Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr B 2015 (2. Buch der Könige)

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26. Juli 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Mit Gott rechnen

  • Eines kann ich mir so recht nicht vorstellen: Dass Jesus am Anfang der Woche einen Organizer zur Hand genommen hat, um sich für die Woche einzutragen: Mittwoch, 16.30 Uhr, Brotvermehrung. Statt dessen scheint es mir doch naheliegender zu sein, dass es auch hier so ist, wie bei fast allen wirklich wichtigen Situationen im Leben. Wir suchen sie uns nicht aus sondern wir stellen uns ihnen - oder auch nicht.
  • Das bedeutet keinesfalls, dass wir dabei nur passiv wären. Im Gegenteil. Es spielt eine entscheidende Rolle, wie wir bisher gelebt und gedacht haben. Vielleicht gehen viele Situationen an uns vorüber, die viel hätten verändern können, aber wir waren zu sehr in unserem Denken eingefahren und festgelegt, um sie erkennen zu können.
  • Das ist der Unterschied zwischen Philippus und Jesus in der Situation, die uns das heutige Evangelium schildert. Philippus kalkuliert die Verpflegungskosten und winkt ab. Jesus hingegen sieht, dass hier eine Situation ist, in der sich alltägliche Wirklichkeit öffnen kann für die Wirklichkeit Gottes.
    Zwar ist Gott in unserer Welt immer gegenwärtig, aber er ist für uns Menschen dort erfahrbar, wo uns die Fülle aufgeht, die in der Schöpfung angelegt ist. Das Brot, das ein kleiner Junge bei sich hat, kann so viel mehr sein, als ein in Euro der Denaren berechenbarer Lebensmittelvorrat. Für diese Erkenntnis braucht es aber Offenheit für die Gegenwart des lebendigen Gottes. Es braucht Menschen, die mit Gott rechnen, statt nur berechnend zu sein. Das unterscheidet Jesus von Philippus.

2. Der Gottesmann Elischa

  • Wir können sicher sein, dass Jesus auf diese Situation vorbereitet war, weil er die Bibel kannte. Schon als Kind hatte er immer wieder die doch etwas abenteuerlichen Geschichten gehört, die man sich vom Propheten Elischa erzählte. Die Geschichten waren sicher vom vielen Erzählen etwas zurecht gefeilt worden. Daher wirken sie märchenhaft. Aber letztlich wird dadurch nur noch deutlicher, was dieser Gottesmann Elischa über all die Jahrhunderte hinweg zu bedeuten hat. Er ist auch für den Juden Jesus ein Prophet, ein Gottesmann, an dem Gottes Wirken in Erscheinung tritt.
  • Die kurze Erzählung, die wir als erste Lesung gehört haben, berichtet von einem Unbekannten (heute wissen wir nicht mehr wo "Baal-Schalischa" ist, der Ort von dem er kam). Er macht dem Propheten zwanzig Brote und Getreide zum Geschenk. Elischa nimmt es an. Er gibt es seinem Diener mit dem Auftrag, die Brote an die Hundert zu geben, die vermutlich zum Schülerkreis des Elischa gehörten. Die wenigen Brote reichen für alle, und es blieb noch Brot übrig. Das ganze steht unter einem Wort Gottes: "So spricht der Herr: Man wird essen und noch übrig lassen", eine Erinnerung daran, dass Gott sein Volk bei der Wüstenwanderung, heraus aus der Sklaverei, nicht dem Hunger überlassen hat.
  • An irgend einem Punkt muss Jesus aufgegangen sein, dass das der Zusammenhang ist, um seine eigene Situation zu verstehen: Es sind viele Menschen gekommen, um ihn zu hören. Um ihn sind Menschen, die Sehnsucht tragen nach Gott. Es heißt ausdrücklich zu Beginn des Evangeliums, dass das Pascha-Fest nahe gewesen sei, also das Fest, das den Anfang der Wüstenwanderung in die Freiheit markiert. Da ergreift Jesus die Initiative. Er geht Philippus und den anderen Jüngern voran. Er geht für sie den Weg der Befreiung aus einem Denken, das noch nicht erfahren und verstanden hat, dass Gott für sein Volk da ist. Das Rechnen des Philippus, ob wohl das Geld reiche, steht in krassem Gegensatz zur Großzügigkeit Gottes, die das Volk Israel so oft erfahren durfte. "Denn so spricht der Herr: Man wird essen und noch übrig lassen."

3. Geschenkte Wirklichkeit

  • Diese Marken der Geschichte Gottes mit den Menschen sind dazu da, uns in ein Vertrauen hinein zu führen, das damit rechnet, dass Gott größer ist, als es sich in Denar oder Euro beschreiben lässt. Ja, die Wirklichkeit, die Gott geschaffen hat und zu der ein jeder von uns gehört, hat von Gott her das Potential, mehr zu sein, als wir bislang daraus gemacht haben.
  • Für Elischa war offenbar die auslösende Erfahrung das Geschenk der zwanzig Brote. Schon dies ist transparent für die Glaubenserfahrung, dass die ganze Wirklichkeit ein Geschenk und nicht einfach nur Besitz ist. Deswegen kann Elischa ebenfalls großzügig weiter geben und darauf vertrauen, dass es für alle reicht.
  • Das ist somit die Einladung an uns, es zu riskieren, das Leben als Geschenk zu begreifen, das ich nicht ängstlich für mich bewahren muss. Vielmehr zeigt das Leben sein wahres Potential erst dort, wo es aus der vertrauenden Beziehung zu Gott gelebt wird. Dort wo wir es weiter geben, erfüllt sich das Wort: "Man wird essen und noch übrig lassen". Amen.