Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 27. Sonntag im Lesejahr C 2022 (Lukas)

Zurück zur Übersicht von: 27. Sonntag Lesejahr C

2. Oktober 2022 - St. Nikolaus, Langeoog

1. Auf das Wort hin

  • Der Glaube, so sagt man, könne Berge versetzen. Das allerdings steht in der Bibel etwas anders. Das Wort Jesu hat ein Detail, das wir nicht übersehen sollten  - sowohl in der Fassung it dem Berg wie in der Fassung bei Lukas mit dem Maulbeerbaum. Denn Jesus malt mit seinem Bild nicht etwa aus, wie enorme Glaubenskraft gegen alle Gesetzmäßigkeit - übermenschlich wie Herkules - Berge und Bäume versetzt. Vielmehr sagt Jesus - in allen Varianten, die uns die Evangelien überliefern - dass dies auf Wort und Weisung des Glaubenden hin geschehe, nicht dass die Glaubenden selbst Berge und Bäume versetzten. 
  • Auf die Bitte der Apostel hin, Jesus möge ihren Glauben stärken, antwortet er: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.“ Ein Senfkorn übrigens ist nicht besonders groß.
  • Jesus spricht also nicht über die herkuleische Leistung des Glaubenden, sondern darüber, dass der Glaube der Apostel, so klein er auch sei, etwas bei anderen bewirkt. 
    Denn es braucht schon einige Überzeugung, dass ein Maulbeerbaum bereit ist, seine Wurzel zu lösen, den bewährten und bekannten Grund zu verlassen und sich dem Wagnis des Meeres zu überlassen. Denn auch Maulbeerbäume wissen: Auf hoher See, bei Wind und Wellen, braucht es Vertrauen!

2. Apostolischer Dienst

  • Welches Vertrauen ist so ansteckend, dass es senfkorngleich sogar Berge und Bäume zu dem Vertrauen führt, auf das Meer hinaus zu gehen? Davon handelt der sich daran anschließende Vergleich Jesu vom unnützen Knecht. Und wie das Bild über den Baum, der sich auf ihr Wort hin ins Meer verpflanzt, richtet sich der Vergleich zuerst an die Apostel, die Jesus berufen hat - und damit an Leitungspersonen.
  • Ihnen sagt Jesus, sie sollten sich nicht einbilden und sollten sich nicht benehmen, als seien sie die Herren der Kirche. Von innen heraus und in ihrer ganzen Grundhaltung  sollten sie vielmehr wissen und deutlich machen: „Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“ Daran hängt die ganze Kraft des Glaubens, bei den Menschen etwas zu bewirken. 
  • Würden die Apostel - und Bischöfe beanspruchen ihre Nachfolger zu sein! - diese Haltung ausstrahlen, es würden nicht nur Menschen, sondern Berge und Bäume in Bewegung kommen und sich sogar auf das weite Meer wagen. Und weil es im Evangelium steht, hat dies natürlich Bedeutung für jede und jeden, wer immer Christus nachfolgen will. Dass sich der Abschnitt zuerst an die Herren Apostel richtet ist jedoch wichtig, weil solche Schriftstellen allzuoft dazu herhalten müssen oder mussten, Anderen falsche Demut zu predigen.

3. Christus, der Herr

  • Das Bildwort vom Baum, der sich ins Meer verpflanzt, und der Vergleich mit dem Sklaven, der nur seine Schuldigkeit tut, eignen sich nicht als Allerweltsweisheit oder moralische Ermahnung. Das sind sie nicht. Macht man sie dazu, wird es schräg. Vielmehr bekommt das Ganze nur einen Sinn, wenn wir es hier hören, im Gottesdienst.
    Denn in der Eucharistie danken wir dem einen Herrn, der nicht der ‚Gott von oben‘ ist, sondern unter uns ist, wie einer der dient. En todo amar y servir. Jesus hat Gottes Eigenart gelebt und gezeigt: Dass Gott uns in allem liebt und in allem dient. Vom ersten Tag der Schöpfung bis zu dieser Stunde, wo wir das Brot brechen, den Leib Christi, ist Gott einer, der dient. Aus dieser Erfahrung heraus ergibt sich der Dienst der Christen: Nicht um meiner selbst, um mich selbst groß zu machen oder als groß angesehen zu werden, soll ich leben.
  • Die Grundhaltung ist die guter Eltern, die sich für viele Jahre um ihre Kinder gekümmert haben und für diese da gewesen sind. Gute Eltern tun dies nicht, um ihre Kinder in Abhängigkeit zu halten, sondern um zurücktreten zu können. So sehr Kinder ihren Eltern dankbar sein sollen - gute Eltern wissen, dass die Kinder ihnen nur anvertraut wurden. „Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“.
  • Am Ende sind es vielleicht nicht Maulbeerbäume, die sich ins Meer verpflanzen. Aber so wie die Kinder guter Eltern den Aufbruch ins Leben - auf das Meer - wagen, so kann der Glaube von Christen dies ausstrahlen: Vertrauen, dass in allem Gott uns trägt. 
    Die Apostel baten: „Stärke unseren Glauben!“. Jesus rät ihnen, ihren eigenen Anspruch auf  Bedeutsamkeit zurückzunehmen und sie werden den Glauben von denen glauben lernen, die auf ihr Wort hin den Aufbruch wagen, Gott zu vertrauen.