Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2. Adventssonntag Lesejahr A 2010 (Jesaja)

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5. Dezember 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Zusammenhänge

  • Ein Mann in der Wüste, irgendwie an einem abgelegenen Flecken. Aber er spricht vom Großen und Ganzen der Welt. Lokal und Global. Jetzt und Jahrhunderte. Das scheinen unendlich von einander entfernte Dimensionen. Was ich jetzt in meinem begrenzten Umfeld erlebe mag irgendwie mit globalen und historischen Zusammenhängen, mit Finanzkrise und Klimawandel zu tun haben. Aber dennoch bin ich im Heute und Hier.
  • Im Heute und Hier aber könnte ein Anfang sein. Die ganze Welt könnte sich verändern, wenn heute und hier etwas geschieht. So können wir die Lesungen des Zweiten Adventssonntags lesen. Vor allem das Stück aus dem Buch Jesaja und das Auftreten Johannes des Täufers nach dem Matthäusevangelium stehen dafür. "Ein junger Trieb aus den Wurzeln des Baumstumpfes bringt Frucht". Und: "Bereitet dem Herrn den Weg , denn das Himmelreich ist nahe!".
  • Wir sind nicht Spielball anonymer Mächte und Gewalten, wir sind nicht ein Blatt auf dem unendlichen Strom der Geschichte. Nein, Gott will in unser Hier und Heute kommen. Was für menschliche Augen unbedeutend scheint, eine lokale Petitesse, das ist für Gott der Ort, an dem er sein Reich aufscheinen lassen will. Da ist ein "kleiner Trieb", unscheinbar noch, aber da; Gott ist im Kommen, sein "Himmelreich ist nahe" und wir können dazu beitragen, ihm den Weg zu bereiten.

2. Optimismus

  • Wer von uns hätte den Mut, etwas zu sagen wie der Prophet Jesaja? Woher nimmt er diesen Optimismus: Ein starker und mächtiger Baum wurde gefällt; nur noch die Wurzel ist im Boden. Aber aus dieser Wurzel wächst ein junger Trieb. Und dieser Reis wird wachsen und Frucht bringen.
  • Diese Zukunfts-Vision übertrifft alles: Zion, der Heilige Berg in Jerusalem, wird zu einem Ort werden, an dem nicht nur der Krieg zwischen Menschen ein Ende findet; "kein Verbrechen" wird sich mehr gegen die Wehrlosen richten. Ja, die ganze Schöpfung wird zu einem Ort des Friedens. "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten." Diese Vision ist natürlich keine Beschreibung eines Zustandes, der in der Geschichte erreicht wird. Sie ist vielmehr eine Vision der Kraft zu Frieden und Liebe, die real in dieser Welt gegenwärtig ist und freigesetzt werden kann. Das "Unrealistische" des Bildes will bewusst unseren Kleinmut sprengen.
  • Jesaja aber hat erfahren, was Gottes Geist bewirken kann. Der "Geist des Herrn" kann das bewirken. Dabei ist dieser Geist, der durch und durch aufmerksam ist für Gott (Rat, Stärke, Gottesfurcht), keineswegs harmlos. Vom töten des Schuldigen und vom Schlagen mit dem Stock ist da die Rede. Aber wie davon die Rede ist! "Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes." Nicht menschliche Waffen, sondern das Wort bewirkt das Heil.

3. Der Geist des Herrn

  • Die "Erkenntnis des Herrn", wenn Menschen erkennen, wie groß und barmherzig Gott ist, kann ganze Völker und Nationen bezaubern und abbringen vom Weg der Gewalt. "An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais (dem Vater von König David) sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig." Alle Völker hat Jesaja im Blick. Und doch: Um uns geht es. Ob wir in unser Leben etwas hineinlassen wollen von dieser Größe Gottes.
  • Denn das Böse, das Menschen einander antun, ist genau genommen immer eng und langweilig. Es macht häufig viel Lärm um sich selbst und plustert sich auf. Das Böse aber ist nie Größe, sondern immer nur Beschränkung. Es hat eine kleine Perspektive; sein Ziel schaut gerade mal ein wenig voraus. Selbst dort, wo es sich zum Größten erklärt und sich, wie der Nationalsozialismus, anschickt Kontinente zu erobern, dort herrscht vor allem die Borniertheit bürokratischen Geistes, die Beschränktheit auf eine eingebildete Rasse; kleinstirnige, enge Ideologen, die schon ihre Nachbarn nicht ertragen wollten und sie im Größenwahn zu Massen ermordeten. Gerade dieses monströse Böse zeigt, wie eng, klein und phantasielos das Böse ist.
  • Die Welt wurde hierbei eben nicht aus der Größe der Perspektive Gottes gesehen sondern nur kurzsichtig und missgünstig angeschielt. Das, so denke ich, gilt auch für die eigene Erfahrung. Wo ich merke, dass mich Böses lockt und ich mich frage, warum, um alles in der Welt, ich das getan habe - ich werde letztlich immer feststellen, dass es eng und klein war: Mein kleiner Horizont, meine Angst aus dem Augenblick, mein Versuch, mich jetzt durchzumogeln und für mich ängstlich etwas abhaben zu wollen. Das Böse ist nichts in sich, es ist immer nur eine Einschränkung des Guten. Deswegen vor allem ruft uns im Advent die Heilige Schrift dazu auf, die Wege zu bereiten (wie Johannes der Täufer sagt). Macht euch auf. Lasst diesen Gott, der so viel größer ist als alles, was wir uns vorstellen können, begreifbar werden in eurem Leben. Und merkt dann, dass dieser Gott faszinierend in der Größe seiner Liebe - gegenwärtig sein will im Kleinsten. Kein universales Prinzip, sondern ein Kind im Stall, kein abstraktes Programm, sonder ein kleiner Trieb am schon totgeglaubten Wurzelstock. Ein Weg, den wir heute gehen können. Das wird zuverlässig Frucht tragen, wenn wir uns nicht beschränken lassen, sondern etwas von der Weite und Größe Gottes in uns aufnehmen. Amen.