Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Johannes)

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22. August 2021 - St. Peter, Sinzig/Rhein - St. Maria Magdalena, Rheinbreitbach

1. Zu Jesus auf Distanz

  • Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?" sagen sie. Und als Jesus nicht locker lässt, heißt es: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher." Doch im Evangelium gibt es keinen Hinweis darauf, dass Jesus diese Jünger kritisiert hätte. Vielmehr fragt er kritisch die zwölf Verbliebenen, die bei ihm bleiben: „Wollt auch ihr weggehen?" - Es ist geradezu naheliegender, an Jesus Anstoß zu nehmen und wegzugehen, als bei ihm zu bleiben. Welche Entscheidung ist richtig?
  • Im Buch Josua wird das Volk zur Entscheidung aufgefordert, ob es Gott oder den Göttern dienen will. Die Antwort ist klar und laut: „Wir wollen dem Herrn / Adonai dienen; denn er ist unser Gott." Dieser Gott ist Einer, nicht viele, wie die Götter der Völker. Daher die klare, gläubige Antwort.
  • Doch Jesus tritt auf und spricht mit der ganzen Autorität Gottes, handelt, als würde Gott in ihm handeln. Im Johannesevangelium ist festgehalten, wie der Vorwurf klar formuliert wird: „Du bist nur ein Mensch und machst dich selbst zu Gott!" (Joh 10,33). Und ja, es stimmt, wenn ich nur ernst nehme, was Jesus über sich selbst sagt. Deswegen haben zuerst einmal die sich klarer für Gott entschieden, die nicht länger Jesus nachfolgen wollen. Gott ist nur einer - und es ist nicht nur falsch, sondern vor allem gefährlich, wenn jemand auftritt, als würde er in der ganzen Vollmacht Gottes handeln. Macht er sich nicht selbst zu einem zweiten Gott?

2. Den Namen Gottes nicht missbrauchen

  • Wir befinden uns an der Stelle, an der im Dekalog zwei Gebote stehen: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!" und „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen!".
  • Die Erfahrung der dreifaltigen Gegenwart Gottes - nicht nur der Vater, sondern auch der Sohn und der Heilige Geist - macht die Christen anfällig für einen Verstoß gegen das Dritte Gebot, den Namen Gottes nicht zu missbrauchen. Das Erste Gebot wird zwar durch die Dreifaltigkeits-Formel gewahrt: Ein Gott! Wenn auch in drei Personen.
    Aber dadurch, dass wir Gottes Gegenwart auf Erden glauben, dass Gott wirke und handele durch seinen Geist und dadurch Christus in seiner Kirche gegenwärtig sei - dadurch schrammen wir am Ersten, aber auch am Dritten Gebot, weil es auf einmal ganz leicht, gefährlich leicht wird, den Namen Gottes zu missbrauchen. Missbrauch des Namen Gottes ist dort, wo einer Gottes Namen im Munde führt, doch sich selbst und die eigenen Interessen im Sinn hat. Wenn Gott nur der Ferne wäre, wäre der Missbrauch seines Namens nicht so leicht oder die Aufdeckung leichter, wie wenn er nahe ist - jedem Menschen im Heiligen Geist.
  • Alltäglich, aber deswegen nicht unbedingt harmlos, ist die klassische Erziehung, die sich auf Gott beruft, wenn Eltern mit der eigenen Autorität nicht weiterkommen: Der liebe Gott sieht alles! Da wird Gottes Namen missbraucht!
    Ganz und gar nicht harmlos ist es aber, wo Menschen - Priester zumal - sich Zugang zu Menschen verschaffen: Indem sie als die frömmsten, klügsten, charmantesten, zugewandtesten, aufmerksamsten Geistlichen auftreten können, aber Menschen nicht zu Gott führen, sondern an sich selbst binden. Wir wissen aus leidvoller Erfahrung, dass das so weit gehen kann, dass hoch angesehene Priester das letztlich dazu benutzen, enormes Vertrauen aufzubauen, um es enorm zu missbrauchen - weil sie sich dadurch Zugang zu Kindern (und deren Eltern) verschaffen und Schutz davor, dass ihre Gewalt durchschaut und ihnen Einhalt geboten wird.

3. Gehorsam bis zum Kreuz

  • Deswegen wollen so viele Jünger Jesus nicht mehr nachfolgen. Nicht jetzt, muss ich einschränkend sagen. Sie sehen die ganz reale Gefahr, dass sich einer zu Gott macht; als fromme Menschen aus dem Volk Israel entscheiden sie sich dem gegenüber für den einen einzigen Gott, den einen, der allein befreit. - Was könnte für sie Jesus glaub-würdig machen? Nur wenn er ganz und gar zum Vater führt und nichts für sich behält!
  • Genau aber das ist es, was wir von Jesus bekennen, weil es durch das Kreuz offenbar geworden ist. Jesus nimmt nicht das Leben anderer und benutzt es für sich. Er schenkt sein Leben. Wenn er sagt „Wer mich sieht, sieht den Vater!", dann bedeutet es genau dieses: Er ist rein und durch ihn hindurch sehen wir Gott, nur Gott und nicht menschliche Machtinteressen. Lesen sie das Evangelium, sie werden das als Charakterzug Jesu bestätigt finden.
  • Zwölf sind bei Jesus geblieben. Die Überlieferung sagt, dass sie ihm fast alle auch bis zum Kreuz nachgefolgt sind, bis zum Tod an je ihrem Kreuz.
    Von denen, die weggegangen waren, sind nach der Kreuzigung Jesu viele wiedergekommen und haben für ihn Zeugnis abgelegt: Dieser ist der Weg zum Vater! - Es sind diese, die weggegangen waren, die so etwas wie der kritische Schatz der Kirche sein können: Immer wieder zu schauen, ob einer oder eine Gottes Namen missbraucht oder ob sie oder er zu Gott hinführt und selbst dahinter zurücktritt. Diese Jünger brauchen wir als Zeugen für die Kirche, damit weder ein Bistum noch eine Gemeinde, weder ein Priester noch sonst wer sich, die eigenen Strukturen, die eigenen Bedürfnisses oder Perversitäten, die eigenen Interessen oder den eigenen Ruhm dienen, indem sie den Namen Gottes missbrauchen und sich an die Stelle Gottes stellen, statt Gott allein zu dienen. Amen.