Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 27. Sonntag im Lesejahr C 2010 (1.Timotheusbrief)

Zurück zur Übersicht von: 27. Sonntag Lesejahr C

3. Oktober 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Glauben

  • Drei Mal geht es in den heutigen Lesungen um ein Thema:
    • Der Prophet Habakuk ringt um sein Vertrauen in Gott: "Wohin ich blicke, sehe ich Gewalt und Misshandlung", ruft er und sucht nach Halt, um an Gott zu glauben, der doch seine Treue zugesagt hat.
    • Die Apostel bitten Jesus genau darum: "Stärke unseren Glauben!", und Jesus macht ihnen deutlich, dass Glaubensschwierigkeiten bei ihnen auch mit der eigenen Selbstüberheblichkeit zu tun haben dürften.
    • Und schließlich stellt uns der Timotheusbrief das Bild des Apostels Paulus vor Augen, der mahnend seinem Schüler sagt: "Bleibe beim Glauben (...) Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut"!
  • Die Not des Propheten Habakuk kann ich wohl nachvollziehen. Nirgends stellt sich die Frage wie weit ich auf Gott vertrauen kann drängender, als wenn ich mit Leid und Unrecht konfrontiert werde: Und das nicht irgendwie abstrakt, als theoretisches Problem, sondern dort, wo ich einem Menschen, dem Unrecht, "Gewalt und Misshandlung" widerfahren ist, in die Augen schaue. Das selbe gilt für den Menschen selbst, der leidet, sei es ein äußeres Leid, das ihm angetan wird, sei es das innere Leid der Erfahrung, dass der Boden unter den Füßen verloren geht und das Leben schal und sinnlos zu werden scheint. Was hilft es dann noch, Gott zu glauben, der seine Treue zugesagt hat?
  • Wir wissen nicht, ob die Apostel solch einen Anlass hatten, wenn sie Jesus bitten: "Stärke unseren Glauben!". An der Antwort Jesu ist aber auffällig, dass er ihnen erstens sagt, was ein wirklicher Glaube vermag. (Hier an der Stelle steht nicht das Versetzen von Bergen, aber immerhin von ganzen Bäumen.) Zweitens aber sagt Jesus den Aposteln, also denen, die sein Evangelium zu den Menschen tragen und Säulen der Kirche sein sollen, dass sie sich mit Sklaven vergleichen sollen, die nichts Besonderes geleistet haben, als das, was ihnen aufgetragen ist. Ich betone: Dies ist die Antwort an die Apostel, die "Gesandten", Jesu. Dies ist also die Antwort an diejenigen, denen in der Verkündigung ein Amt anvertraut wird.

2. Handauflegung

  • Im Timotheusbrief wird genau das aufgegriffen: "Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist." Die Handauflegung ist der Ritus, in dem die Apostel den Auftrag Jesu weiter geben an die Leiter der Kirche, die Bischöfe und Priester. Gestern wurde in dieser Weise drei Kandidaten bei uns die Hände durch den Bischof und das anwesende Priesterkollegium aufgelegt und damit wurden sie zu Priestern geweiht.
  • Der Timotheusbrief macht deutlich, dass mit der Handauflegung in der Ordination eine "Gnade", also ein Charisma, vermittelt wird. Damit ist nicht eines der vielen Charismen gemeint, die der Apostel Paulus schildert: Die Gaben die der Heilige Geist jedem einzelnen in der Gemeinde gibt, damit sie oder er beiträgt zu einer lebendigen Kirche Gottes. Von diesen Charismen sollten auch diejenigen, die zu Priestern geweiht werden sollen, welche haben. Das Charisma jedoch, das in der Handauflegung bei der Weihe vom Apostel Paulus auf Timotheus und vom Bischof auf den Priester übertragen wird, ist ein Auftrag.
  • Priester und Bischöfe sind also nicht bessere Christen; manchmal ist das leider ganz offensichtlich. Sie haben nur einen besonderen Auftrag. Der Timotheusbrief schreibt dazu "Halte dich an die gesunde Lehre, die du von mir gehört hast; nimm sie dir zum Vorbild, und bleibe beim Glauben und bei der Liebe, die uns in Christus Jesus geschenkt ist. Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt." Der von den Aposteln verkündete Glaube an Jesus Christus, ist dem Geweihten treuhänderisch anvertraut: Das "kostbare Gut", über das der Ordinierte weder beliebig verfügen noch es nach eigenem Geschmack und Gutdünken verändern darf. Gerade dieser Aspekt des Auftrags der treuen Verkündigung haben die Kirchen der Reformation besonders an den Timotheusbriefen geschätzt und hervorgehoben. Leitung geschieht in der Kirche durch treue Verkündigung des Evangeliums. Das ist für die katholische Kirche auch der Grund, warum der Priester, der der Eucharistie - der Heiligen Messe - vorsteht, im Prinzip auch immer selbst die Predigt halten soll.

3. Dienst

  • Der durch Handauflegung geweihte Priester oder Bischof ist also in keiner Weise "mehr" oder "besserer" Christ als alle anderen Getauften. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das betont. Das Amt ist vielmehr ein Auftrag. Das Wort Jesu richtet sich an sie: "Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan." Die Heilige Schrift ist da ganz klar. Die Realität der Kirche hat da noch Nachholbedarf, sowohl was die Selbstdarstellung von uns Geweihten, als auch was die Erwartungshaltung mancher Katholiken anbelangt.
  • Ich denke, Priester und Bischöfe glauben nicht mehr, als andere Christen. Zumindest im Durchschnitt. Wohl aber weisen sie das Evangelium und der Timotheusbrief auf einen Weg, wie ihr Glaube gestärkt werden kann: Indem sie sich in Dienst nehmen lassen durch das Evangelium und durch die Menschen, zu denen sie gesandt ist. Sie sollen sich, wie Paulus gefangen war in Rom, gefangen nehmen lassen durch das Evangelium, das der Apostel ihnen verkündet hat und das sie selbst vor Zeugen bekannt haben.
  • Darin zeigt sich etwas, was für alle Getauften ein Aspekt des Glaubens ist. Der Glaube wird uns durch die Gnade Gottes geschenkt. Aber er wächst nicht, indem in ein passives Gefäß mehr 'Glaubenssaft' eingefüllt würde. Der Glaube an den dienenden Gott wächst vielmehr dort, wo wir einander dienen. Der Glaube an den Gott, der uns in der Geschichte unseres Heils begegnet, wächst, wenn wir anderen nicht als Herrschende sondern in bescheidener Liebe begegnen. Amen.