Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 26. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Numeri)

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27. September 2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Dreierlei Lesungen

  • Die zwei Lesungen und das Evangelium führen auf eine interessante gemeinsame Spur. Im Evangelium wird berichtet, dass die Jünger Beschwerde führen, dass jemand in seinem Namen Wunder tut, obwohl er "uns" - die Jünger meinen Jesus und sich selbst - nicht nachfolgt.
    • Jesus reagiert auf diese Denunziation, indem er erstens sagt, wer in seinem Namen Gutes tut, könne schwerlich gegen ihn sein.
    • Zweitens - das mag sich auch als Warnung an den Wundertäter richten - erinnert er daran, dass die Kleinen und geringen seine besonderen Freunde sind und nicht durch Solcherlei "zum Bösen verführt" werden sollen.
    • Dann aber wird Jesus allgemein und mahnt, lieber etwas herauszureißen denn dadurch das ganze Leben zu gefährden: die diebische und gewalttätige Hand, den irregeleiteten Fuß und das hochmütig-begehrende Auge. Wenn es dich "zum Bösen verführt, dann reiß es aus"!
  • Dazu wurde eine Lesung aus dem Buch Numeri gewählt: Mose teilt den Geist Gottes an die siebzig Ältesten des Volkes mit (70 Jünger hatte Jesus ausgesandt!). Diese geraten in Ekstase und fromme Verzückung. Aber nicht nur sie. Auch hier sind Denunzianten, die sich beschweren, dass auch zwei andere Israeliten den Geist erfahren und in Ekstase geraten. Aber wie Jesus dem fremden Wundertäter, wehrt auch Mose es "Eldad und Medad" nicht, dass sie in "prophetische Verzückung geraten". Im Gegenteil. Mose wünscht sich, noch viel mehr Israeliten würden von Gottes Geist verzückt.
  • Die zweite Lesung aus dem Jakobusbrief steht zufällig daneben. Sie ist nicht zum Evangelium ausgesucht. Vielmehr werden in diesen Wochen nach einander Abschnitte aus dem Jakobusbrief gelesen. Und so haben wir heute uns eine Drohpredigt angehört gegen die, die den Reichtum anhäufen und ihren Arbeitern den Lohn vorenthalten. Sie können dem Gericht des Christus nicht entfliehen: "Euer Reichtum verfault, und eure Kleider werden von Motten zerfressen."

2. Eine Frage

  • Die drei biblischen Texte können zu einer interessanten gemeinsamen Frage zusammen geführt werden: Die Denunziation der unautorisierten Geistbegabten in Numeri und im Markusevangelium, die Mahnung, sich lieber die Hand abzuhacken als sich von ihr zum Bösen verführen zu lassen, und die Drohrede an die ungerechten Reichen. Liegt hier im Kern vielleicht immer die Verwechslung von Ziel und Mittel?
  • Der Verdacht lautet: Wir beschäftigen uns vielleicht mehr mit der Frage, was wir haben, als damit, wofür wir es brauchen. Es macht zufrieden zu sehen, dass man ein gefülltes Bankkonto, ein stattliches Haus, eine wohleingerichtete Wohnung, einen gesunden Körper, eine passable Intelligenz, eine religiöse Bildung oder vielleicht sogar eine mystische Ader oder prophetisches Geistesgabe hat. Solcherlei Gaben an sich zu sehen, kann gefährlich zufrieden machen.
  • Dabei macht keine der Gaben glücklich. Genauerhin ist es ein trügerisches Glück. Es ist bestenfalls das Glück eines Dagobert Duck lustvoll durch den Geldspeicher zu schwimmen. Das mag einige Zeit Lustgewinn sein. Aber das Glück hält weder für Zeit noch für Ewigkeit. Und dies gilt, das lerne ich aus dem Vergleich der Lesungen, sowohl für materielle Güter,
    • wenn ich kein Ziel habe, wofür ich sie einsetze,
    • als auch für geistliche Gaben, wenn ich sie als Vorrecht betrachte und andere neben mir nicht ertrage,
    • als auch für jede Gabe und jedes Körperteil, auf das ich sonst so zufrieden schaue.

3. Unterscheidung und Hingabe

  • Wer an Gott glaubt, setzt sein letztes Vertrauen auf den, der größer ist als alles, was wir haben, besitzen oder ansammeln könnten. Dadurch wird das alles nicht wertlos. Aber es ist nicht mehr das Höchste. Diese Entzauberung brauchen wir, um unseren "Besitz" (und sei es an prophetischer Geistesgabe!) nüchtern und gelassen danach befragen zu können, wozu er im einzelnen taugt und hilfreich ist.
  • Damit stellt sich automatisch die Frage nach dem Ziel. Nicht immer sollten wir gleich nach dem Ziel des ganzen Lebens fragen. Statt dessen kann ich ja wirklich einfach die Dinge und Fähigkeiten, um die es konkret geht, nüchtern anschauen und fragen: Wozu bist Du gut? Wer regelmäßig sein Zimmer und den Speicher entmüllt, wird dort genug Material finden, um sich in der Freiheit zu üben, die darin besteht, nicht den Dingen zu verfallen, sondern sie zu dem zu nutzen, was mir wirklich wichtig ist. Und vielleicht erst wenn ich die Dinge frage, wozu sie gut sind, merke ich, wo und wie ich Gutes tun kann, und wie ich Ziele erreiche, statt mich auf dem, was ich habe, auszuruhen und es neidisch gegen andere zu verteidigen, wie die Jünger, die den fremden Wundertäter denunzieren.
  • Wer sich auf dem geschilderten Weg versucht, wird ins Gebet kommen. Wenn ich die Dinge und Fähigkeiten, die ich habe, im Licht des je größeren Gottes betrachte, dann kann ich mit dieser Erfahrung beten. Ich kann Gott bitten, dass er meine Fähigkeiten und Reichtümer annimmt, ja, dass er sogar meine ganze Freiheit und mein ganzes Menschsein nimmt. Von ihm haben wir alles. Bieten wir es ihm an und fragen ihn im täglichen Gebet um den Geist der Freiheit, der an nichts festhält, was nur vergängliches Mittel ist, damit er es uns zum Glück wandelt - uns und anderen. Amen.