Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 15. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Epheserbrief)

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16. Juli 2006 - Gemeinde St. Ignatius Frankfurt

1. Echte Liebe

  • Echte Liebe ist bedingungslos. Das macht sie unvergleichlich und selten. Für uns Menschen, die wir unter vielfältigen Bedingungen leben, bleibt es wohl ein Ideal: immer gesucht und angestrebt, aber nie erreicht. Denn in jeder Beziehung spielen eigene Bedürfnisse und Interessen hinein. Echte Liebe aber ist bedingungslos.
  • Echte Liebe ist mehr in den Taten als in den Worten. (vgl. Ignatius von Loyola, Exerzitien 230) Das heißt nicht, dass Liebe keine Worte und Gesten braucht. Im Gegenteil. Ohne dieses wird sie nicht leben können. Aber dennoch liegt Liebe mehr in den Taten als in den Worten. Erst das, was jemand tut und auf sich nimmt, gibt den Worten Substanz.
  • Schließlich verbindet jede Liebe. Sie ist die Beziehung, in der die oder der andere angenommen wird. Dadurch entsteht ein Neues, eine Gemeinschaft und ein Bund. Gerade dadurch trägt die Liebe auch in der Nüchternheit des Alltags und lebt doch aus den Höhepunkten des Festes.

2. Lobpreis Gottes

  • Der Epheserbrief ist die große paulinische Schrift über die Kirche. Im Neuen Testament wird nirgendwo so tief darüber gesprochen, was die Kirche ist. Der Brief greift aus in die Himmel und führt doch zurück auf die ganz konkreten Situationen und Anfordernisse des Zusammenlebens auf Erden.
  • Dieser Brief beginnt mit einem Lobpreis. Vorgeschaltet ist nur der Gruß, mit dem auch ich Sie zu Beginn dieses Gottesdienstes gegrüßt habe. Dann folgt der Lobpreis: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel." Dieser eine Vers trägt das ganze Lob, das nun folgt. In diesen wenigen Wörtern steckt alles bereits drin.
  • Nirgends ist der Mensch so sehr bei sich selbst, wie wenn er Gott lobt. Im Loblied finden Wort und Tat eine Beziehung zueinander. Denn wir loben Gott nicht etwa, weil er majestätisch in den Fernen thront, sondern für das, was er an Menschen tut und getan hat. Christen wie Juden loben Gott, der sie in seine Nähe gerufen hat, sein Volk zu sein.

3. Segen in Christus

  • Wir loben Gott, der "uns segnete". In diesem Wort steckt das Gut-Tun, nicht nur ein Segensgestus. Und dreifach bestimmt der Epheserbrief den Ort, an dem wir diesen Segen erfahren: "in allem geistlichen Segen", "in den Himmeln" - hier steht im Original der Plural - und schließlich "in Christus". Dreifache Ortsbestimmung, wo wir Gottes Segnung erfahren - und weswegen wir ihn loben.
  • Das Wort vom "geistlichen Segen" verweist auf die Taufe, denn in ihr haben wir den Heiligen Geist empfangen. Im Folgenden heißt es, dass wir dazu "erwählt sind vor der Erschaffung der Welt". Nicht die Zufälligkeit, dass unsere Eltern uns zur Taufe gebracht haben, sondern Gottes Erwählung "vor der Erschaffung der Welt" ist der Grund unserer Taufe. Das meint nicht, dass Gott vor Beginn der Schöpfung das detaillierte Drehbuch für die Geschichte schon fertig hatte. Vielmehr bedeutet "vor aller Schöpfung": vor allem, was geschöpflich ist, gilt uns schon Gottes Liebe. Gottes Liebe ist radikal bedingungslos.
  • "In den Himmeln in Christus" segnet uns Gott. Diese doppelte Ortsbestimmung hat bei Paulus eine ganz konkrete Bedeutung. Denn "die Himmel" oder - an anderer Stelle - "die Lüfte" (Eph 2,2) bezeichnet die geistige Luft in der und aus der wir leben, all die Einflüsse und Einflussnahmen, alle öffentliche Meinung, Trends und Ideologien, die unser Denken bestimmen wollen. In diesem Bereich haben wir unseren Ort "in Christus". Sein Leben und seine Botschaft sind die wirkliche Weisheit, aus der wir leben. Die Weisheit des Glaubens ist keine Besserwisserei, sondern diese Erfahrung, dass Gott uns bedingungslos liebt, vor aller Schöpfung erwählt hat, in der Taufe ganz Christus zu gehören. Das feiern wir heute und hier. Amen