Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 32. Sonntag im Lesejahr A 2017 (Matthäus)

Zurück zur Übersicht von: 32. Sonntag Lesejahr A

12. November 2017 - Aloisiuskolleg Bonn-Bad Godesberg

1. Nicht fair

  • Die spontane Reaktion, wenn ich das Gleichnis heute höre, ist eindeutig. Jesus konstruiert eine schräge Geschichte von zehn jungen Leuten, die bei der bevorstehenden Hochzeit den Einzug der Brautleute begleiten sollen. Das Fest wird - wie im Orient üblich - ausgiebig und über Tage und Nächte hinweg gefeiert. Aber der Einzug ist einmalig, das große Auftaktereignis.
  • Die zehn jungen Leute sind Freunde des Brautpaares. Ihre Aufgabe ist es, den Einzug mit Öl-Fackeln zu begleiten. Dafür sind sie am Abend einbestellt worden, sich bereit zu halten. Da die Brautleute aber über die A1 kommen und am Kölner Ring mal wieder nichts geht,  kommt das Brautpaar erst mitten in der Nacht. Der Einzug findet statt, aber nur mit den fünf Fackelträgern, die klug genug waren, Vorrat mitzunehmen. Die fünf anderen hasten noch, um an einer Tankstelle Öl zu kaufen. Sie wollen ja auch dabei sein. Aber sie hatten nicht genug Vorrat. Jetzt kommen sie zu spät. Sie stehen vor der Tür. Und die Tür ist zu. Die Hochzeitsfeier geht ohne sie ab.
  • Das ist nicht fair. Diese Reaktion auf das Gleichnis ist naheliegend. Die fünf, die Jesus „töricht“ nennt sind doch nicht schlechtere Menschen, als die fünf, die „klug“ genannt werden.  Und außerdem hätte Jesus das Gleichnis doch so anlegen können, dass die Klugen mit den Törichten teilen; dann wäre es ein wunderbares Gleichnis von Solidarität und Nächstenliebe geworden. Stattdessen bleiben die fünf Törichten ausgeschlossen vor der Tür. Das ist nicht fair.

2. Himmelreich

  • Aber Jesus wollte hier kein Gleichnis erzählen, wie wir es vielleicht gerne hören würden. Dass wir einander helfen sollen und Solidarität wichtig ist, daran besteht kein Zweifel. Davon spricht Jesus und die ganze Bibel oft genug. Hier geht es aber um etwas völlig anderes: Nicht um das, was wir ‚tun sollen‘, sondern um die Frage: Was ist Dir wichtig in Deinem Leben? Worauf kommt es an?
  • Auf diese Fragen kommen wohl so viele Antworten wie es Menschen gibt. Jeder Mensch kann letztlich nur für sich selbst versuchen herauszufinden, was ihr oder ihm das wichtigste ist. Dabei wird die spontane Antwort vielleicht anders ausfallen als eine nachdenklich. Es wird auch jemand, der eine wirkliche Krise durchgemacht hat, anders antworten, als jemand, dem es immer gut geht. Wer mit einer lebensbedrohlichen Krankheit lebt, wird vielleicht ein ganz anderes Gespür dafür haben, was das Leben wertvoll macht, als nur biologische Gesundheit.
  • Weil Jesus ein Gleichnis verwendet, ist Raum da, dass wir beim Zuhören unsere eigenen Vorstellungen und unser eigenes Leben in das Evangelium hinein nehmen. Jesus spricht vom „Reich Gottes“; das Matthäus-Evangelium benutzt ein Wort, das deutlich macht, dass dieser Gott immer auch fern ist und größer als unsere Welt: Himmelreich.
    Mit diesem Himmelreich ist es so, wie mit zehn jungen Menschen, die ihre Lampen nehmen, um den Brautleuten entgegen zu gehen. Ja, Jesus spricht im Gleichnis wahrscheinlich bewusst nicht von den Brautleuten, sondern vom Bräutigam, weil es mit dem Himmelreich ist, wie wenn wir einem geliebten Menschen entgegen gehen, um mit ihm oder ihr Hochzeit zu feiern.  Auf der Ebene steht für Jesus: ‚das wichtigste im Leben‘. Das Bild dafür ist ein großes Fest.

3. Bereit sein

  • Und jetzt wird deutlich: Ja, das ist nicht einfach fair. Das Himmelreich wird nicht einfach am Ende von irgendeinem gütigen Gott zugeteilt, alter Mann mit weißem Bart, der mit der Gießkanne seine Gnade ausschüttet und dem Petrus sagt, er solle mal alle reinlassen in den Himmel. Nur die ganz Schlimmen, die kommen vielleicht in die Hölle.
  • Mit dieser Vorstellung von Himmelreich verstehen wir nie, worauf es im Leben ankommt. Das Himmelreich beginnt eben nicht am Ende, wenn Belohnungen wie Schulnoten verteilt werden. Das wahre Himmelreich beginnt bereits dort, wo Du die Einladung bekommen hast und Dich selbst aufmachst. Wo Du selbst es nicht einfach nur auf Dich zukommen lässt und meinst, irgendwie würden es andere für dich richten, dort beginnt das Himmelreich. 
  • Vielleicht finde ich, dass das Wichtigste in meinem Leben ist, dass ich es nicht nur für mich selber lebe. Vielleicht ist das Wichtigste für mich, die Liebe zu wagen. Dann ist das Gleichnis von den zehn jungen Leuten mein Gleichnis: denn es macht mir Mut bereit zu sein für den Augenblick, es erinnert mich daran, dass das Leben nicht fair ist, sondern ich bereit sein muss, ausdauernd, vorsorgend, statt töricht und kurzsichtig, klug und mit Geduld - und wissend, dass Gott es ist, der mich einlädt, das Leben mit ihm zu feiern wie ein großes Hochzeitsfest, das hier beginnt, wo ich mich aufmache. Amen.