Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr A (Matthäus - Film_"Inception")

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20. August 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

Die Predigt über das Evangelium des 28. Sonntags im Lesejahr A wurde in einem Schulgottesdienst 2010 gehalten.

Der Film Inception von Christopher Nolan (2010) handelt von einer Gruppe Krimineller, die sich in Träume anderer einschalten können und dort anderen Geheimnisse entlocken, die diese sonst nicht preisgegeben hätten. Nun versuchen sie umgekehrt, jemanden einen neuen Gedanken einzupflanzen: dass sein verstorbener Vater gewollt hätte, dass er das Firmenimperium aufsplittet. In den daraus entstehenden Traumbildern entfesselt Nolan das ganz große Kino.

1. Traum-Inception

  • Es ist das eine, etwas vom Kopf her klar zu haben. Ein anderes ist es, dass mir die unteren Bewusstseinsschichten keinen Strich durch die Rechnung machen. Gut gemachte Werbung funktioniert so, dass sie Menschen zum Träumen bringt und ihrem Unterbewusstsein dann einen Wunsch einpflanzt, der zum Kauf führt. "Inception" kann man das Verfahren nennen, mit dem etwas Neues eingepflanzt wird. Wenn mein Unterbewusstsein so manipuliert wird, ohne dass ich es merke, ist das ziemlich fragwürdige Freiheitsberaubung.
  • Inception könnte aber auch ganz nützlich sein. Wenn ich mir klar bin, was ich will, wäre es doch ganz nützlich einen Weg zu haben, über die Träume auch meine unteren Bewusstseinsschichten mit einzubeziehen. Das wäre ein Gewinn an Freiheit, wenn ich dann so lebe und handle, wie ich es selbst will.
    Nehmen wir das klassische Beispiel, dass sich jemand von dem übermächtigen Einfluss seines Vaters befreien will. Er will nicht nur immer darauf fixiert sein, seinen Vater nicht zu enttäuschen. Oberflächlich gelingt das, aber unterbewusst spielt der Konflikt mit dem Vater dauernd mit rein. Vom Kopf her alleine geht das nicht aufzulösen. Ich muss diese Freiheit auch in den tieferen Schichten erreichen, um ganz ich selbst zu sein.
  • Die Methode dazu muss nicht neu erfunden werden. Ich brauche sie nur bewusst einzusetzen. Die Methode ist, sich über Geschichten und starke Bilder in eine Art Wachtraum zu versetzen. In diesem Traum braucht dann nicht mehr alles nach der üblichen Logik zu verlaufen. Im Traum kann schon mal die Schwerkraft aussetzen. Alles kann in Bewegung gesetzt werden, damit das eine Ziel erreicht wird, etwas freier zu werden von Ballast im unteren Bewusstsein. So lange ich mir die Geschichte für diesen Traum selbst ausgesucht habe, manipulieren mich auch nicht so schnell andere.

2. Traum

  • Es wäre Schwachsinn die Freundin oder den Freund nur deswegen zu wählen, weil Daddy das will; genauso ist es daneben, es nur deswegen nicht zu wollen, weil Daddy dafür ist. Im einen wie im anderen Fall steht der übermächtige Vater im Hintergrund, weil Du etwas bewusst oder unterbewusst nur deswegen wählst - oder eben gerade nicht wählst -, weil Big Daddy dahinter steht.
  • In der Situation greift Jesus zum Gleichnis. Es ist seine Methode, Leute zum "träumen" zu bringen. Im Gleichnis ist nicht entscheidend, dass alles logisch ist. Ich darf hier ruhig wissen, dass ich mich in der Traumwelt befinde.
  • Da ist ein wichtiger König, der zur Hochzeit seines Sohnes die Party des Jahrhunderts ausrichtet. Schriftlich waren die Leute schon eingeladen und hatten höflich zugesagt. Jetzt schickt ihnen der König zum Beginn des mehrtägigen Festes die Limo mit Chauffeur vorbei. Aber da haben die schon anderes zu tun, wichtiges Business, keine Zeit mehr zum feiern. Der König denkt, die Leute haben vielleicht nicht kapiert, dass der Luxusschlitten für sie war und schickt sie noch mal los und gibt ihnen extra noch das Festprogramm mit der phänomenalen Menüfolge mit. Diesmal verprügeln sie die Chauffeure und verbeulen die Limousinen. Wenn der König das erfährt, ist er mehr als sauer. Die folgende Szene ist für Jugendliche unter 18 nicht geeignet und wird daher hier übersprungen. Aber weil die Fete vorbereitet ist, lädt der König jetzt die ein, die nie gedacht hätten, sie würden je zu einer Königshochzeit eingeladen. Von weit her sammeln die Fahrer des Königs jetzt Gäste, die auch gut gelaunt kommen. - Was mag das nur für ein schräger Gedanke im Unterbewusstsein derer gewesen sein, die davor die Einladung ausgeschlagen haben. Hätten sie sich anders entscheiden wollen und sind nur ihrem Unterbewusstsein aufgesessen? Hätte der schrille Traum aus dem Gleichnis Jesu ihnen geholfen, sich frei zu entscheiden?

