Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2. Adventssonntag Lesejahr A 2016 (Matthäus)

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4. Dezember 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Negativ und Rückwärtsgewand

  • Es gibt sicher jemand, der noch schlimmer ist, als ich. Das ist eine entspannende Feststellung. Ich habe Fehler, ich weiß, aber es gibt doch andere, die haben noch mehr Fehler. Dahinter ist leicht sich zu verstecken.
  • In Beziehungskrisen ist dies ein beliebtes Schema. Es verspricht zuverlässig jeden Streit zu eskalieren: Wenn Du mir vorwirfst das getan zu haben, dann erinnere ich dich daran, dass du noch viel Schlimmeres getan hast. Und so weiter. Das führt vielleicht dazu, dass man (gefühlte) Punkte in der Diskussion machen kann. Es führt aber sicher nicht dazu, dass daraus Frieden und Neuanfang wird. Vor allem ist diese Weise von sich und anderen zu denken nicht nur rein negativ, sondern es ist auch nur rückwärts gewandt: das Versagen immer und wieder, ohne dass daraus Perspektive würde.
  • Der Täufer am Jordan macht den Unterschied deutlich: "Sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von Johannes taufen". Aus dem Bekenntnis der Sünden der Vergangenheit wird das Eintauchen in eine neue, stärkere Wirklichkeit; mehr noch, aus der Taufe mit Wasser wird die Taufe "mit dem Heiligen Geist und mit Feuer", also mit Begeisterung für das Kommende.

2. Das kommende Reich

  • Der Täufer Johannes spricht auch über die Vergangenheit. Aber gerade das Matthäusevangelium macht deutlich, dass darauf nicht der Schwerpunkt liegt: "Umkehr" ist vielmehr das Stichwort, das nach vorne weist.
  • Und auch die Begründung dafür, warum Menschen von ihren alten Verhaltensweisen "umkehren" sollen, von aller Ungerechtigkeit und Schlechtigkeit, weist eindeutig nach vorne, auf die Zukunft: "Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe". Es fällt auf, dass Matthäus in seinem Evangelium die Predigt des Täufers Johannes exakt mit den selben Worten zusammenfasst, mit denen er später (Mt 4,17) die Predigt Jesu zusammenfassen wird. Damit unterstreicht das Evangelium: Fange jetzt dein neues Leben an, denn das neue Leben, das von Gott her kommt, ist nahe!
  • Im Grunde ist das eine Zukunfts-Ansage. Gottes Wirklichkeit wird in dieser Welt erfahrbar werden. Deswegen sollten wir schon jetzt anfangen, dieser Zukunft gemäß zu leben.
    Vielleicht kennt jeder von uns Menschen, an denen das Gemeinte ganz deutlich wird, Menschen, die unglaublich viel Güte, Weisheit und Sinn für Gerechtigkeit ausstrahlen. Allein schon die Erwartung, mit ihnen zusammen zu treffen, kann ein Motiv sein, selbst etwas mehr das zu leben, was an anderen beeindruckt.

3. Spreu und Weizen

  • Allerdings sollte dann etwas gleich ausdrücklich gesagt werden: Vor dem Kommenden kann nicht alles bestehen. Mehr vielleicht noch als die schärfste Kritik an Fehlverhalten macht eine positive Alternative deutlich, was Spreu und was Weizen ist, was nur Schein ist und was innere Kraft und Substanz hat. Darin besteht das "Gericht" des kommenden Gottesreiches: Wo wirklich Liebe und Gerechtigkeit gelebt wird, wo Menschen wirklich Menschen sind, da fällt automatisch entlarvendes Licht auf das, was selbstsüchtiger, billiger Schein ist. Insofern ist das Kommen des Gottessohnes in die Welt immer zugleich Gericht. Neben dem Wahren sieht man, wie billig das Falsche ist.
  • Letztlich, davon bin ich überzeugt, ist das die innerste Struktur des Gottesreiches. Durch Liebe wird der Hass bekämpft, durch Treue die Beliebigkeit, durch Wahrheit die Lüge, durch die Bereitschaft das Anderssein zu ertragen die Intoleranz.
    Das gilt im Kleinen wir im Großen, im Privaten wie in der Politik. Wir erleben derzeit so viel - oft sicher berechtigte - Beschuldigung der Lüge, dass jeder alles behaupten könne und verantwortliche, sorgfältig recherchierte Positionen diskreditiert würden. Doch man wird dem nicht durch Polemik oder Verbote beikommen, sondern immer nur durch persönlich gelebte, geduldige Aufrichtigkeit.
  • Am Ende wird ein Kind im Stall die Säulen der Macht derer in den Palästen ins Wanken bringen können. Denn dieses Kind macht Gott in seiner Liebe offenbar.
    Am Ende aller Zeiten wird die Spreu, die oberflächliche Anmaßung, vergehen. Doch schon jetzt wird sie als Oberflächlichkeit sichtbar, wo immer ein Mensch beginnt, aus Gottes Gegenwart zu leben, mutig, kraftvoll und liebend. Amen.