Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 16. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Matthäus)

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20. Juli 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Erster Punkt: Das Ärgernis

  • Die Gleichnisse Jesu sind nichts weniger als harmlos. Man muss nur anfangen sich selbst das Bild zu füllen: "Unkraut unter dem Weizen". Das ist ja im Gleichnis weit mehr als ein Effizienzproblem der Landwirtschaft. Dass es nicht immer nur auf den besten und höchsten Ertrag ankommt, sondern oft andere Werte für das Leben wichtiger sind, das gerät zwar manchmal aus dem Blick, ist aber eher unstrittig.
  • Aber offenbar löst das Wort "Unkraut" im Gleichnis noch ganz andere Assoziationen aus. Denn das Unkraut - heißt es ausdrücklich - ist in feindlicher Absicht zwischen den Weizen gesät. Gemeint ist also auch all das, was das Leben am Wachstum hindert. Wir kennen den schönen Anblick, wenn mitten im Weizenfeld ein lustige Mohn rot leuchtet. Wie aber ist es mit dem Schlingkraut, das es für die Weizenhalme schwer macht, zum Licht empor zu wachsen. (Man verzeihe mir botanische Ungenauigkeit).
  • Sobald ein Mensch eine echte, persönliche Erfahrung von schwerwiegender Ungerechtigkeit gemacht hat, füllt sich das Gleichnis mit Erfahrung. Dann ist es nicht mehr harmlos, sondern bringt die Frage nach der Gerechtigkeit auf den Tisch: Wie kann Gott zulassen, dass das Unkraut dem Weizen das Leben schwer macht?
    Dass das Unkraut nicht verharmlost, sondern als lebensfeindlich beschrieben wird, mag ein gewisser Trost sein, denn oft genug wird das, was Menschen einander antun, verharmlost. Aber es bleibt doch ein schwacher Trost, denn das Strafgericht, in dem über die Ungerechtigkeit und Gewalt gerichtet wird, nimmt der Herr den Landarbeitern im Gleichnis aus den Händen. Zu groß ist ihm die Gefahr, dass versehentlich und als 'Kollateralschaden' mit dem Unkraut auch Weizen mit zerstört wird. Statt dessen verweist der Herr auf die Zeit der Ernte, in der Bibel immer ein Bild für die Zeit nach dem Ende dieser Welt.

2. Zweiter Punkt: Die Ursünde

  • Das Gleichnis ist auch theologisch nicht harmlos. Es berührt sich mit dem Anfang der Bibel, dort wo versucht wird, den Urgrund von Gewalt und Sünde zu beschreiben. Der Mensch - ' Adam' - vergreift sich an den Früchten des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse, obwohl dieser Baum ausdrücklich Gott vorbehalten ist. Das Bild der Paradiesgeschichte ist vielschichtig. Aber es geht zentral um die Selbstermächtigung des Menschen, über andere Menschen und über die Bestimmung von Gut und Böse nach eigenem Gutdünken zu urteilen - und sich dabei zugleich dem Urteil Gottes entziehen wollen ("Adam, wo bist du?").
  • Seit dem ist autonome Moral in den Rang eines Grundrechtes erwachsen und hat doch keinen Frieden gebracht. Wann immer Menschen den Grund der Unterscheidung von Gut und Böse nur beim Menschen suchen - sei es bei sich selbst, sei es bei den Autoritäten, denen sie sich unterwerfen, spielt immer diese Selbstermächtigung vom Ursprung her mit rein. Hier liegt auch die Grenze einer religiös begründeten und kirchlichen Morallehre. So hilfreich und wichtig sie ist, kann sie sich in ihr Gegenteil verkehren, wenn sie nicht immer wieder aus der Grundhaltung lebt, die das Gleichnis beschreibt: das letzte Urteil Gott zu überlassen.
  • So spricht Jesus hier nicht von Toleranz, die das Andersartige neben sich trägt, erträgt und in seinem Recht anerkennt. Das mag mitschwingen, denn solche Toleranz ist zutiefst eine Haltung des Glaubens. Im Kern spricht das Gleichnis jedoch vom Aushalten des Menschen, dass er nicht alles machen, bestimmen und vor allem nicht alles entscheiden kann, "sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus".

3. Dritter Punkt: Die Taufe

  • Das Gleichnis beginnt nicht mit dem Unkraut. Es beginnt: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte". Mit Himmelreich - Königreich der Himmel oder Königreich Gottes - meint Jesus den Bereich, in dem Gott entscheidend ist im Unterschied zu den Königreichen irdischer Machthaber und Verwertungsinteressen. Das Reich der Himmel wird gekennzeichnet durch guten Samen. Nicht erst die Ernte ist gut und himmlisch. Der Samen, der Beginn, das, aus dem etwas wachsen und werden kann, ist gut.
  • In der Bibel wird das im Buch Genesis durch ein Lied von der guten Schöpfung Gottes ausgedrückt. Das Werk der sechs Tage, dabei wird jedes Mal wird betont: "Und Gott sah, dass es gut war". So wie die ganze Welt gut angelegt ist, so ist auch der Same des anbrechenden Himmelreiches gut angelegt. Also kann alles auf Gott hin verwandelt und "gut" werden, denn der Same ist gut, der gelegt ist. Erst danach und letztlich vergeblich kommt der "Feind und sät Unkraut unter den Weizen".
  • Das Sakrament der Taufe ist das öffentliche Zeichen, dass dieser Feind keine Macht über die Menschen hat, die sich von Gott in den guten Anfang hinein nehmen kann. Wie Ostern ist jede Taufe Neubeginn der Schöpfung. Nicht als ob die Christen dadurch schon frei wären von nun an nicht mehr zu sündigen; durch die Taufe werden wir aber befreit von dem Herrschaftsanspruch der Sünde, als sei menschliches Herrschenwollen, die Macht, die Gier und das Recht des Stärkeren der letzte Maßstab. Diese geschenkte Freiheit kann in die größere Freiheit führen, nicht dauernd gegen den guten Ursprung zu leben.
  • Auch wir werden eines Tages vor dem Gericht Gottes stehen. Mit seinen Gleichnissen vom Himmelreich macht Jesus aber Mut, sich diesem letzten Gericht Gottes anzuvertrauen und auf dem Weg dorthin nicht andere zu verurteilen und zu dämonisieren. Was Unkraut und Weizen, was leere Spreu oder reiche Frucht ist, das wird sich zur rechten Zeit erweisen. Amen.