Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Fastensonntag Lesejahr B 2000 (Genesis)

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19. März 2000 - Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Slavgorod (Altai/Sibirien)

1. Des anderen Opfer

  • Mit dem Eigentum von anderen Menschen sind wir unter Umständen großzügiger als mit unserem eigenen. Wenn es uns nichts kostet, zahlt man bereitwilliger. Die Kuh im Stall des Nachbarn ist daher auch weniger wert, als die eigene. Wenn einer gar den Eindruck hat, es gehört ja gar niemand, oder "nur" dem Staat oder "nur" der Kolchose, dann wird er ganz großzügig - und bedient sich auch schon mal selber.
  • Der andere Mensch zählt nicht so viel. Leider gilt das auch für das Leben des anderen. In vielen Ländern der Welt - auch in Deutschland - nimmt die Bereitschaft zur Gewalt zu. Es gibt immer mehr Menschen, die keine Rücksicht auf das Leben von anderen nehmen. Das Leben des anderen kostet nicht (so) viel.
  • Auch die Mächtigen, die Könige und die Präsidenten, sind in der Geschichte immer großzügiger mit dem Leben anderer umgegangen. Wenn es gilt, ein "Opfer für das Vaterland" zu bringen, dann schicken die Mächtigen immer andere an die Front. Sie selbst sind dazu zu wichtig.

2. Das eigene Opfer

  • Die Menschen haben immer schon gewusst: Wenn es um Gott geht, dann komme ich nicht so billig weg. Im Glauben kann ich nicht andere vorschicken. Da bin ich selbst gefragt. Natürlich, in der Kirche stärken wir einander im Glauben und lassen uns vom Glauben der anderen tragen. Aber wo Gott im Spiel ist, da weiß ich, dass immer ich selbst gemeint bin. Wer meint, sich hier billig von anderen freikaufen lassen zu können, der hat keinen Glauben an Gott.
  • Von Abraham erzählt die Bibel, dass er einen großen Glauben an Gott gehabt hat. Wir nennen ihn sogar den "Vater des Glaubens". Denn Abraham war der erste, der von daheim losgezogen ist, um mit seiner Frau Sara und all seinen Viehherden und allem, was er besaß, dem Ruf Gottes in das gelobte Land zu folgen. Für Abraham in seiner Zeit war aber ganz wichtig, dass dieses gelobte Land nicht nur für ihn und seine Frau verheißen ist, sondern, dass er dies auch an Kinder weitergeben kann. Lange Zeit sah es so aus, als würden er und Sara kein Kind mehr bekommen können, sie waren ja schon alt. Aber Abraham war einer, der an Gott glaubte. Das heißt, er war einer, der seine Zukunft Gott anvertraute. Und Gott hat die beiden nicht enttäuscht; ihnen wurde in hohem Alter mit Isaak noch ein Sohn geboren.
  • Man muss sich an diese Vorgeschichte erinnern, um ermessen zu können, was vor sich geht, wenn Abraham aufgefordert wird, diesen sehnsüchtig erwarteten, einzigen Sohn Gott als Menschenopfer darzubringen.
    Damals war es in vielen Religionen üblich, dass man einem der Götter Menschenopfer darbrachten. Abraham kannte Gott noch nicht so gut. Er musste noch lernen, wie Gott war. Daher kam es ihm verständlich vor, dass Gott von ihm ein Menschenopfer erwartete.
    Es ist nicht irgendein billiges Opfer, das Abraham bringen will. Es hätte ihn weniger gekostet, sich selbst zu opfern, als dieses Kind. Aber Abraham hat das richtig gesehen und erkannt: Wenn er sich auf diesen Gott einlässt, wenn er Gott glaubt und vertraut, dann kann er nichts aus diesem Vertrauen ausklammern, dann kann er keine halbe Sache machen. Der Glaube geht auf´s Ganze.

3. Der Glaube des ganzen Menschen

  • Auf dem Berg im Land Moríja wird Abraham durch einen Engel Gottes daran gehindert, seinen eigenen Sohn zu opfern. Gott geht es nicht darum; er ist kein Gott, dem man Menschenopfer bringen muss. Auch der Wider, der statt dessen geopfert wird, ist nur ein Symbol.
  • Gott will den ganzen Menschen, aber nicht als blutiges Opfer, sondern den Glauben des Menschen, das Vertrauen des Menschen. Gott will, dass wir unsere Hoffnung nicht auf Sand bauen müssen, auf die Versprechungen von Menschen, Königen, Herrschern, Partei- oder Wirtschaftsführern. Wenn wir unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen, dann werden wir frei. Es kann richtig sein, in einer Situation auf eine politische oder wirtschaftliche Entwicklung zu hoffen. Aber wenn wir glauben, dann hängt an so einer Hoffnung nie unser ganzes Leben, weil unser ganzes Leben nur an der einen Hoffnung hängt, dass Gott unser Leben ist.
  • Gott sagt zu Abraham: "Weil du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast, will ich dir Segen schenken in Fülle ... Segnen sollen sich mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast." Der Grund, warum Abraham den Segen Gottes erfährt, ist, weil Abraham Gott nichts vorenthalten hat, nicht einmal sein Wertvollstes, seinen Sohn. Gott kann nur das segnen, was wir ihm anvertrauen. Das ist der beste Grund, ihm alles anzuvertrauen. Amen.