Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr C 2016 (Lukas)

Zurück zur Übersicht von: 28. Sonntag Lesejahr C

9. Oktober 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Danke sagen

  • 'Danke' ist manchmal schnell gesagt, manchmal aber auch sehr ernst und nachdrücklich gemeint. Dank gehört zu den Dingen, wo jeder weiß, was es ist, aber je mehr man darüber nachdenkt, desto komplizierter wird es. Ich danke anders an der Kasse im Supermarkt, wo ich gegen gutes Geld Waren mitnehmen darf (und freundlich gefragt werde, ob ich nicht vielleicht doch eine Pay-Back-Karte haben wolle - Nein, danke!). Anders danke ich dem, der mir ohne auf sich selbst zu achten zu Hilfe kommt, wenn ich allein nicht mehr weiter weiß.
  • Zu danken bedeutet, etwas zu geben. Dafür, dass ich Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft oder Aufmerksamkeit bekommen habe, erwidere ich mit Dank. In unsrer Kultur wird das erwartet. Ich lebe gern in einem Land, wo Menschen 'Danke!' sagen, nicht nur in besonderen Augenblicken, sondern auch ganz selbstverständlich und wie beiläufig im Alltag.
  • Anstrengend aber wird das, wenn Dank zu der Währung wird, in der zurück bezahlt wird. Wenn peinlich darauf geachtet wird, dass Dank auf den Cent genau mindestens so groß ist, wie die Leistung, die ich dafür bekomme. Wenn Menschen beleidigt sind, weil sie den Dank nicht oder nicht so bekommen haben, wie sie meinen, ihn verdient zu haben; dann macht es keine Freude zu danken. Ich leiste meinen Dank ab, aber nicht anders, als ich die Rechnung bezahle, wenn die Lieferung eingetroffen ist. Und allzu leicht kommen wir dann auf die Idee, dass es gegenüber Gott nicht anders sei: Gott sei beleidigt, wenn wir ihm nicht angemessen danken - und wenn wir es getan haben, dann haben wir Gott gegenüber unsere Schuldigkeit getan und können zum Alltagsgeschäft zurück kehren.

2. Dankbar sein

  • Der Abschnitt, den wir aus dem Lukasevangelium gehört haben, ist in den älteren, vor allem den evangelischen Übersetzungen ganz sachlich überschrieben: Die Heilung der zehn Aussätzigen. Neuere Übersetzungen, auch unsere gegenwärtige Einheitsübersetzung hingegen schreibt als Überschrift über die neun kurzen Verse: Der dankbare Samariter. Daher lesen viele aus diesem Evangelium heraus, das besondere des Samariters im Unterschied zu den anderen sei, dass nur dieser eine dankbar sei. Das aber steht nicht im Evangelium.
    Zwar stimmt, dass nur der Samariter zu Jesus kommt und "ihm dankte". Das aber ist für Jesus überhaupt nicht der zentrale Punkt. Vielmehr sagt Jesus "Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?" Nicht um Dankbarkeit geht es also, sondern um Umkehren und Gott Ehren. Das ist es denn auch, was zuvor geschildert worden war: "Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme."
  • Die anderen Neun werden Gott auch loben. Denn hinter der Aufforderung "Geht, zeigt euch den Priestern!", mit der Jesus die Zehn auf den Weg der Heilung schickt, steckt nicht nur, dass die Priester - wie heute das Gesundheitsamt - die Befugnis haben, eine wegen Ansteckungsgefahr verhängte Quarantäne aufzuheben. Vielmehr geht mit der Feststellung, dass die Krankheit nicht mehr ansteckend ist, ein großes Ritual einher, das auf Gott Ehren hinzielt. Gott zu ehren wird dabei auch für die anderen Neun bedeuten, dankbar zu sein.
  • Was aber den Samariter anbelangt, ist das besondere das Umkehren. Ich denke nicht, dass er ein guter Mensch war und die anderen Neun böse, er ein dankbarer und die anderen Neun undankbar. Das ist mir zu billig.
    Vielmehr wird doch ausdrücklich gesagt, was ihn von den anderen unterscheidet: Er war ein Fremder, ein Samariter und kein Judäer. Das 'hier fremd sein' macht den ganzen Unterschied. Auf dem Weg zu den Priestern sind die anderen Neun auf der ihnen wohl vertrauten Schiene. Als Aussätzige haben sie sich ausgiebig damit beschäftigt, was im Falle eine Heilung zu tun ist. Für den Fremden ist das fremd. Das genau ist seine Chance. Während die anderen ganz mit dem Ritual beschäftig sind, gibt es bei ihm eine Unterbrechung, eine Irritation, ein Fremdsein im Ritual - und das führt ihn zum Kern dessen, was das Ritual eigentlich will: Umkehr und Dankbarkeit Gott zur Ehre.

3. Staunen

  • Die Gefahr ist groß, das Evangelium zu hören, und nur den erhobenen Zeigefinger zu sehen: Sei dankbar! Dabei ist das Evangelium die Einladung, uns mit dem Samariter, dem das alles hier neu ist, in eine Grundhaltung führen zu lassen, die das nicht alles als Routine abspult, sondern verstört ist, erschüttert, erstaunt - eben all das nicht schon als selbstverständlich nimmt.
  • Die Innenseite des Dankes ist das Staunen. Niemand staunt, wenn der Supermarkt die ausgesuchten Waren herausrückt, so ich nur das dafür geforderten Geld hinlege (oder abbuchen lasse). Das 'Danke' an der Kasse ist nett, aber routiniert. Wie schade, wie tragisch jedoch, wenn auch das Verhältnis zu Gott und zu den anderen Menschen nie darüber hinaus kommt. Wir Menschen müssen, um das Leben zu bewältigen, Routinen und Gewohnheiten entwickeln. Aber gerade deswegen ist die Störung nicht nur negativ, sondern kann auch ein Geschenk sein.
  • "Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun?" Mit der Frage kann Jesus mich meinen, wenn ich zu schnell als selbstverständlich und geschuldet nehme, was in Wirklichkeit ein Geschenk ist und mich staunen machen könnte. Aus diesem Staunen kommt eine Dankbarkeit, die aus ganzem Herzen dem anderen dankt - und dabei selbst noch einmal beschenkt worden ist, weil neben die Heilung und die Umkehr der Dank tritt, der die Welt ein wenig mehr öffnet für die Gegenwart Gottes. Ihm sei Ehre! Amen.