Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr C 2007 (Lukas)
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17. Juni 2007 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Ortstermin Bahnhofsviertel
- Ortstermin zum Evangelium. Frankfurt, Bahnhofsviertel, Elbestraße.
Dort
finden sich nicht die Geldverleiher mit Firmenschild und Schaufenster,
wie vorne
an der Kaiserstraße. Hier geht man hin, wenn man sonst nirgendwo
Kredit
bekommt. An der Theke der Bar erfährt man, wo man klopfen muss. Der
Kredithai
sitzt hinter seinem Schreibtisch. Im Hintergrund spielen zwei
muskelbepackte
Albaner Karten und lächeln schief, als der Chef die
Rückzahlungsbedingungen
für den Kredit erklärt. Bei Zahlungsrückständen pflegen
seine Außendienstmitarbeiter zum Einsatz zu kommen.
- Stellen Sie sich nun vor, Sie seien auf einen Kredit bei diesen
freundlichen
Herren angewiesen gewesen. Aus welchem Grund auch immer haben Sie
dringend 20.000
Euro gebraucht und nirgend wo anders bekommen. Ein anderer brauchte
nur 2.000
Euro. Beides Beträge, die die sportlichen Geldeintreiber rechtfertigt,
wenn Sie auf die Idee kämen, nicht zurück zahlen zu können. Dann
aber passiert es: Sie können beide nicht zurück zahlen. Wieder stehen
Sie im Hinterzimmer, zu zweit, wortreich oder betreten schweigend, 20
Tausend
oder 2 Tausend. Kredithaie sind vor allem darauf angewiesen ihren Ruf
zu wahren,
dass sie erbarmungslos Außenstände eintreiben.
- Wenn ihnen nun die Schuld erlassen wird, ist die Unterwelt
irgendwie aus den
Fugen geraten. Der eine schuldet ein Monats-, der andere ein
Jahresgehalt.
Ihnen beiden wird gesagt: 'Vergiss es! Die Schulden sind
gestrichen.' Spätestens
dann sollten Sie das Radio einschalten oder die Zeitung aufschlagen,
ob Sie
irgendwas verpasst haben. Wenn schmierige Kredithaie sich das
Geschäft
entgehen lassen, muss irgendwas passiert sein - oder Sie haben auf
einmal
einen einflussreichen Freund. Die Gäste beim Gastmahl des Pharisäers
Simon fragen sich "Wer ist das?".
2. Der Pharisäer und die Prostituierte
- Dieser Pharisäer wollte sich ein eignes Bild von Jesus machen. Er
hat
den in seinen Kreisen heftig kritisierten Wanderrabbi Jesus eingeladen
und höflich,
aber nicht überschwänglich empfangen. Er hört ihm zu. Er beobachtet
ihn. er bildet sich eine Meinung über ihn. Aber nie wäre er auf die
Idee gekommen, dass es um ihn selbst, Simon, gehen könnte.
- Das Gegenteil des distanzierten Simon ist die Frau. Sie wird
eingeführt
als bekannte "Sünderin" mit "vielen Sünden", was
in dem Kontext sicher eine Prostituierte meint. Und wenn man das "Alabastergefäß
voll wohlriechendem Öl" in Betracht zieht, dürfte es sich um
eine Edelnutte gehandelt haben, stadtbekannt und in ihrem Fach
erfolgreich.
- Sie hat gehört, dass Jesus mit Kraft Gottes barmherzige Nähe für
alle verkündet. Ohne Plan hat sie sich mit ihrem Öl aufgemacht und
unter die Leute gestellt, die als Zaungäste der Diskussion bei Tisch
beiwohnten. Ihr Kopf setzt aus. Ihre Tränen fließen. Ihr Haar löst
sich auf. Sie trocknet, küsst, und salbt die Füße dessen,
der ihr Herz zur Umkehr geöffnet hat. Sie berührt die Barmherzigkeit
Gottes, die ihr in Jesus Christus begegnet. Und siehe: Er lässt sich
berühren!
3. Gottes Barmherzigkeit
- Einen Namen bekommt der Pharisäer, als Jesus ihn anredet: "Simon!".
Jetzt ist er selbst gemeint. Bis dahin war er interessiert doch selbst
distanziert.
Den schräg-materialistischen Vergleich vom Kredithai sollten wir als
Versuch
Jesu sehen, diesen distanzierten Beobachter Simon zu erreichen. Es
könnte
ihm durch diese scheinbar abwegige und absurde Geschichte gelingen.
Simon wird
neugierig - und wird auf einmal merken, dass der Vergleich von ihm
handelt.
Denn in dem Vergleich setzen die Regeln der Welt aus (Kredithaie
erlassen mirnix,
dirnix Schulden!) und wird Gottes Erbarmen sichtbar. Jesus erklärt den
Überschwang der Frau - und verweist Simon darauf, dass ja vielleicht
auch
ihm etwas erlassen wird.
- Über die Reaktion des Simon erfahren wir nichts. Vielleicht ist die
Tatsache,
dass sein Name dem Evangelisten Lukas noch bekannt war, ein Hinweis
darauf,
dass er sich den Jüngern Jesu angeschlossen hat. Dann wird die
Offenheit
der Erzählung zur Frage an uns: Sperren auch wir Gottes Barmherzigkeit
ein in die engen Regeln, die wir praktizieren. Oder könnte es sein,
dass
Gott die Regeln sprengt, seine Barmherzigkeit größer ist als wir
uns vorstellen - und vielleicht uns gegenüber Gott barmherzig ist?
- "Wer ist dieser?" Für die Gäste und die ringsum stehenden
wird das zur zentralen Frage. "Wer ist das, dass er sogar Sünden
vergibt?"
Einen Wanderrabbi, der über Gottes Barmherzigkeit redet, ist das eine.
Ein Wanderrabbi, der mit göttlicher Vollmacht die Vergebung von Sünden
zuspricht, ist das andere. Das erste kann ein intellektueller Diskurs
bleiben.
Das zweite gibt die Frage an mich zurück: Wie stehe ich zu einem
solchen
Menschen, in dem Gottes Barmherzigkeit gegenwärtig wird? Es könnte
sein, dass Simon entdeckt hat, dass auch er selbst und nicht nur die
Sünderin
wirklich Liebe zu Christus hat, weil auch er nicht vollkommen ist -
weil auch
ihm Barmherzigkeit gilt. Und sei es nur, weil er vorschnell über
andere
urteilt. Amen.