Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 14. Sonntag im Lesejahr C 2004

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4. Juli 2004 - Hochschulgottesdienst, Kaiserdom Frankfurt

1. Friede diesem Haus

  • "Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!" Unter den verwirrend vielen Details des heutigen Evangeliums mag dieser Satz hängen geblieben sein. Es ist eine der Anweisung Jesu an die 72 Jünger, die er vor sich her sendet. "Friede diesem Haus!" Das erinnert daran, dass der Friedensgruß ein festster Bestandteil der Liturgie der Hl. Messe ist.
  • Jahrhundertelang war der Ritus des Friedensgrußes vergessen und auf den Altarraum begrenzt. Wenn wir uns auch nicht mehr wie im ersten Jahrtausend der Kirche zum Friedensgruß küssen, so kennen wir doch heute wieder das Zeichen des Friedens, zu dem wir uns nach westeuropäischer Sitte die Hand reichen.
  • Der Friedensgruß ist nicht die in die Messe eingebaute Nettigkeit. Es ist noch nicht einmal primär die Versöhnung untereinander. Sonst sollte der Friedensgruß nicht vor der Kommunion, sondern vor der Gabenbereitung liegen, da Jesus seinen Jüngern (Mt 5,24) aufgetragen hat, sich zu versöhnen, bevor die Opfergabe zum Altar bringen. Es geht auch nicht um den Frieden allgemein. Um den Frieden in der Welt beten wir in den Fürbitten. Im Friedensgebet vor der Kommunion aber bitten wir ausdrücklich um Frieden für die Kirche. Die Versöhnung unter einander ist davon ein Teil. Der Friede, den Gott seiner Kirche schenkt aber meint mehr.

2. Christliche Lande

  • Vielleicht hilft ein Vergleich mit dem Islam weiter. In der kriegerischen Zeit nach Mohammed hat man "Gebiete des Islam" von denen des Krieges unterschieden. Dar al-islam bezeichnet das Gebiet, in der Muslime unter muslimischer Herrschaft ihren Glauben leben können. Es ist ein Gebiet, in dem die Wahrung des islamischen Rechtes gewahrt ist und der Gläubige nicht an der Ausübung seines Glaubens gehindert wird. Davon wird das Gebiet des Krieges, der dar al-harb unterschieden, dessen Staat und Gesetz sich den Regeln des Koran (noch) nicht unterworfen hat. Hier sind die Gläubigen in einer prekären Situation, weil die herrschenden Gesetze die Ausübung des Glaubens behindern. Später hat man als mittleren Zustand den dar al-sulh definiert, das Gebiet des Vertrages, das die Rechte der Muslime sichert, auch wenn das Land nicht unter islamischer Herrschaft steht.
  • Diese Unterscheidung passt in unser Bild vom Islam. Geschichtlich ist das Christentum davon aber nicht so weit weg. Jahrhundertelang war das Ziel ein "christlicher Staat", der den Sonntag sichert und nach christlichen Maßstäben Recht und Gesetz bestimmt. In der Diskussion um die europäische Verfassung kam mit dem Stichwort "christliches Abendland" die Erinnerung daran immer wieder auf. In manchen Weltgegenden werden Christen auch heute noch verfolgt und an der Ausübung ihres Glaubens gehindert. Wir hingegen leben in solch einem "mittleren Zustand", in dem Christen friedlich leben können. Der Sonntag genießt sogar noch eine - wenn auch bröckelnde - Sonderstellung. Von der Vorstellung "christlicher Staaten" aber haben wir Abstand genommen.
  • Was jedoch meint das heutige Evangelium mit "Frieden". Was bedeutet der Wunsch "Friede diesem Haus!", den die ausgesandten Jünger sprechen sollen? Was zeichnet einen "Mann des Friedens" (eigentlich: "Sohn = Erbe des Friedens!") aus, bei dem man einkehren kann?
    Bleiben wir beim Text des Evangeliums, dann steht fest: In einem solchen Haus wird der abgesandte Jünger Jesu aufgenommen. Bewusst sage ich "abgesandte", denn wie es nach alter Vorstellung 72 Völker gibt, sendet Jesus 72 Jünger aus. Während er selbst unterwegs ist nach Jerusalem, sind die 72 Boten und Zeugen: Jeweils zu zweit, wie es sich für Zeugen gehört, verkünden sie, dass der König Israels unterwegs ist, seine Herrschaft anzutreten. "Das Reich Gottes ist nahe". Jahrtausendelang wurde auf diese Weise ein neuer Herrscher im weiten Land verkündet: Hört die Frohe Botschaft, ein neuer König ist über uns ausgerufen. Ein Haus, das diese Botschaft aufnimmt, ist ein Haus des Friedens.

3. Friedensfürst

  • Länder, Kulturen, Hausgemeinschaften sind nicht neutral. Das macht das Evangelium deutlich. Es gibt "Häuser", die fähig sind den Frieden zu erben, den der Herr, Jesus Christus, bringt. Geradezu abschreckend radikal spricht Jesus aber auch von Städten, die sich der Frohen Botschaft verschließen. Auch der christliche Glaube kennt also so etwas wie den . Dar al-islam, das Gebiet, in dem Gläubige ihren Glauben leben können und den dar al-harb, der keinen Frieden kennt. So sehr aber Jesus sich verstanden hat als der zum König von Israel Gesalbte, der Christos, so sehr seine 72 Boten den Anbruch der Herrschaft verkünden, so sehr unterscheidet sich Christus von Mohammed und seinen Nachfolgern, die mit Waffen Städte und Gebiete erobert haben. Das haben erst viel später christliche Herrscher gemacht. Die Herrschaft Christi ist eine andere.
  • Deswegen kommen die Boten des Christos nicht nur ohne Waffen. Sie sind mittellos, ohne Geld und Vorrat, ja ohne Schuhe. Ein Haus des Friedens nimmt diese mittellosen Boten auf um der Botschaft willen, die sie bringen. Sie sind wehrlos wie Schafe, die unter den Wölfen sind. Das Evangelium ist nicht mit Wolfszähnen, sondern nur mit der Wehrlosigkeit des Lammes zu verbreiten.
  • Dies alles bringt den ganz anderen Frieden. Wir beten und hoffen, dass wir um unseres Glaubens nicht verfolgt werden. In Deutschland geht es uns ganz gut damit. Der Friede aber, den Christus bringt, ist nicht davon abhängig. Er hängt mehr davon ab, ob wir wie "Erben des Friedens" leben, Rechte nicht nur oder gar nicht primär für uns selbst, sondern für die anderen anstreben - auch und gerade für Muslime in unserer Mitte. Der Friede, den wir uns im Friedensgruß wünschen hängt davon ab, ob wir auf die äußere Macht verzichten, da wir wissen, dass mit Christus der äußerste Feind des Menschen, der Satan, bereits entmachtet ist. Wie ein Blitz sah ihn Jesus vom Himmel fallen. Statt dessen wurde der Friedensfürst zu Rechten Gottes gesetzt, der Fürst, der wehrlos war in seiner Liebe. Amen.