Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Römerbrief)

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31. August 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Verschiedenheit der Denkweise

  • Bringt euch Gott zum Opfer. Etwas Schöneres kann euch nicht passieren. Mehr Lebendigkeit werdet ihr nirgendwo anders finden. - Diese Behauptung möchte ich gerne näher erklären.
  • Petrus tickt nicht richtig; er denkt so wie Menschen üblicherweise denken, und dabei verpasst er, wie Gott denkt. Später wird Jesus dem Petrus das Schwert aus der Hand nehmen müssen; das zeigt wie Petrus denkt.
    Es ist ja oft gar nicht so sehr die Frage was wir wollen; wir wollen doch alle immer das Gute und den Frieden. Vielmehr ist die Frage, wie wir denken und handeln, und ob das zu dem führt, wohin wir wollen. Leider ist unsere Bibelübersetzung an der Stelle zu ungenau; Jesus wirft Petrus nicht vor dass er nicht will was Gott will ("... du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.") sondern dass er nicht auf die Weise denkt wie Gott denkt (wörtlich: "du sinnst nicht das von Gott, sondern das der Menschen"): Genau das führt dazu, dass wir in unserem Leben nicht zu dem kommen, was uns eigentlich wichtig ist und wohin wir eigentlich wollen.
  • Damit sind wir bei der Lesung aus dem Römerbrief. Paulus beschreibt hier einen Weg, an dessen Ende wir feststellen könnten, dass wir erreicht haben, was wir im Leben eigentlich wollen. Denn wenn wir Erfüllung, Liebe und Frieden wollen, stimmt das mit Gottes Wollen für uns überein. Auch hier ist das Wort "Wille Gottes" nur eine ungefähre Übersetzung; vielmehr wird hier beschrieben, woran Gott seine Freude hat - und seine Freude hat Gott am Heil und Leben der Menschen.

2. Ermutigung zum Opfer

  • Der Weg dahin ist das Opfer. Allerdings kommt es, wenn wir von Opfer sprechen, ganz darauf an, dass wir denken wie Gott denkt und nicht wie die Menschen denken.
    Menschen denken bei Opfer vielleicht daran, wie sie Gott bestechen können. Sie meinen, sie müssten eine große Leistung vollbringen, dann vielleicht würden sie Gottes Liebe und Barmherzigkeit finden. Die ganze (!) Bibel aber weiß, dass Gottes Liebe, Barmherzigkeit und Versöhnlichkeit immer schon am Anfang stand und nicht erst durch ein Opfer der Menschen erzwungen wird. Nicht weil Gott etwas nötig hätte wird das Opfer dargebracht, sondern Gott lädt den Menschen ein, das Opfer darzubringen, um des Menschen willen. Das gilt schon für die Opfer im Alten Testament, bei denen Tieropfer im Tempel dargebracht werden. Erst recht gilt das für das geistige Opfer, das Paulus hier beschreibt.
  • Wörtlich steht hier: "Angesichts der Erbarmungen in Gottes ermutige ich euch...". Der Plural "Erbarmungen" macht deutlich, dass wir Menschen Gottes Erbarmen ganz verschieden erleben. Ich soll nicht abstrakt auf das Erbarmen Gottes schauen. Ich soll vielmehr das ins Angesicht nehmen, was ich konkret an Liebe von Gott erfahren habe.
    (Wahrscheinlich denkt Paulus bei dem Plural " Erbarmungen" an den Unterschied des Erbarmens für Juden und Nichtjuden; aber der Satz ist zugleich eine Ermutigung für jeden einzelnen, auf das zu schauen, was eigene Erfahrung im Glauben ist.)
  • Dieses in den Blick zu nehmen soll uns Mut machen, uns Gott anzuvertrauen. Die Einheitsübersetzung schreibt: "...euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen". Wörtlich aber heißt es bei Paulus, wir sollen unseren Leib Gott zum Opfer bringen (Luther: "...dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer"). Und während bei dem Opfer im Tempel ein lebendiges Tier geopfert wird und dabei stirbt, geschieht hier das Gegenteil. Paulus sieht vom Menschen aus der Perspektive des Leibes spricht, dann meint er damit "tot aufgrund der Sünde", also der Menschen als Leib ohne liebende, geistgewirkte Beziehung zu Gott und den Menschen. Hingegen sieht Paulus den Menschen lebendig dort, wo er diesen alten Menschen Gott zum Opfer darbringt, um ein neuer Mensch zu werden: Lebendig, liebevoll, geisterfüllt.
  • Genau das geschieht sakramental-zeichenhaft im Gottesdienst. Im heiligen Messopfer nehmen wir Brot, an sich leblosen Materie. Wir bringen dieses Brot zum Altar. Der Priester hebt die Hände, um es Gott darzureichen. Wir beten im Hochgebet um Gottes Heiligen Geist, der Totes zum Leben erwecken kann. Wir beten zu Gott, dem Schöpfer, und erinnern uns an das, was Jesus beim letzten Abendmahl getan hat. Durch das Wirken des Heiligen Geistes wird das gegenwärtig, was damals geschehen ist: Das leblose Brot wird zum lebendigen Leib Christi, er wird lebendig in uns, wir werden in ihm vom Geist erfüllt, werden ein lebendiger, gemeinschaftlicher Leib, der Frucht bringen kann in Liebe.

3. Frucht des Opfers

  • Wie also funktioniert das: Unseren Leib Gott "als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen"? Und wie entsteht dadurch neue Lebendigkeit?
  • Erstens. "Gleicht euch nicht dieser Welt an." Das bedeutet erst einmal wahrzunehmen, was und wie viel ich wem opfere, nur um 'dabei zu sein', nicht aufzufallen, nicht anders zu sein, um nur ja nicht anzuecken. Stimmt es wirklich, dass ich all dem und denen vertraue, denen ich versuche mich anzugleichen? Oder gibt es doch ansatzweise ein Vertrauen in Gott, das es mir ermöglicht, in die Richtung zu fragen: Was würde es jetzt, in dieser Situation oder Entscheidung für mich bedeuten, auf Christus zu vertrauen?
    Konkret: Welche Auswirkungen hat das auf die Frage, wie mein Terminplan aussieht? Mit welchen Leuten ich Umgang pflege und mit welchen nicht? Wofür ich mein Geld ausgebe und wofür nicht? Usw. Es ist schon ein erster, wichtiger Schritt, nicht mehr das "sich angleichen" an den Trend als selbstverständlichen Maßstab zu haben.
  • Zweitens: "Erneuert euer Denken, indem ihr prüft, was der Wille Gottes ist". Das ist der aktive Schritt, der bereit ist, sich am Evangelium zu schulen und sich zu fragen: Wie würde Gott, so wir er sich in Christus offenbart hat, diese Sache angehen?
    Auch Petrus will wie Jesus, dass Gottes Reich kommt. Aber sein Denken funktioniert noch, wie es bei einem Macher halt funktioniert: Im Zweifelsfall greift er zum Schwert und verachtet das Opfer. 'Im Blick auf den Willen Gottes die Denkeweise erneuern' bedeutet, den Mut aufzubringen, die Haltung Jesu genau zu studieren und ihm zu vertrauen. "Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen." Die Grundhaltung, wie ich ticke und denke, ist Voraussetzung. Es zu probieren und zu wagen ist entscheidend. Entdecken zu können, dass ich darin das Ziel meines Lebens finde, ist der Lohn: "Was gut und vollkommen ist". Amen.