Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Vorabend Hochfest Peter & Paul 2014

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29. Juni 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Petrus

  • "Weide meine Schafe". Der Satz, den im Johannesevangelium der Auferstandene an Petrus richtet, ist gewiss nicht als biographische Information gemeint. Die Szene will vielmehr beschreiben, welche Rolle das Petrusamt in der Kirche Jesu Christi haben soll.
    Die Szene erinnert einerseits an die dreimalige Verleugnung. Petrus ist so wenig wie irgendeiner seiner Nachfolger unfehlbar, als wäre er kein Sünder. Das sind wir alle. Nach der Lehre der katholischen Tradition und Lehre ist der Papst auch in Lehrfragen des Glaubens fehlbar. Das wird dadurch deutlich, dass die Kirche für sehr seltene und klar begrenzte Situationen die Unfehlbarkeit des Petrusamtes definiert hat.
  • Die Aufgabe des Petrus ist viel elementarer. Das ist die zweite Rollenbeschreibung, die das Johannesevangelium festhält: Petrus soll in Erinnerung seines eigenen Versagens Jesus, den Guten Hirten, vertreten. In diesem Sinne der Sorge für die Gemeinschaft derer, die zu Jesus Christus gehören, ist Petrus und ist heute der Bischof von Rom als sein Nachfolger der 'Stellvertreter Christi'. In einem allgemeinen Sinn ist dies jede und jeder Getaufte. In dem besonderen Sinne, wie ein Hirte die Herde zusammen zu halten, ist der Papst 'Stellvertreter Christi'.
  • Katholiken sollten sich nicht kirre machen, wenn es um das Papstamt geht. Weder diejenigen, die wahlweise den Papst zum Messias, doch die, die ihn zum Antichrist machen, werden dem Evangelium gerecht. Jesus wollte eine sichtbare, spürbare Einheit seiner Kirche. Der erste Ort dieser Sichtbarkeit ist die Liturgie. Aber auch im Leben der Gesamtkirche ist es Aufgabe des Petrusamtes, erlebbare, sichtbare Einheit zu fördern, in dem er die Kirche als Gemeinschaft zusammenhält, nach Außen hin so etwas wie ein Sprecher der Kirche ist und nach Innen das rechte Maß an Einheit und Besonderheit der Teile der Kirche fördert.

2. Paulus

  • Paulus wirkt da wie ein Gegenmodell. Er schreibt an die Gemeinde in Galatien: "Als Gott mir seinen Sohn offenbarte, da zog ich keinen Menschen zu Rate; ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren." Offenbar schreibt er an Christen, unter denen es sehr wichtig ist, zu welcher Richtung oder Schule im Glauben man gehört.
  • Paulus verweist auf sich selbst und betont zunächst zweierlei:

  • Erstens hat er eine ureigne Glaubenserfahrung gemacht: Gott hat ihm "seinen Sohn geoffenbart". Paulus bezeichnet das nicht so sehr als Bekehrung, sondern sieht das als Zugewinn: Mit dieser Glaubenserfahrung sieht er seinen bisherigen jüdischen Glauben wie mit neuen Augen und neuem Herzen; Gott hat ihm einen Schlüssel gegeben, das Bisherige tiefer zu verstehen, obwohl er, Paulus, sich so lange dagegen gewehrt hat.
  • Zweitens hat sich Paulus Zeit genommen. Er ist nicht in die Hysterie eines Neubekehrten verfallen, sondern brauchte erst einmal drei Jahre Zeit, um sich neu zu sortieren. Sicher war es eine Zeit des Gebetes. Sicher war es eine Zeit vieler Gespräche. Aber Paulus ist nicht in den alten Fehler verfallen, wie damals Gamaliel nun einem anderen als Lehrer des Glaubens zu nehmen, ohne erst einmal auf die eigenen Erfahrungen und Glaubensgeschenke der Gnade Gottes zu schauen.
  • Dann geht Paulus nach Jerusalem, zu dem Zeitpunkt noch Zentrum der Christenheit. Er betont aber, dass er zu keinem der Apostel gegangen ist. Vermutlich will er damit deutlich machen: Mit meiner Verkündigung schließe ich mich nicht einer der bestehenden Parteien und Schulen an. Eine andere Sache aber ist es für ihn, Petrus zu treffen.
    Petrus steht offenbar nicht wie die anderen Apostel für eine christliche Schule oder einen Teil, sondern für das Ganze. Zwei Wochen nimmt sich Paulus Zeit. Er wird Petrus von seiner Erfahrung und seiner Berufung berichtet haben. Viel später wird Paulus einen Brief nach Rom schreiben, um der Gemeinde des Petrus seine ausgereifte Theologie vorzulegen. Der Sinn scheint mir klar: Christlicher Glaube ermächtigt sich nicht selbst zu irgend etwas, auch nicht durch noch so intensive innere Erfahrungen. Wenn es wirklich biblischer und christlicher Glaube ist, dann wird eine solche Berufung, wie die des Paulus, noch einmal dem Petrusamt vorgelegt. Dieser nimmt sozusagen die Berufung im Namen der Kirche an.

3. Konsequenzen

  • Aus all dem folgt der Grundsatz einer katholischen Gelassenheit. Ich zumindest ziehe daraus diesen Schluss und manche Aufgeregtheit finde ich reichlich unkatholisch.
  • Es folgt eine katholische Gelassenheit im Verhältnis zum Amt, dem Petrusamt im Besonderen. Petrus hat eine Aufgabe, die soll er gut machen. Er soll, solange Christus nicht bei uns ist, für den Zusammenhalt seiner Herde sorgen. Er muss aber nicht der Schönste, Klügste oder Frömmste sein, sosehr wir uns freuen wenn ein Papst klug oder fromm sein sollte (und auch dann sollten wir katholisch-gelassen bleiben).
    Es gehört vielleicht für manche, die sich selbst für die Klügsten oder Frömmsten halten, ein gutes Stück Demut dazu, dem Petrusamt seine Aufgabe zuzubilligen (im Bild des Johannesevangeliums: der Schnellere am Grab lässt Petrus den Vortritt - vgl. Joh 20,4-6). Aber gerade um das ist so entscheidend, dass jeder weiß und wir es in der Liturgie, in den Strukturen der Kirche und in dem inneren Verhältnis zu Leitung und Hierarchie vollziehen: Auf Erden gibt es dieses Amt der Stellvertretung Christi, das hat der Bischof von Rom und keiner von uns muss denken, dass er unfehlbar sei. (Und dass der Papst sich nicht überschätzt, dafür sorgt die Bürokratie des Vatikans erfolgreich.)
  • Es folgt aber auch eine Gelassenheit gegenüber geistlichen Erfahrungen, selbst solchen, bei denen es einen Paulus aus dem Sattel hebt. Wenn sich jeder, der sich dann gleich berufen fühlt, die Welt zu erobern, wie Paulus zwei Jahre Zeit nehmen würde, das Erlebte in Ruhe anzuschauen und am Ende zu Petrus zu gehen und es ihm vorzulegen, dann hätten wir weniger Fanatiker in der Kirche und mehr echten, gelassenen Glauben. Amen.