Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr B 2012 (Josua)

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26. August 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Zur Entscheidung aufgefordert

  • "Wollt auch ihr weggehen?" Viele von den Jüngern haben Jesus verlassen, weil sie es nicht ertragen konnten. Dass hier ein Mensch aus Fleisch und Blut den Anspruch erhoben hat, Gottes lebendige Gegenwart zu sein, war für die meisten unerträglich. "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist", hatte Jesus gesagt. "Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?" Nun fragt Jesus den Petrus und die anderen des Zwölferkreises: "Wollt auch ihr weggehen?"
  • Ich soll mich entscheiden. Auch die Lesung aus dem Buch Josua ist durchaus als Aufforderung an mich zu verstehen: "Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt!" Die Lesung steht als Hinführung zum Evangelium und soll zeigen: Die Entscheidungsfrage begleitet das Volk Gottes von Anfang an. Wo mir Gottes Anspruch begegnet, fordert das von mir eine Entscheidung.
  • Das Problem ist: Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich mich entschieden habe. Zumindest könnte ich keine Auskunft darüber geben, wann und wo diese Entscheidung stattgefunden hätte. Ich wurde als Kleinkind getauft. An die Firmung habe ich keine wirkliche Erinnerung. Das sind die Sakramente, in denen mein Christsein begründet und besiegelt wurde. Natürlich ist jedes einzelne "Amen", das wir beim Empfang der Heiligen Kommunion sprechen, Ausdruck einer Zustimmung zum Glauben. Aber passt dafür das große Wort 'Entscheidung'?

2. Entscheidung ist Antwort

  • Sich Entscheiden ist immer antworten. Ich werde mit einer Frage oder einer Situation konfrontiert und muss mich entscheiden: Geht mich das etwas an? Lasse ich mich darauf ein? Was mache ich oder was lasse ich bleiben?
  • Das ist letztlich immer die Struktur einer Entscheidung.
    • Ich sehe jemanden, der einen 100 Euro-Schein verliert. Geht es mich etwas an und reagiere ich? Stecke ich ihn heimlich ein oder rufe ich: Hallo, Sie haben etwas verloren!
    • Ich werde aufgefordert, für ein neues Parlament zur Wahl zu gehen. Auch nicht zu wählen wäre eine Entscheidung.
    • In meiner Umgebung wird jemand systematisch gemobbt. Geht es mich etwas an und reagiere ich? Und was könnte ich tun?
    • Ein Mensch sagt mir: Ich liebe dich! Und auch das fordert zur Entscheidung. Geht es mich etwas an und reagiere ich? Und welche Auswirkungen hätte das auf meine Lebensführung?
  • Besonders Unrecht und Liebe fordern meine Entscheidung. Beide könnte ich ignorieren. Beide fordern mich, wenn ich mich darauf einlasse. Beide hängen eng zusammen: Der Widerstand gegen Unrecht ist Liebe zu dem, dem Unrecht getan wird. Die Entscheidung, mich auf die Liebe einzulassen, bedeutet allem zu widersagen, was Unrecht gegen die Liebe wäre. Auf diese Entscheidung kommt es an, auch und gerade, wenn ich hinter ihr zurück bleibe, wenn mein Widerstand schwach würde oder meine Antwort auf die Liebe, zu der mich einer einlädt, halbherzig zu werden droht.

3. Antwort auf Gottes Liebe

  • Josua stellt sich vor die Versammlung des Volkes Israel. Gemeinsam haben sie einen weiten Weg hinter sich. Gott, JHWH, hatte sie aus der Sklaverei des Pharao befreit und sich ihnen am Berg Sinai offenbart. Jetzt sind sie in ein Land gekommen, das viele Götter verehrt: Götter der Gestirne, Götter der Macht und Herrschaft, Götter denen geopfert werden muss, damit sie funktionieren. Josua hat für sich eine Entscheidung getroffen: "Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen." Damit stellt er das Volk vor die Frage, welchen Weg sie gehen wollen.
    Ebenso hat sich Jesus entschieden, den Weg zu gehen, der ihn hinaufführen wird an's Kreuz; dies ist der Weg hinauf zu Gott. Weil er konsequent Gott an der Seite derer verkünden wird, die Menschen an den Rand gedrängt haben, wird er selbst an den Rand gedrängt werden. Damit stellt er die Jünger vor die Frage, ob sie diesen Weg gehen wollen.
  • Die Eltern und Paten der Kinder, die heute getauft werden, haben sich entschieden. Sie wollen ihren Kindern nicht Unentschiedenheit, sondern eine Entscheidung mit auf den Weg geben. Sie wollen, dass ihre Kinder sich von Anfang an gewiss sein dürfen, dass Gott ihnen seine Liebe zugesagt hat. Eines Tages jedoch werden auch diese Kinder sich fragen lassen müssen: "Wollt auch ihr weggehen?"
  • Sie werden ihre eigene Entscheidung fällen. Aber bis dahin ist es an uns allen, der Gemeinschaft der Kirche, zu unserer Entscheidung zu stehen: Dem Unrecht zu widersagen, gerade dort wo es uns in teuflisch-verlockender Form gegenübertritt, weil es behauptet, dass dies der ruhmreiche, erfolgreiche, coole Weg sei. Die Frage ist, ob wir statt dessen mit dem Glauben auf Gottes Liebe antworten, weil er allein der ist, der Leben schenken kann.
    "Er hat uns beschützt auf dem ganzen Weg, den wir gegangen sind", hören wir in der Bibel. Jeder von uns wird Situationen erleben, in denen wir auf unsere eigene Erfahrung verwiesen sein werden und uns und fragen müssen, ob wir ihr trauen. Im Kultus des Gottesdienstes ist das der Moment, in dem uns Christus einlädt zur Kommunion seines Leibes oder zur Kommunion seines Segens. Der Leib Christi!, Der Segen Christi!, wird uns gesagt. Es ist eine Einladung zu unserem Amen.