Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 24. Sonntag im Lesejahr B 2012 (Markus / II.Vatikanisches Konzil)

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16. September 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg


Predigtreihe im Kleinen Michel September/Oktober 2012

aus Anlass der Eröffnung des Konzils vor 50 Jahren

 

1. Petrus und die Jünger

  • Jesus fragt seine Jünger und Petrus antwortet. Er ist Sprecher der Apostel und legt das Bekenntnis ab: "Du bist der Messias!". Jesus aber macht klar, dass Messias sein - und damit auch Jünger des Messias sein - bedeutet, auf dem Weg der Gewaltlosigkeit und des Bekenntnisses zur Gegenwart Gottes, Gewalt zu riskieren.
  • Im Folgenden aber spricht Petrus nicht mehr öffentlich für die Kirche; es spricht nur noch ein ängstliches Er-Selbst: Er nimmt Jesus "beiseite" und macht ihm Vorwürfe. Jesus aber durchbricht die Heimlichtuerei, er "sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan". Und dann ruft er seine Jünger und die Volksmenge zu sich und spricht offen davon: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach."
  • Petrus, der Apostelfürst, hat seine Aufgabe, das dogmatisch richtige Glaubensbekenntnis abzulegen. Aber er muss sich ebenso wie alle Jünger Jesu fragen lassen, ob er auch nach diesem Glauben lebt. Darin unterscheidet er sich in Nichts von anderen Jüngern Jesu - und auch in seinem Scheitern ist Petrus einer unter vielen.

2. Kirche das Volk Gottes

  • Was hier im Evangelium steht, hat viel mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu tun, das vor fünfzig Jahren eröffnet wurde. Über drei Jahre haben sich damals jeweils über mehrere Monate mehr als 2.500 Bischöfe und Ordensobere getroffen, um die Katholische Kirche für die Zukunft fit zu machen. Das haben sie vor allem getan, indem sie auf die Heilige Schrift gehört und dem Heiligen Geist Raum gegeben zu haben. Das Ergebnis ist ein Programm, das aus den Ursprüngen und der frühen Zeit der Kirche eine Erneuerung angestoßen hat, die bis heute bei weitem noch nicht umgesetzt ist.
  • Heute möchte ich ein zentrales Thema aus dem Konzil ansprechen, das sich quer durch die umfangreichen Dokumente zieht. Denn die Versammlung der Bischöfe hat daran erinnert und klar gestellt, dass die Kirche nicht dort beginnt, wo es einen Papst als Nachfolger des Heiligen Petrus oder Bischöfe als Nachfolger der Apostel gibt, sondern dort wo Gott Menschen durch die Taufe beruft, und wo sie als sein Volk versammelt werden. In der Menschwerdung des Sohnes ist Gott in Jesus Christus gegenwärtig geworden. Durch die Zeiten ist Christus gegenwärtig und wirkt er durch seinen Leib, das Volk Gottes. Von allen Christen sagt das Konzil, sie sind "durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert" (Apostolicam Actuositatem 3). Das Wort "mystisch" bedeutet hier konkret: Die sichtbare Gemeinschaft der Kirche ist der Leib, durch den Christus verborgen gegenwärtig ist; er lebt und wirkt, er betet und hofft, er handelt und - angesichts des Unrechts in der Welt auch! - leidet dort wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind.
  • Das Konzil musste daran erinnern, weil sich über Jahrhunderte und in Europa bis heute ein Denken festgefressen hat, als würde die Kirche nur dort handeln und gegenwärtig sein, wo es Bischöfe und Priester gibt. Nach der echten christlichen und katholischen Tradition wird aber nur andersherum ein Schuh daraus: Bischöfe und Priester haben ihren Dienst dort zu versehen, wo es die Kirche der Getauften gibt. Dort sollen sie lehren und leiten und den Leib Christi stärken. Aber es ist völlig klar, dass die eigentliche Kirche das Volk Gottes ist - und auch der Papst ist nicht mehr getauft als irgend ein anderer Christ.

3. Kirche für die Zukunft

  • Uns steht in der Kirche - weltweit und in Hamburg - so manche schmerzhafte Reform bevor. Aber alle diese Reformen können bestenfalls nur das Eine unterstützen, worauf es wirklich ankommt: Dass Christus auch in unserer Zeit leibhaftig gegenwärtig und erfahrbar ist. Christ zu werden bedeutet, ein Teil des Leibes Christi für unsere Gegenwart zu sein. Das gelingt nur, wenn wir aus der Institutionszentrierung rauskommen, die gerade in der römisch-katholischen Kirche auch ihre Schwäche gezeigt hat (und in der die evangelischen Landeskirchen "römischer" sind, als es ihnen lieb sein sollte).
  • Im Glaubensbekenntnis bekennen wir nicht nur die katholische, mit und unter dem Papst den ganzen Erdkreis umfassende, Kirche, sondern auch die apostolische Kirche. Apostolat aber bedeutet: Sendung, Auftrag. Das Zweite Vatikanische Konzil stellt klar: Kraft der Taufe und der Firmung hat jeder in der Kirche "das Recht und die Pflicht zum Apostolat" (Apostolicam Actuositatem 3). Allzu lange haben Katholiken gedacht, kirchliches Apostolat gibt es nur dort, wo es einen Auftrag der Amtskirche gibt. Schon vor fünfzig Jahren hat das Konzil deutlich gemacht, dass das falsch ist. Den Auftrag gibt Christus selbst an alle, die getauft sind. Es wird Zeit, dass das auch in den Köpfen ankommt - auch bei der Hierarchie.
    Das alles wird schon im Ritus der Taufe deutlich, wenn die Neugetauften mit dem heiligen Chrisam gesalbt werden: Die Christen, sagt das Konzil ganz schriftgemäß, sind eine "königliche Priesterschaft": Königlich, weil sie durch die Taufe nur Christus als König haben und kein irdischer Herrscher letztlich Macht über sie haben kann; Priesterschaft weil sie durch ihre Zugehörigkeit zu Christus in ihren Gebeten die Welt vor Gott bringen und durch ihr "Zeugnis für Christus" Gott in die Welt bringen.
  • Die Getauften "wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe." (Lumen Gentium 10). Jeder dieser Punkte, die das Konzil hier nennt, ist es wert, darüber nachzudenken. Jeder dieser Punkte ist notwendig, damit die Kirche fähig wird, als Volk Gottes die Liebe dieses Gottes zu leben und zu verkünden. Wo immer der Heilige Geist einen Getauften dazu befähigt, ist Gott auch heute lebendig. Amen.