Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2. Adventssonntag Lesejahr C 2000 (Lukas)

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10. Dezember 2000 - St. Michael, Göttingen

1. Freude

  • Es ist nicht gerade die Zeit, in der die Gestalt des Täufers Johannes besonders populär ist. Der Aussteiger, der aus der Stadt heraus geht in die Wüste, um in Askese zu predigen, gegen die Etablierten in der Stadt zu predigen und die Umkehrwilligen im Jordan ins Wasser zu tauchen. Zu wenig Lebensqualität vermittelt diese Gestalt, als dass sie derzeit groß in Mode sein könnte. Möglicherweise war die Gestalt nie groß in Mode und nie besonders populär, allen modischen Aussteigerbewegungen zum Trotz. Denn findet irgend jemand in diesem hageren Mann, wie er in unserer Adventskrippe dargestellt ist, das, was er sucht?
  • Der Sonntag "Gaudete" ist der Dritte Advent. Aber das Thema durchschwingt den ganzen Advent. Und auch in der heutigen Lesung ist es eigentlich das Schlüsselwort. Sicher ist es im Philipperbrief das Schlüsselwort, denn neun Mal kommt es dort vor, an exponierten Stellen. Dazu mag der Täufer Johannes nicht passen. Radikalität, ja. Glaube, ja. Aber Freude?
  • Freude ist ein Wort, das erstaunlich wenig benutzt, aber auch wenig abgenutzt ist. Das Wort Liebe mag man nicht verwenden, weil es durch so viel Missbrauch leicht auch schalen Beigeschmack hat. Das Wort Freude benutzen wir fast nur in Redewendungen wie "jemanden eine Freude machen". Aber dennoch hat das Wort einen Klang, der uns anrührt und gut tut. Nicht einmal Schiller und Beethoven, die aus der Freude eine heidnische Göttin machen im himmlischen Elysium gemacht haben, können daran etwas.

2. Motive

  • Es mag sein, dass in einem tieferen Sinn "Freude" das ist, was der Motor hinter vielem ist, was wir tun. Ich kann mir keinen Zeitgenossen denken, der auf Anhieb dafür das Wort Freude benutzt, aber vielleicht klingt dennoch gerade in diesem Wort etwas mit, das ich gerne heute erleben möchte, wenn ich mit der Perspektive auf einen langen Tag morgens aus dem Bett steige.
  • Im Philipperbrief bekennt Paulus, dass er "mit Freude" an die Gemeinde dort denkt und für sie betet. Das griechische "chará" hat eine Verwandtschaft mit dem Wort für Gnade, "charis". Freude ist etwas, das man geschenkt bekommt.
  • Gerade die Hektik mit der wir hinter Vergnügung, Unterhaltung, Ereignissen oder events herlaufen, macht es unmöglich die Frucht zu erfahren, die daraus kommen sollte: Freude. Je mehr man dahinter her läuft, desto mehr verflüchtigt sie sich. Je verbissener man sich um sie bemüht, desto kälter die Schulter, die sie zeigt.

3. Kunst der Freude

  • Vielleicht gelingt es doch, dass der Advent für uns eine Vorbereitung wird, uns für das Geschenk der Freude zu öffnen. Dazu müssten wir aber, obwohl der Advent heuer auf drei Wochen verkürzt ist, erst einmal so weit bei uns selber sein, dass wir zu dieser Offenheit fähig sind. Denn Offenheit kommt nicht automatisch, wenn wir ständig "außer uns sind", weil wir so viel tun, so viel unter Leuten sind. Im Zugwind der offenen Straße verschließen wir uns letztlich, schlagen nur den Mantelkragen hoch.
  • Als erstes müssen wir lernen, wirklich "bei uns selber"zu sein. Dann aber können wir versuchen uns aufzumachen und dieses scheue Etwas zu suchen, das Freude heißen kann. Nicht irgendwo dürfen wir suchen, sondern dort wo wir sind. Die Kunst, unglücklich zu sein, perfektionieren wir, in dem wir das Negative aufstöbern und lustlos so lange in der Suppe rühren, bis wir jedes Haar gefunden haben. Freude kommt nur dann, wenn wir uns offen unserem Leben stellen, die Dinge annehmen und anpacken, die uns begegnen, gerade die unscheinbare.
    Freude, die nicht nur minutenweise Ablenkung ist, sondern tragende Kraft, ist immer Motivation zu etwas hin, positive Kraft.
  • Genau darin bin ich mir sicher, verwirklicht ein Johannes der Täufer mehr Freude als die Meisten derer, die er in der wohlig-hektischen Stadt Jerusalem zurück gelassen hat. Johannes hat etwas, nach dem er ausschaut. Er lebt im Schauen nach vorne. Er hat jemand, den er erwartet.
    Letztlich ist Freude gewinnen die mystische Kunst, Gott zu entdecken. In den vielen Dingen, die mir begegnen, und besonders in den Perspektiven, auf die ich zugehe, kann sich verbergen, was tragend ist, wenn ich es mir schenken lasse. Gott lässt sich entdecken. Das gerade ist doch das Geheimnis der Weihnacht im Stall von Betlehem, dass Gott sich entdecken lässt in unserer Welt.

 


Hinweis: Die Fürbitten und eine Anregung zur Predigt habe ich von Jürgen Kaufmann, zum 2. Advents-Sonntag, in: Gottes Volk, Heft 01/2001, Verlag Kath. Bibelwerk