Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag im Lesejahr A 2011 (1. Korinther)

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16. Januar 2011 -

1. Heilige

  • Ist, wer Gutes tut, ein guter Mensch? Ist, wer Böses tut, böse? Wir zögern, weil wir um die Begrenztheit unserer Erkenntnis und die Relativität unseres Urteils wissen. Auch wenn wir nicht umhin kommen, Taten als böse zu verurteilen, wenn sie anderen, unschuldigen Menschen schweres Leid zufügen, sind wir zumeist vorsichtig, das Urteil auf einen ganzen Menschen zu übertragen: ein guter Mensch, ein böser Mensch. Zu vielfältig und kompliziert sind Menschen und Motive.
  • Bei anderen Zuschreibungen sind wir unbefangener. Wenn jemand in Portugal von portugiesischen Eltern geboren ist, dort lebt und die dortige Sprache spricht, dann hat kaum jemand Bedenken, einen solchen Menschen einen Portugiesen zu nennen - als sei damit schon etwas über den Menschen gesagt. Ja, selbst wenn der Betreffende in Hamburg geboren ist und wohnt, reicht die Herkunft, um ihn zu charakterisieren: Das ist ein Portugiese.
  • Da ist offensichtlich ein Unterschied: Du bist gut, du bist böse, du bist Portugiese. Von da her lohnt es sich, den Gruß anzuschauen, mit dem in der heutigen Lesung aus dem Ersten Korintherbrief Paulus die Empfänger anspricht. Er nennt sie nicht Gute, nennt sie nicht Böse, er schreibt auch nicht "Korinther", sondern nur "an die in Korinth". Eines macht Paulus doch: Er nennt die Briefempfänger, die zur Kirche in Korinth gehören, "Heilige". Das wäre vermutlich das Letzte, das wir über einen Menschen, der hier zu uns gehört, sagen würden. Es wäre befremdlich, wenn ich euch anreden würde "Liebe Heilige, die ihr in der Kirche zu Hamburg versammelt seid."

2. Geheiligt

  • Erlauben Sie mir, dass ich der Einfachheit halber die Anrede aus dem Korintherbrief übernehme: Martin, durch Gottes Willen berufener Mitarbeiter des Bischofs Werner, Nachfolger der Apostel Christi Jesu, an die Kirche Gottes, die in Hamburg ist, - an die Geheiligten in Christus Jesus, berufen als Heilige.
  • Es ist also nicht so, wie bei "Gute" oder "Böse", die wir so nennen würden, weil sie dieses oder jenes tun. Es ist aber auch nicht so wie bei "Portugiese", was ohne alles Zutun als Stempel aufgedrückt wird. Die Heiligen, die der Paulusgruß anspricht, sind "berufen", "geheiligt" und "versammelt". Eigenes Tun und das, was uns geschieht, kommen zusammen bei dem, warum Paulus an "Heilige" schreibt - obwohl es in der Gemeinde allerlei Missstände gibt, woran der Fortgang des Briefes keinen Zweifel lässt. Heilige sind wir, aber nicht in einem Sinne, dass wir uns mit unseren Leistungen brüsten könnten. Im Gegenteil ist uns die Anrede ja deswegen eher peinlich, weil wohl keiner von uns sich wie ein Heiliger vorkommt.
  • Zuvor steht das "geheiligt". Das ist etwas, das an uns geschieht. Vermutlich hätte das niemand so ausgedrückt. Ich bin mir aber sicher, dass es an jedem von uns geschehen ist. Gott berührt uns Menschen in unserem Leben. Wir können - vielleicht nur in einem Augenblick - erleben oder ahnen, dass etwas Heiliges an uns geschieht: eine Begegnung oder Erfahrung die nicht banal, zufällig, menschengemacht und menschenverfügt ist, sondern aus Gott kommt, der an uns handelt. Und ich bin überzeugt: das gilt für jeden Menschen. Es ist gut, dass es im Korintherbrief einmal ausgesprochen wird.

3. Versammlung Christi

  • Was dazu kommt, überlesen wir leicht. Paulus schreibt an die "Kirche Gottes, die in Korinth ist". Damals, 21 Jahre nach Jesu Tod, war das noch nicht selbstverständlich. Kirche war nicht immer schon der spezielle Ausdruck für Christen. Das Wort benennt vielmehr ursprünglich eine Versammlung, in der mündige Bürger zusammenkommen, um das Gemeinwesen zu bilden. Es ist etwa so, wie wenn in der Schweiz in den kleinen Kantonen die Menschen sich versammeln, um durch Applaus oder Ablehnung über gemeinsame Fragen zu beraten. Paulus schreibt also an die Versammlung der durch Christus Geheiligten in Korinth und Umgebung.
  • Das besondere an unserer Versammlung hier ist das Sakrament, das wir feiern. Wir erfüllen den Auftrag Jesu, zu seinem Gedächtnis das Brot zu brechen und zu empfangen, in dem der auferstandene Christus leibhaftig da sein will. Das ist das Sakrament: Heiliges unter uns, der Heilige Gottes in unserer Mitte. Das können wir nicht machen. Es ist die Entscheidung Gottes, uns so zu lieben. So wird aus unserer Versammlung die Versammlung Christi: etwas ungeheuer Heiliges, das geschieht. Heiliges, das entsteht, weil Gott beruft.
  • Daher sind wir Heilige. Die Erfahrung, dass Gott uns mit Erfahrungen in unserem Leben geheiligt hat, ist ganz persönlich. Versammlung der Kirche, die heilig ist, weil Christus im heiligen Brot gegenwärtig ist, können wir nicht machen. Aber wir sind hergekommen, um zu empfangen. Wir tun Böses, sind deswegen aber noch nicht einfachhin böse. Wir tun hoffentlich auch Gutes, werden uns aber hüten uns deswegen schon Gute zu nennen. Aber was wir nicht tun, sondern nur empfangen, das macht uns zu etwas: Heilige. Es braucht unser 'Ja' und 'Amen' mit dem wir den Leib Christi empfangen. Gott kann sich nur schenken, wenn es Menschen gibt, die ihn empfangen. Der Leib Christi - die Versammlung der Kirche - ist heilig, weil Gott uns heiligt. Das macht uns als Christen aus, nicht dass wir uns anmaßen, Heiliges zu tun, sondern wo wir bereit sind, Heiliges zu empfangen. So, nur so, ist Gott sichtbar im Heiligen Zeichen in Korinth und in Hamburg. Amen.