Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr C 2016 (Lukas)

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26. Juni 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Radikalität

  • Ist das ein Fundamentalist: Der einem, der sich von seiner Familie verabschieden möchte, sagt "Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes"? Irgendwie ähnelt das doch den Geschichten von jungen Leuten, die allen Kontakt zu ihrer Familie abbrechen, weil sie in die Fänge einer Sekte geraten sind oder sich radikalisiert haben und nun mit dem IS in den Krieg ziehen wollen.
  • Es ist eher ein Zeichen, wie zahn- und kraftlos der Glaube oft ist, wenn uns diese Frage nicht beunruhigt. Denn das ist ja vielleicht ein Hinweis darauf, dass wir keinerlei Sorge mehr haben, irgend ein junger Mensch könnte sich für den christlichen Glauben und die Nachfolge Jesu ernsthaft begeistern.
  • Seien wir statt dessen einmal erschrocken über das Evangelium. Fremdeln wir endlich einmal wieder mit Jesus, statt ihn weichzukochen und für harmlos zu erklären. "Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!" Das lädt ein zum Widerspruch!

2. Fundamentalismus

  • Fundamentalist ist nicht, wer sich für das Reich Gottes begeistern lässt und bereit ist, dafür alles hinter sich zu lassen. Fundamentalisten sind vielmehr Menschen, die sich mit einem Teil nur begnügen. Gerade religiöse Fundamentalisten haben kein anderes Fundament als ihre eigene Willkür, die Realität auf einen Ausschnitt zu begrenzen.
  • Man muss nur genau hinschauen und verschiedene Formen des Fundamentalismus vergleichen. Dann wird man schnell als gemeinsames Merkmal feststellen, dass da Menschen, ob alte oder junge, einen Ausschnitt oder einen Teil für absolut erklären. Denn nie geht es Fundamentalisten um die Tradition. Immer geht es ihnen nur um eine bestimmte Auswahl aus der Tradition - die dann mit dem Nimbus der ewigen Immer-Gültigkeit versehen wird. Was Tradition ist, wählt immer noch der Traditionalist aus. Da sind sich christliche und muslimische Fundamentalisten letztlich einig, und das sogar auch mit jeder Form von a-religiöser Ideologie, vom linken Anarchismus bis zur dumpfen Ausländerfeindlichkeit. Was nicht in das vereinfachte Weltbild passt, wird ignoriert. Die Fundamentalisten aller Couleur sind immer die großen Vereinfacher.
  • Deswegen ist der Fundamentalismus auch ein Produkt der Moderne. Der Mensch ist frei, sich sein Weltbild selbst zusammen zu schustern. Die Teile müssen nicht zusammen passen - sie müssen nur gefühlt zu einem selbst passen, irgendwie authentisch sein. Dann gehen schnell irgendwelche daoistische Ying-Yangs mit Vegtarismus und ein wenig Nächstenliebe, pseudoabendländische Formelwerte und krasser Egoismus, Konsumismus und Esoterik und was auch immer in einander über. Hauptsache 'Es passt zu mir'. Darüber hinaus ist alles egal. Daher hat der Relativismus letztlich einen gemeinsamen Grund mit dem Fundamentalismus.

3. Nachfolge

  • Jesus fordert auf, alles zurück zu lassen. Das bedeutet konkret heute erst einmal: Alles das zurück zu lassen, was nur Teil ist und sich doch absolut setzt. Oder was nur Teil ist, und alles andere für beliebig erklärt. Auch das von Jesus geforderte Verlassen der Familie (noch nicht einmal zurück gehen und sich verabschieden sollen die Jünger!) ist dann nach wie vor gemeint, denn für Christen - einander Schwestern und Brüder - ist die biologische Familie oder die Sippe oder die Nation kein absoluter Wert.
  • Jesus fordert auf, alles zurück zu lassen. Aber er bietet nicht die Flucht in den nächsten Hafen an, sondern mutet das offene Meer und die Weite des Horizontes zu - ja, sogar darüber hinaus. "Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann." Kein Zweifel, wer sich auf die Nachfolge Christi einlässt, ist bleibend unbehaust. Und das soll all denen als Ermahnung dienen, die irgendwelche Formen oder Inhalte des Glaubens absolut setzen - statt den Weg Jesu, den zu finden und zu gehen sie dienen sollen.
  • Jesus mutet einiges zu. Es ist die Zumutung einer unerhörten Freiheit, die sich nicht binden lässt durch Vorletztes. Es ist die Zumutung eines ungeheuren Vertrauens in die Macht Gottes, die mich auch dann noch tragen kann, wenn ich alles loslasse. Es ist ein Leben auf Risiko, wie es in der verweigerten Gastfreundschaft angedeutet ist (".... Aber man nahm ihn nicht auf"). Es ist die Zumutung, alles zu lieben, nicht um es zu besitzen und sich darin einzurichten, sondern als Geschenk Gottes, um sich aufzumachen und das Reich Gottes zu suchen. Amen.