Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten 2009 (Johannes)

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04.01.2009 - Hochschulgottesdienst St. Antonius, Frankfurt

"Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind."

1. Macht

  • Macht ist die Fähigkeit, etwas zu tun. Gemeinhin wird Macht mit Macht im zwischenmenschlichen Bereich identifiziert: Macht ist politisch (1). Aber es geht doch wohl auch um Grundlegenderes. Es gehört zu mir als Mensch, dass ich handle und tue. Und Macht ist die Fähigkeit, etwas zu tun. "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden", heißt ein zentraler Satz im Prolog des Johannesevangeliums. Wer den menschgewordenen Gott aufnimmt erhält eine Macht.
  • Die wenigsten von uns werden sich zu 'den Mächtigen' zählen. Und doch will jeder von uns frei sein, das zu tun, was man selbst will. Jede Fremdbestimmung mindert meine Macht. Freiheit hingegen schafft Handlungsspielräume. Andere können mich behindern durch Verbote, Gesetze oder nackte Gewalt. Wenn wir als Menschen zusammenleben wollen, wird es auch nicht ohne das gehen. Deswegen unterwerfen wir uns ja vielen Gesetzen auch ohne größeres Murren.
  • Es sind aber nicht nur die anderen, die uns im Weg stehen. Oft genug sind wir es selbst. Schon unseren Körper können wir uns nur zum Teil dienstbar machen (2). Mehr noch sind wir uns selbst im Weg, wenn wir 'unkontrolliert' etwas sagen oder tun. Es ist dann eine andere Macht am Werke - und doch sind wir selbst es.

2. Wille

  • Damit sind wir beim zweiten Stichwort aus diesem Teil des Johannesprologs: "Wille". Wir sind von Gott her mit einem freien Willen ausgestattet. Unsere Freiheit kann von außen her in Ketten gelegt werden, wenn wir dem Willen anderer Menschen unterworfen werden. Es ist aber die Erfahrung aller, die wirklich politische Unterdrückung erfahren, dass niemand uns die Freiheit nehmen kann, solange es gelingt, uns nicht den Willen zu brechen zu lassen.
  • Der freie Wille aber wird immer wieder gebrochen. An erster Stelle durch den Zorn. Im Zorn lassen Menschen sich zu Verhaltensweisen hinreißen, die sie 'eigentlich' nicht wollen. Äußerlich mögen sie frei sein. Innerlich jedoch sind sie gefesselt. Zorn frisst sich in das Denken und Fühlen und lässt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Und ähnlich sind es andere Bestrebungen, die darauf aus sind, andere mir zu unterwerfen oder ihnen zu schaden.
  • "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden", hieß es von denen, "nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." Unser eigener unkontrollierter , bedeutet dies, steht der Freiheits-Macht entgegen, die der fleischgewordene Logos verleiht. Denn der Wille nach Menschenart strebt immer wieder danach, den eigenen Vorteil gegen den der anderen durchzusetzen. Mit dem "Willen des Mannes" ist nicht nur auf die jungfräuliche Geburt angespielt. Es wird damit deutlich gesagt, dass das, was nur aus eignem Menschenwillen geboren ist, uns einer entscheidenden Macht beraubt: nämlich Kinder Gottes zu sein.

3. Freiheit

  • Was ist das für eine besondere Macht? Sind nicht alle Menschen von Gott geschaffen, ist Gott nicht der Vater aller Menschen? Ja, ohne Einschränkung. Aber was die Menschwerdung Gottes ermöglicht ist, dass dies für mein Leben ausdrücklich wird. In der Taufe wird das allgemeine 'Kind Gottes-Sein' zu einer ganz konkreten Beziehung, die ich ausdrücklich leben kann. Es wird zu der Macht, aus dieser Gotteskindschaft zu leben, wenn ich denn nur ihn aufnehme, der unter uns wohnt.
  • "Aus Gott geboren" ist, wer sich aus dieser Herkunft definiert und sich davon bestimmen lässt. Gott aber ist es zu eigen, dass er seine Macht nicht ausspielt. Diese Macht wird dann nicht zur Gewalt und Herrschaft (dynamis), sondern dienende Liebe. Da wir Macht sonst so selbstverständlich damit verbinden, andere unserem Willen zu unterwerfen, entgeht uns der Blick auf die Macht, die Gott verleiht. Wer in beständigem Gebet und immer neuer Ausrichtung auf Christus lebt, wird entdecken, dass er damit die Freiheit von all dem gewinnen kann, was mich sonst knechtet: Lüge, Zorn, Unbeherrschtheit, Herrschsucht, böse Gedanken. Wer sich täglich und ausdrücklich in die Nähe Gottes begibt, wird merken, wie es diese knechtenden Gegenkräfte schwer haben, wenn wir uns auf unsere Geburt aus Gott berufen.
  • Ganz am Ende der Bibel, taucht dieser Gedanke noch einmal auf. Am Schluss der Offenbarung des Johannes heißt es - in unserer Einheitsübersetzung - vom Menschen, der aus Christus lebt "Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können." (Offb 22,14) Hier wird der Mensch selig gepriesen, der zurück gefunden hat zur Freiheit der Schöpfung, wie Gott sie gewollt hat. Das Überraschende ist, dass das Wort, das hier ganz richtig mit "Anteil" übersetzt ist, im Griechischen das selbe Wort ist, das im Johannesprolog mit "Macht" übersetzt wurde (exousía). Und während im Prolog von der Herkunft - geboren aus Gott - gesprochen wurde, ist am Ende der Bibel das Ziel benannt: Eintreten in die Gemeinschaft mit Gott durch Christus in der himmlischen Stadt. In der Taufe ist uns diese Macht und dieses Anrecht bereits verliehen; wir können schon heute Anteil haben "am Baum des Lebens". Amen.

 


 

Anmerkungen

1. vgl. dazu die Weihnachtspredigt 2005 am Tag

2. Was den Hl. Augustinus zu Überlegungen Anlass gab im Hinblick auf Körperteile des Mannes, die eigenwillig zu sein scheinen: Augustinus, De Civitate Die XIV, 19 "At vero genitales corporis partes ita libido suo iuri quodammodo mancipavit, ut moveri non valeant, si ipsa defuerit et nisi ipsa vel ultro vel excitata surrexerit. "