Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Markus)

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10. Oktober 2021 - St. Peter, Sinzig/Rhein

1. Mühsam

  • Jesus ist mühsam. Dauernd gilt bei ihm nicht mehr, was uns eben noch selbstverständlich war. „Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste“, wer Reichtum wählt ist arm, wer alles weggibt ist reich. Dauernd ist es genau andersherum, als wir dachten. Mühsam.
  • Genau besehen wechselt Jesus laufend die Ebene. Die Ersten nach den Gesetzen der Welt, die Letzten nach dem Maßstab der Himmel – also des alles umfassenden Bereiches, in dem Gott gegenwärtig ist. Wie sehr dieses dauernde hin und her bei Jesus charakteristisch ist, ahnen alle, die sich im Johannesevangelium verirren. Redet er jetzt über Irdisches oder redet er über Himmlisches? Wer Jesus zuhört muss sich laufend neu orientieren.
  • Das ist so, weil Jesus in beiden Bereichen zuhause ist. Er ist Mensch und nennt doch allein Gott, den in den Himmeln, seinen Vater! Er bestätigt die Tora und die Zehn Gebote für das Leben des Volkes Gottes hier auf der Erde, und sieht sie doch genau darin zugleich aufgehoben in der einen Liebe, mit ganzem Herzen und allen Kräften: Liebe, mit der wir allein Gott lieben. Und gerade dadurch, dass diese Liebe Gott im Himmel vorbehalten ist, öffnet sich  der Mensch für die oder den Nächsten, ihn oder sie zu lieben wie sich selbst.

2. Vertauscht

  • Jesus ist mühsam mit Bedacht. Er sieht, was daraus folgt, wenn wir die Mühe meiden, das Himmlische und das Irdische immer neu in Beziehung zu setzen und zugleich strikt auseinanderzuhalten. Ohne dieses verlieren wir das Wissen um den einen Vater im Himmel und – schlimmer noch – liefern uns der Machtanmaßung der Menschen aus oder – schlimmer noch – maßen uns selbst diese Macht an.
  • Deswegen braucht es mehr als nur die Zehn Gebote. Es braucht mehr, nicht weniger! Das mehr verhindert, dass wir in Selbstgerechtigkeit verfallen und den Kern verfehlen. Wenn wir dabei stehenblieben, alle Gebote zu erfüllen, gegen keines zu verstoßen, dann wäre das viele Gute, das darin liegt, ohne Freude und Geschmack. Ist das nicht eine Beobachtung, dass manche Menschen selbst dann bitter sind, wenn sie alles richtig machen?
  • Wenn wir den Himmel suchen, ohne die Erde zu leben, wird der Glaube leer bleiben. Es ist dann nur ein formelhaft behauptetes Vertrauen, das die Zumutung des gelebten Lebens ausblendet. Gott ist ohne Menschwerdung abwesend. Glaube auf den Sonntagsgottesdienst reduziert bleibt ohne das grundlegende Vertrauen.
    Umgekehrt: Wenn wir auf Erden das suchen, was nur im Himmel zu finden ist, führt das nicht zu Enttäuschung, sondern erst einmal zu Anmaßung. Dann erst kommt schmerzhaft die Enttäuschung.

3. Vertrauend

  • Was wir heute im Abschnitt bei Markus gehört haben, ist Jesus pur! Er will seine Schüler – die Jünger, uns, alle Menschen – dahin führen in ein ganz grundlegendes Vertrauen zu führen. Der Glaube, den er lehrt, ist Vertrauen sozusagen vom Urgrund des Herzens. Dieser Glaube, dieses Vertrauen kann allein Gott dienen. Alles, was wir dann tun, kann von solchem Glauben und Vertrauen getragen sein.
  • Deswegen mutet Jesus jedem von uns zu, das anzuschauen, worauf zu vertrauen wir gewohnt sind – und es loszulassen. Bei dem Mann, der zu Jesus kommt, weil er Gott finden will, ist es der Reichtum. Häufig sind es Ansehen, Macht und Reichtum, denen wir Menschen so sehr vertrauen, dass wir sie loslassen müssen, um an das grundlegende Vertrauen überhaupt heranzukommen.
  • Die Jünger aber, die alles verlassen haben, um Jesus nachzufolgen, sind diesen Schritt bereits gegangen. Jesus bestärkt sie. Denn er macht deutlich: Wenn ihr wirklich loslasst, werdet ihr es bekommen. Das sollte die ganz konkrete Erfahrung der christlichen Gemeinde sein. „Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ Deswegen reden sich Christen – zumindest in der Liturgie – als Brüder und Schwestern an. Es war die Erfahrung von Christen in allen Jahrhunderten, dass sie in der Gemeinschaft reich beschenkt werden, wenn sie loslassen und das Vertrauen konkret wird: Ich komme nicht zu kurz!
  • Doch die Pointe in diesem Satz Jesu übersehen dabei viele Menschen, gerade auch kirchliche Kommentare. Die Jünger haben „um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen“ und dafür hundertfach„Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten“ – nicht jedoch den Vater. Den Vater gibt es nur im Himmel. Auch wenn sich in der patriarchalen Kirche Männer als Väter gebärden: Ihnen das Vertrauen zu schenken, weil sie so viel greifbarer sind als Gott im Himmel, bedeutet leider immer, das Wagnis des Glaubens zu meiden. Wenn Jesus auch immer wieder Irdisches und Himmlisches verbindet, so ist er hier sehr klar: Du kannst niemanden auf Erden deinen Vater nennen oder sonstwie irdischer Macht und Absicherung vertrauen, denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel (Mt 23,9). Amen.