbyteriums, der Gemeinschaft der Priester mit dem Bischof. Oder anders gesagt: Jede Heilige Messe, die wir in einer Kirche vor Ort feiern, steht immer in Verbindung mit der Heiligen Messe, die der Bischof feiert. Daher scheint es in der Kirche der Antike gebräuchlich gewesen zu sein, dass von der Messe in der Bischofskirche je ein Stück Brot in die Gemeindekirchen gebracht und dort dem Kelch mit dem Wein beigemischt wurde. Auch in unserer Messe beten wir immer für den Papst und den Bischof (so wir gerade einen haben). Denn immer sind wir, wenn wir Messe feiern, mit der ganzen Kirche unseres Bistums und mit der ganzen Kirche des Erdkreises verbunden. Christ ist man nie für sich selbst. Gemeinde ist man nie allein, sondern immer nur in Verbindung. Auch wenn das Stückchen Brot heute nicht mehr aus der Bischofskirche kommt, kann das Symbol an die dahinter stehende Wirklichkeit erinnern.
    Daher feiern wir nicht nur das Kirchweihfest unserer eigenen Kirche, sondern auch das Weihefest der Kirche, die über ein Jahrtausend hinweg die Kirche des Papstes war, der Kirche St. Johannes im Lateran in Rom. Ein Zeichen, nur ein Zeichen, und doch ist die damit bezeichnete Realität im Glauben wichtig. Kirche sind wir hier vor Ort, aber immer in Verbundenheit mit der einen Kirche.

2. Heilendes Wasser der Tempelquelle

  • Die Lesung aus dem Buch Ezechiel wurde für das heutige Fest ausgewählt, weil das Bild aus dem Alten Testament gut zur Bedeutung des Festes passt. Es passt gut um die Heiligkeit des Ortes zu beschreiben und um die Aufgabe des Tempels, Ursprung einer Quelle zu sein die in das weite Land hinein ihr Wasser ergießt.
  • Wie bei jeder Kirche und bei jedem Tempel lässt sich eine profane Geschichte erzählen, wie es dazu kam, dass gerade an jenem Platz ein Heiligtum errichtet wurde. Das ist die Oberfläche. Aber wenn diese Kirche zu einem Ort wird, an dem Menschen beten, an dem sie die Gegenwart Gottes in den heiligen Feiern erfahren, wenn sie merken, dass von hier heilende Kraft ausgeht, dann wissen sie: Den tiefere Grund, warum genau hier das Heiligtum ist, erkennen wir in dieser Wirkung. Damit ist nicht falsch, was die Historiker sagen, aber es ist nicht alles. Für den Glauben ist die Heiligkeit wichtiger. Die Quelle ist das Bild für das, was der Tempel in Wirklichkeit ist: Ein Ort, von dem heilende, gesund machende Kraft ausgeht.
  • Das gilt für alles und für jeden, durch das Gottes Kraft und Gegenwart erfahren werden kann. Es lassen sich ganz normale Erklärungen finden, warum dies und das so und so ist. Und diese Erklärungen stimmen. Ich kann mein ganzes Leben und ich kann die ganze Welt so sehen und erklären. Der Glaube widerspricht dem nicht. Der Glaube, also die Erfahrung von der Gegenwart Gottes, sieht aber mehr und tieferes. So ist für uns die Lateranbasilika eben nicht nur eine aus diesen oder jenen Gründen im 4. Jahrhundert gebaute Kirche, sondern wird von Katholiken des Westens als Mutter der Kirchen geehrt, wegen der Quelle, die hier entsprungen ist.

3. Heilender Glaube

  • All das wird belanglos, wenn dem keine Erfahrung im Leben entspringt. Wer nie erfahren hat, dass die Beziehung zu Gott, der Gottesdienst und das Gebet heilsam ist, wem nie ein Gespür für das Heilige unter und hinter der Oberfläche der Welt geschenkt wurde, dem werden alle Symbole und Feste nichts helfen. Symbole können nur Realität vergegenwärtigen; sie können diese nicht schaffen. Wenn der Tempel nicht lebendig ist, wird auch kein lebendiges Wasser aus ihm strömen. Wenn die Einheit der Kirche nur Verwaltungsstruktur und nicht Gebetsgemeinschaft ist, dann ist natürlich das Stückchen Brot im Kelch ein alberner, alter Zopf.
  • Aber auch umgekehrt: Die Lesung aus Ezechiel verweist ja darauf, dass das Wasser die Quelle verlässt und erst außerhalb zum großen, starken Fluss wird, der Leben ermöglicht. Eine Kirche, die immer nur auf ihr Zentrum schaut und sich mit der Heiligkeit des Innenraumes begnügen will, hat längst die Beziehung zu Gott verloren, der immer über unsere Grenzen hinaus geht.
  • Wir feiern in Verbundenheit mit der römischen Kirche den Weihetag der Lateranbasilka. Seinen Sinn bekommt das Fest nicht in der Konservierung von Erinnerung. Sinn hat das nur, wenn wir hier vor ort lebendige Kirche sind, verbunden mit der Kirche Urbi et Orbi, der Stadt Roms und dem Erdkreis. Amen.