Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr C 2004 (Galaterbrief)
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27. Juni 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Motivationstief
- Die Stimmung ist mies im Lande. Auch wenn das sicher nicht
verallgemeinert werden kann und sollte, ist meine
Wahrnehmung eindeutig. Erschreckend viele Leute haben den Eindruck, dass
derzeit der Frust um sich greift. Unter
vielen Studenten ebenso wie bei vielen Universitätsmitarbeitern, in
vielen Unternehmen und hier besonders bei einigen
Frankfurter Banken heißt vielfach die Devise "Dienst nach Vorschrift".
- Die lähmende Entmutigung betrifft nicht zuletzt auch viele
kirchliche Mitarbeiter. Hier wie generell ist die allgemeine
Stimmung im Lande und sind die wirtschaftlichen Verhältnisse nur ein
Grund. Schwerer wiegen in der Wahrnehmung
der Betroffenen hausgemachte Gründe: mangelnde Leitungskompetenz bis hin
zu glatten Fehlentscheidungen,
mangelnde Transparenz der Entscheidungen und Verantwortlichkeiten bis
hin zu atemberaubendem Zynismus, mit dem
über Mitarbeiter und ihre berechtigten Interessen hinweggegangen wird.
- Nicht alles ist der Leitung anzulasten. Ganze Abteilungen und
Gruppen pflegen geradezu liebevoll den Frust, der ihnen
bereitet wird. Manchmal wird die eigene Demotivation so systematisch der
politischen oder wirtschaftlichen Führung,
der Kirchenleitung oder dem Universitätspräsidenten angelastet, dass man
schon sehr blind sein muss, um nicht zu
ahnen, dass sich dahinter Wirklichkeitsverweigerung versteckt. Weil mir
die Realitäten nicht passen, ziehe ich mich in
den schmollenden "Dienst nach Vorschrift" zurück und mache "die da oben"
dafür verantwortlich. Sie sind es aber nicht
immer.
2. Zur Freiheit berufen
- In dieser Situation ist Entscheidung gefragt. Notwendig ist die
ganz große, alles betreffende Entscheidung, ob ich das
Spiel mitspiele und es mit mir spielen lasse. Nicht nur die Perspektive
wird von mir bestimmt, sondern auch die
Determinanten: Wem erlaube ich, meine Stimmung zu bestimmen. Für
Christen darf auch ein noch so gewaltiger
Stimmungssog nicht dazu führen, dass die Frage dadurch verdrängt wird,
was eigentlich unsere Berufung ist.
- Denn zur Freiheit sind wir berufen. In diesem Sätzchen
bündelt Paulus im Galaterbrief alles, was zur Besonderheit
christlicher Existenz gehört. Sicher, die Formel ist kurz und
missverständlich. Aber was Paulus an die Gemeinden im
Gebiet von Galatien in Kleinasien schreibt, ist Kernbestand der
christlichen Botschaft: "Zur Freiheit seid ihr berufen".
- Ihr seid nicht zum Dienst nach Vorschrift berufen. Eure Berufung
ist nicht, einen Katalog mit Geboten und Verboten
mit Euch rumzutragen. Freiheit ist nicht der Raum, der übrig bleibt,
wenn ich meine notwendigsten Pflichten
abgearbeitet und gegen keine Verbote verstoßen habe.
(Dies gilt auch für die neue römische Instruktion zur Liturgie. So sehr
ich das inhaltliche Anliegen uneingeschränkt
teile, dass die Liturgie der Hl. Messe immer die Liturgie der Kirche ist
und daher der Rahmen für die Gestaltung durch
die Kirche vorgegeben wird, so sehr ist die Form und der Duktus des
Dokumentes unerquicklich. Es ist ein trauriges
Zeugnis, dass nicht frühere Schreiben, die versuchen für das Thema
positiv zu werben, zur breiten Diskussion geführt
haben, sondern jetzt ein Dokument voller Detailregelungen und Verbote.
Hier liegt als Kirche noch ein weiter Weg vor uns.)
Wenn Freiheit nur mehr die private Nische ist, in der mir niemand mehr
reinreden kann, dann ist von dem was Freiheit
sein kann nicht mehr viel übrig.
"Zur Freiheit seid ihr befreit", schreibt Paulus. Das ist keine
unsinnige Doppelung, sondern macht deutlich, dass etwas
geschehen ist, was uns eine neue Art der Freiheit ermöglicht. Mit der
Taufe sind wir zu dieser Freiheit berufen.
3. Gottesprojekt
- Stellen Sie sich mal vor: Ein Hauptseminar, in das Sie sich nicht
nur deshalb müde schleppen, weil Sie einen Schein
brauchen, und für das Sie nicht nur deswegen sich durch einen Berg von
Literatur arbeiten, weil Sie auf eine gute Note
angewiesen sind, sondern deswegen, weil es einfach rasend spannend ist
und es Spaß macht, in der Diskussion
mithalten zu können.
Stellen Sie sich vor, dass Sie einen Job haben, wo Sie nicht nur
deswegen morgens hingehen, um pünktlich die
Stechuhr zu stecken, und sich nicht nur deswegen anstrengen, um die
nächste Entlassungswelle zu überleben, sondern
weil Sie in einem Team mitarbeiten, in dem einfach ein guter Geist
herrscht, und an einem Projekt, an dessen Erfolg
Sie tatsächlich glauben Nur Utopie?
- Nein, mit der Taufe sind Sie dran an diesem Projekt. Der Teil
Ihres Lebens, den kein Tod mehr erreicht, lässt Sie an
diesem Ort sein, der keine Utopie ist. Als Getaufte sind Sie verbrieft
erbberechtigte Töchter und Söhne Gottes,
Mitarbeiter an dem Projekt, für das Gott mit seiner unverbrüchlichen
Treue einsteht. Der Erbbrief, das Testament, ist
Ihnen verkündet. Im Sakrament erhalten Sie ein Unterpfand. Ihr Herz kann
sich von dieser Botschaft verwandeln lassen
und Ihnen die Augen öffnen, dass Sie tatsächlich bereits mitten drinnen
sind in diesem großartigen und unglaublichen,
in diesem umstürzend heiligen Projekt.
- Nicht um irgendwelcher Vorschriften und Verbote willen, nicht
unfrei müssen wir an dem Projekt mitmachen.
Vielmehr ist es die Dynamik dieses Gottesprojektes, die Menschen das
einzige Gebot zum Ziel ihrer Freiheit werden
lässt, das Christusgebot:"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst".
Es gibt auch noch die alte Realität. Es gibt noch die
motivationstötenden Studien- und Arbeitsbedingungen. Es ist aber
eine Frage der Einstellung, genauerhin des Glaubens, von welcher
Realität ich mich mehr beeindrucken lasse. Von Gott
jedenfalls sind wir zu der Freiheit berufen, deren Garant er selbst ist.
Dazu ist er Mensch geworden. Daraufhin hat er
uns sein Wort gegeben. Amen.