Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 15. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)

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14. Juli 2002 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main

1. Unter die Räder gekommen

  • Unter die Räder gekommen, auf freier Strecke vertrocknet, im Dickicht verfangen. Es sind Schicksale, die das Evangelium benennt. Nicht ein lebloses Samenkorn, Wort Gottes genannt, fällt mal hier hin mal dort hin. Es sind Schicksale. Es ist der Mensch, der fällt.
  • So gesehen gelingt es vielleicht, dem Gleichnis die ursprüngliche Rätselhaftigkeit und Wucht zu geben, die es gehabt hat, als Jesus im Boot am Ufer saß, der Lehrmeister vor den vielen Menschen, die am Ufer standen. Die Gleichnisse Jesu sind kein abstrakter Lernstoff, den jeder hören und verstehen kann, wie hart das Herz auch ist.
  • Nur wer aus sich heraustritt und sich anrühren lässt von dem Schicksal des Menschen wird beginnen zu hören. Auch die Jünger sollten das Gleichnis erst mit dem Herzen hören, bevor die Auslegung des Gleichnisses dazukommt und alles glatt und eingängig zu machen droht.

2. Scheitern und Frucht bringen

  • Das Wort Gottes ist - so bekennen wir - Mensch geworden. Wie ergeht es dem Menschen?
    • "Ein Teil der Körner fiel auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen sie". Wo das Wort Gottes keine Geborgenheit findet, wo es keinen Raum und keine Gemeinschaft hat, wo Menschen schutzlos allem ausgeliefert sind, was vorüber kommt, dort leidet der Mensch, dort leidet Gott.
    • "Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte." Die Kultur der Oberflächlichkeit macht auch nur oberflächlich Spaß. An Belastungen zerbricht sie. Oberflächlich, das ist das Festklopfen des dürren Firnis an Tradition genau so wie angeblich modernere Varianten von Oberflächlichkeit. Oberflächlich sind Ideologien ebenso wie Ignoranz. Wo kein Mensch Raum findet, seine eigene Tiefe zu entdecken und nicht mit der Tiefe dessen konfrontiert wird, was das Geheimnis Gottes und des Menschen bedeutet, dort leidet der Mensch früher oder später, dort leidet Gott.
    • "Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat." Diese Dornen mögen gar nicht als solche erkennbar sein. Es sind verschiedenste Dinge, die dem Menschen über den Kopf wachsen, ihn bedrohen und ersticken. Gebote als moralischer Erstschlag ist genauso erstickend wie die Sorge um das Überleben, das eigene wie das der Familie. Wo Menschen überfordert werden, bleibt ihnen keine Luft. Es leidet der Mensch und dort leidet Gott.
  • "Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht". Auf diese Perspektive läuft das Gleichnis zu. Es lässt dabei aber eben die Schicksale der anderen nicht ins Vergessen fallen. Im Gegenteil. Das Wissen um das, was dem Menschen angetan wird, ist die Voraussetzung zum Gelingen. Nicht am Schicksal der anderen vorbei, sondern nur an ihrer Seite kann Leben gelingen.
  • Es ist eine Verheißung: Ihr seid dazu berufen, Frucht zu bringen. Kein Baum bringt Früchte nur für sich. Frucht ist das Gelingen hin auf andere. Darin besteht das Geheimnis des Himmelreiches: Wer hat, dem wird gegeben.

3. Schicksal oder Hören

  • Jesus spricht davon, was geschieht, wenn ein Mensch das Wort vom Reich hört. Das Wort vom Reich ist das Wort des Evangeliums, das verkündet: Gott ist Herr und Herrscher, nicht die Dornen und nicht die Kleinwarenhändler der Oberflächlichkeit und nicht das einsame, sich selbst überlassene Ich.
  • Das Wort vom Reich kann man hören und nicht verstehen. Gott schenkt aber auch die große Gnade, dieses Wort zu verstehen: Als Chance für mein Leben, dass es Frucht bringt. Sicher könnten Sie das Evangelium daheim in größerer Ruhe lesen. Verstehen kann ich es letztlich aber nur hier: Wo wir es hören und wo es den Ort hat in der Feier einer Gemeinde von Menschen. An dem Menschen rechts und links neben ihnen erweist sich, ob Sie das Wort verstehen.
  • Deswegen, so scheint mir, spricht Jesus in Gleichnissen vom Himmelreich, damit wir uns aufmachen den Weg des Verstehens zu gehen. Wer Ohren hat, der höre! Amen.