3. Festgewand

  • Ich kann nur mutmaßen, warum die zuerst geladenen nicht zum Fest kommen. Vom Zusammenhang des Evangeliums her liegt es nahe, dass sie einerseits total selbstverständlich davon ausgehen, dass solche Feste für sie ausgerichtet werden, sie haben sich aber andererseits einreden lassen, dass das, was sie gerade tun, das Wichtigste wäre: Karriere machen, Geschäfte machen, wichtig sein. Weil sie dabei durch die Einladung zum Fest gestört werden, reagieren sie so aggressiv. Dieses Gefühl, wichtig zu sein und jetzt gerade wichtige Geschäfte erledigen zu müssen, sitzt tief in ihrem Unterbewusstsein. Das wehrt sich brutal gegen Störungen. Jesus spiegelt ihnen ihre eigene Brutalität, indem er in seiner Traum-Geschichte den König entsprechend brutal zurückschlagen lässt (das war der Teil ab 18). Die ganze Dramatik macht eigentlich klar, dass hier nicht frei und selbstbestimmt entschieden wurde, sondern tiefer sitzende Gefühle das Kommando übernommen haben. Da wird etwas in Frage gestellt, das ihre ganze bisherige Selbstverständlichkeit in Frage stellt.
  • Ganz klar, dass Jesus vom "Himmelreich" spricht. "Mit dem Himmelreich ist es ...", beginnt seine Geschichte. Mit Himmelreich meint Jesus nicht irgend einen jenseitigen Ort, sondern die Form von Leben, in der Gott im Mittelpunkt steht. Wenn Jesus das mit einer Hochzeitsfete vergleicht, dann will er damit seine Erfahrung ausdrücken, die er mit "Himmelreich" gemacht hat. Wenn Gott im Mittelpunkt steht, dann ist das nicht ein zusätzlicher Vater, der Gesetze macht, was zu tun und zu lassen ist; es ist ein Vater, der zur Begegnung und zur Freude einlädt. Und zugleich führt diese Begegnung mit Gott dazu, dass ich beginne anders zu leben: nicht mehr auf Kosten anderer, sondern mit anderen. Jesus nennt das "Liebe".
  • Mit der Gleichnis-Geschichte passiert zweierlei. Das erste ist, dass die Chance besteht, mich radikal mit der Frage auseinander zu setzen, welche Chance für mich besteht, ein Ziel für mein Leben zu haben. Darin liegt die Einladung Gottes an mich. Das zweite ist, dass das meinerseits bedeutet, diese Fragen wirklich ernsthaft anzugehen. Deswegen schiebt Jesus seiner Geschichte noch eine Episode nach, fast schon im Abspann. Da ist einer bei der Hochzeit dabei, der "kein Hochzeitsgewand" anhat. Das ist ein Bild für jemand, der einfach nur mitgelaufen ist, ohne dazu zu stehen. Da bringt dann die größte Hochzeitsfeier nichts. Ich selbst bin gefragt. Ich selbst darf und muss mich entscheiden. Nicht weil andere sagen, ich soll oder ich soll nicht, sondern weil ich an dem Punkt angekommen bin, wo ich die Einladung gehört habe und antworte: Ja, ich will. Amen.