Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 20. Sonntag im Lesejahr B 2015 (Epheserbrief)

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16. August 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Langweiliger Gottesdienst

  • In gewisser Weise sind katholische Gottesdienste von Haus aus langweilig. Das mag im Einzelfall am Priester liegen oder am Kirchenmusiker oder an der Gemeinde. Aber darüber hinaus gibt es so etwas Grundlegendes, das sich immer wiederholt und in allen katholischen Gottesdienst vorkommen kann. Ganz typisch katholisch ist letztlich nicht das Hochamt mit Pomp und Show, sondern die sich immer wiederholende Litanei oder der Rosenkranz.
  • Der Epheser-Brief gehört für mich zu den wichtigen Abschnitten in der Bibel. Hier finde ich ein paar grundlegende Einsichten wie man es macht, als Christ in dieser Welt zu leben. Daneben verbindet der Epheser-Brief diese Themen immer auch mit der Frage, wie wir als Christen Gottesdienst feiern.
  • So handelt auch der Abschnitt in der Mitte der heutigen Lesung nicht davon, dass Christen sich nicht sinnlos betrinken; das wird vorausgesetzt. Vielmehr scheint vom Zusammenhang und der Wortwahl her von Gottesdiensten die Rede zu sein. Der Epheser-Brief sagt dann: Macht euch nicht besoffen von der Art wie ihr Gottesdienst feiert, weder vom Alkohol noch von sonstigen Events. In der Antike gab es nämlich tatsächlich alle möglichen Arten von Gottesdiensten der Heiden, bei den es hoch herging, Sex im Tempel und Alkohol inbegriffen.

2. Auf Fremdes einlassen

  • Dagegen sollten sich Christen in ihren Gottesdiensten mit gar Nichts besoffen machen: "Berauscht euch nicht mit Wein - das macht zügellos (en hó estin asotía: das bringt nichts!) -, sondern lasst euch vom Geist erfüllen!" Aber dann wird gleich gesagt, auch die Geisterfülltheit solle in den wohl formulierten Hymnen und Liedern geschehen. Paulus ist da sehr nüchtern, was die Geistbegeisterung unter den Charismatikern anbelangt. Also noch nicht einmal Geistekstase wird besonders gelobt.
  • Christen sollen, wenn sie zum Gottesdienst gehen, die Lieder, Gebet und liturgischen Formen so nehmen, wie sie sind. Lebendig wird ein Gottesdienst nicht durch immer mehr Abwechslung oder je neue authentisch-persönliche Texte, sondern durch das, was von Innen her geschieht, was die vorgegebenen Texte erkundet, erfüllt und verwandelt. Das ist typisch christlich!
  • Die meisten von Ihnen kennen diese Erfahrung vom Vater Unser. Oft spricht man es nur äußerlich und gedankenlos. Aber es kann auf einmal geschehen, dass es von Innen her enorme Kraft bekommt. So kann es auch mit einigen anderen Gebeten in der Messe passieren. Lange Zeit geht es nur zum einen Ohr rein zum anderen raus, zwischendurch denkt man, da versteht man kein Wort, und dann auf einmal erfüllt sich das Gebet, das da gesprochen wird, mit Leben. Auf einmal wird etwas klar und kraftvoll. Und dann ergibt sich daraus Neues, gerade weil ich nicht von vorne herein nur das gebetet habe, was mir so einfällt, sondern mich auf etwas eingelassen habe, das mir fremd ist.

3. Die Welt von Innen her verwandeln

  • Das christliche Grundprinzip heißt "klug handeln". Das meint immer: Im Einzelfall hinschauen, den eigenen Neigungen, Vorlieben oder Interessen nicht erlauben, dass sie den Blick vernebeln. Dann wird man feststellen, dass diese Welt viel mehr von Gottes guter Gegenwart in sich hat, als gedacht.
    Das gilt sogar dann noch, wenn die Grund-Analyse heißt: "Diese Tage sind böse"! Selbst dann sollen wir uns nicht abwenden, sondern zuwenden: "Nutzt die Zeit!", heißt es, wörtlich "Kauft die Gelegenheit!" Macht es wie Gott, der die Welt nicht verworfen hat, sondern in ihr Mensch geworden ist, um sie zu verwandeln.
  • Es gibt Situationen, da sollten wir nicht mitmachen. Manchmal ist es sogar wichtig, nicht mitzumachen, etwa bei einem Alkoholiker oder einem zwanghaftem Gewalttäter. Da geschieht das Aussteigen aber auch um des Täters willen!
    Aber viel öfter ist die Situation, wo wir aussteigen wollen, weil es uns fremd ist, weil es für mich anstrengend ist, weil es - man denke an das Kreuz - Leiden bedeutet. Am deutlichsten zeigt sich das in Beziehungen, die aufgegeben werden, weil es an Kraft fehlt, in sie einzusteigen und sie von Innen her zu erneuern und neu mit Geist zu füllen. Vielleicht gibt es auch manche berufliche Situation, in der jemand vor der Mühe der klugen Unterscheidung zurück weicht und entweder mitschwimmt oder aussteigt, aber nicht von Innen her das Zeugnis versucht, dass es auch anders möglich ist, fair und gerecht mit einander umzugehen.
  • Gebet ist nicht nur Beziehung zu Gott, sondern immer auch ein Einüben in eine Lebenspraxis, die aus der Beziehung zu Gott folgt. Christlich ist eine solche Praxis, wenn die Fähigkeit wächst, Situationen und Beziehungen durchzuhalten, um sie von Innen her, durch die Praxis des Geistes und der Unterscheidung zu verändern. Möglich ist so eine Praxis, wo sie aus der Vertrautheit mit Gott erwächst und dem Vertrauen, dass mein Leben in ihm getragen und sinnvoll ist. "Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn! Sagt Gott, dem Vater, jederzeit Dank für alles im Namen Jesu Christi, unseres Herrn!" Amen.