Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)

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14. Juni 2009 - Hochschulgottesdienst, St. Antonius Frankfurt

1. Das Gleichnis vom automatischen Wachstum

  • "automátike", von selbst bringt die Erde aus dem Samenkorn die Pflanze und Frucht hervor. Und der, der den Samen gesät hat, weiß nicht, wie das geschieht. In der Zeit des Wachstums konnte ein Bauer damals nicht viel mehr tun, als einfach nur geduldig sein.
  • Das Gleichnis war zur Zeit Jesu verständlich. Mit dem Reich Gottes ist es wie mit dem Samenkorn, das nur gesät werden kann - und dann vergeht die Zeit. Tagzeiten wechseln, Jahreszeiten kommen und bringen hoffentlich den notwendigen Regen mit sich. So braucht auch der Samen, der für das Reich Gottes gelegt wird, Zeit und Geduld zum Wachsen. Und dann, eines Tages wird es Zeit für die Ernte. Für Jesus dürften es die Engel sein, die am Ende der Zeit die Sichel anlegen und die Ernte des Reiches Gottes einbringen.
  • Jesus hat versucht, über das Reich Gottes vor allem in Gleichnissen zu sprechen. Denn Gleichnisse erfordern die persönliche Identifikation und Auseinandersetzung. Sie erschließen sich dem, der sich persönlich auf das einlässt, was "Reich Gottes", wörtlich "Königreich Gottes" meint: Gott ist relevant für mein persönliches Leben und für die Gestaltung unseres gemeinsames Leben. Das ist Reich Gottes. Daher ist es in der Kirche präsent. Aber weder ist alles in der Kirche Reich Gottes noch bleibt das Königreich Gottes unter den Menschen auf die Kirche beschränkt. Auch zu dieser Einsicht führt das Gleichnis Jesu.

2. Es wächst und wir wissen, wie

  • Zur Zeit Jesu war das Wachstum des Samens unerklärlich. Es wurde als - nicht immer gewährtes - Geschenk betrachtet. Es war eben nicht automatisch, sondern "von selbst" durch Gottes Wirken, dass aus dem gesäten Samen Pflanze und Frucht wird. "Der Samen keimt und wächst, und der Mann weiß nicht, wie."
  • Wir aber wissen durch Biologie und Agrarwissenschaft, wie das geschieht. Und mehr noch: Längst wissen wir, was die Agraökonomie tun kann, um Wachstum und Ertrag deutlich zu steigern - und das schon vor der Aussaat durch Manipulation der genetischen Struktur.
  • Damit bricht das Gleichnis Jesu erst mal zusammen. Wenn das "Er weiß nicht wie" in den Mittelpunkt des Bildes gestellt wird, dann funktioniert das heute nicht mehr. Wir heute - zumindest bei gutem Biologieunterricht - wissen wie Wachstum funktioniert. An die Stelle des Abwartens tritt daher rationale Aktivität, um einen optimalen Ertrag zu erzielen.

3. Die Zeit der Ernte

  • Ich habe den Eindruck, dass wir als Kirche dieses Gleichnis genau in diesem modernisierten Sinn leben. Als Christen überlassen weder Aussaat irgendeinem 'von selbst' des Wachstums, sondern wollen unsere Beziehung zu Gott ebenso durchrationalisieren, wie den Rest unseres Lebens. Witzigerweise gilt das gerade auch für den emotionalen Bereich. Nichts soll dem Zufall überlassen bleiben - oder gar dem geheimnisvollen Wirken Gottes.
  • Dahinter aber steht eine doppelte Blindheit. Erst einmal wird immer noch Gott als Lückenbüßer für das eingesetzt, was wir (noch) nicht verstehen und (noch) nicht technisch beherrschen. Dieser Restbereich für die Zuständigkeit Gottes schmilz jedoch dahin mit dem Fortschritt der Wissenschaft. Gott bleibt als Restbestand in einem dann besonders "mystisch" zu gestaltenden Ecklein am Sonntag. Tatsächlich aber ist Gottes Zuständigkeitsbereich - und damit potentielles Reich Gottes - uneingeschränkt all das, was Gott geschaffen hat. Gerade Evolution und Rationalität sind geschaffen. Gerade unsere Freiheit und Rationalität sind geschaffen. Hier kann und darf Reich Gottes werden.
  • Und zweitens ist das unerklärliche "automátike" nicht die Pointe des Gleichnisses Jesu. Die Pointe ist die Ernte. Da wird das Gleichnis aber überraschend aktuell. Denn das Hauptmanko von vielem, was wir tun, ist dass wir höchst effektiv und rational sein wollen, darüber aber die Zeit der Ernte vergessen. Wir sind zu viel mit Optimierungsprozessen beschäftigt, um uns noch fragen zu können, was das ganze soll. Genau dahin kann uns das Gleichnis Jesu zurückführen: Dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern die Frucht. Das Reich Gottes wächst nur dort, wo Gott das Ziel ist. Wenn wir die Zeit, die der Sämann im ursprünglichen Gleichnis Jesu hat, dafür verwenden, die effektive Tätigkeit zu unterbrechen, um nach em Ziel von all dem zu fragen, dann stoßen wir zweifellos auf Gott und auf den Menschern, auf den hin Gott in seiner Liebe alles geschaffen hat. Amen.