Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2015 (Johannes)

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12. April 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Thomas

  • Warum wollte Thomas die Wundmale sehen? Sie sogar berühren? Mir scheint es wichtig, danach zu fragen. Was will Thomas wissen, und vor allem: warum?
  • Sucht er nur den Kick, etwas Abgefahrenes? So etwas wie den Beweis dafür, das Außerirdische auf der Erde waren und Kornkreise malen? Das wären Fragen, die spannend, aber letztlich für das eigene Leben völlig belanglos und ohne Konsequenzen blieben. Thomas dagegen spricht von Jesus, dem Freund, dem er vertraut hatte, und der ermordet wurde. Thomas will nicht wissen, ob irgend jemand von den Toten auferstanden ist und lebt. Er will wissen, ob dieser Auferstandene, vom dem ihm die anderen berichtet hatten, genau der ist, dem allein er vertrauen will.
  • Thomas begegnet Jesus schließlich selbst. Die Erfahrung ist für ihn eindeutig. Er bekennt "Mein Herr und mein Gott!". Das hat für ihn Konsequenzen. Er wird sein eigenes Leben einsetzen, um in Treue diesem Jesus nachzufolgen.
    Jesus war treu bis in den Tod am Kreuz. Thomas erlebt nun an dem vom Tode auferweckten Jesus, dass auch der himmlische Vater treu ist. Jesus hat nicht vergeblich auf ihn vertraut. Deswegen, weil der mit den Wundmalen der Auferstandene ist, geht nun Thomas seinerseits den Weg der Treue. Er wollte die Wundmale sehen, um zu wissen, ob er Gott vertrauen kann. Was er gesehen hatte, hatte Konsequenzen für sein ganzes Leben. Das ist Glauben.

2. Frans

  • Frans wurde vor einem Jahr ermordet. Am 7. April drangen die Mörder in das Haus ein und streckten ihn mit gezielten Kopfschüssen nieder. Zwei Jahre schon waren in die Rebellen in Homs. Als sie kamen, waren die Soldaten des syrischen Regimes über Nacht verschwunden. Viele Einwohner und die meisten Christen flohen. Sie wussten, dass 'Islamischer Staat' für sie nur Tod bedeuten würde. Gut Hundert Christen konnten den anstrengenden Weg nicht mehr gehen.
  • Pater Frans van der Lugt, ihr Priester, wurde gedrängt auch zu fliehen. Aber er blieb. Zeit seines Lebens war er in Syrien mit den Menschen unterwegs, mit Christen verschiedener Konfession, mit Muslimen und anderen. Besonders kümmerte sich Pater Frans um die Behinderten und um die Jugend. Ich habe Bilder gesehen von seinen legendären Wanderungen in den Bergen; große Gruppen junger Menschen begleiteten ihn. Auf dem anstrengenden Weg lernten sie, Grenzen und Vorurteile zu überwinden. Sie verstanden ihren Pater Frans, dessen Lebensmotto immer wieder war "Geh weiter!". So konnte der Jesuit Frans van der Lugt die Herzen der Menschen erreichen, weil er weiter ging als andere. "Geh weiter!"ist eine Haltung des vertrauenden Glaubens.
  • Was war es, dass er in dem Augenblick, in dem alle gingen, geblieben ist? - Ich denke, es waren eindeutig die Wunden der Menschen, die er gesehen hatte. Thomas sagte "Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht."
    Für einen Menschen wie Frans van der Lugt war Glauben möglich, weil er die Wunden am Leib Christi gesehen hat. In dem entscheidenden Augenblick seines Lebens wurde deutlich, dass sein Motto "Geh weiter!" immer schon eines bedeutet hat: treue Liebe. In Treue ist er mit Christus gegangen. In Treue ist er bei den leidenden Menschen in der zerbombten Stadt Homs geblieben. Das war sein Glaube.

3. Rose Maria

  • Der Dritte Name heute ist der Name des kleinen Mädchens, das nachher getauft wird. Wir taufen sie nicht, damit sie aus allem, was das Leben von Menschen ausmacht, heraus genommen wird. Wir taufen sie, damit sie mitten in dieser Welt als Kind Gottes in der Gemeinschaft der Getauften lebt. Wir taufen sie, damit ihr Glaube danach strebt, die Wunden zu sehen und nicht die Augen davor zu verschließen.
  • Wenn ich das so über ein kleines Kind sage, wird deutlich, dass es zunächst um meinen und unseren Glauben geht. Thomas hat sich nicht für abstrakte Weltbilder und Spekulationen interessiert. Er wollte wissen, wofür es sich zu leben lohnt. Er wollte wissen, wem seine Treue gilt.
  • Frans van der Lugt wurde seit dem Tag seines Todes von den Menschen als Heiliger verehrt: Ein Mensch, dem Gott treu ist. Zwei Tage danach rief Papst Franziskus in Rom vor 50.000 Menschen auf dem Petersplatz in Rom erneut zu einem Ende des Krieges in Syrien auf. Über Pater Frans sagte er: "Er war vor etwa fünfzig Jahren nach Syrien gekommen und hat immer nur allen Gutes getan, mit Großzügigkeit und Liebe. Darum wurde er von Christen wie Muslimen geliebt und geschätzt. Seine brutale Tötung erfüllt mich mit tiefem Schmerz. Und sie lässt mich an die vielen Menschen denken, die in diesem gemarterten Land leiden und sterben."
    Der Glaube des Thomas ist treu in Angesicht der Wunden des Menschen. Das ist die große Liebe, zu der der Auferstandene uns beruft, Rose Maria und uns alle. Amen.