Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr A 1999 (Johannes)
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6./7. März 1999 - Erzhausen/Egelsbach
1. Abgehoben
- Jesus ist unfähig. Er hat nicht das geringste Verständnis für unsere Probleme.
- Er macht keinen einzigen Vorschlag, wie die Frau künftig einfacher, mit weniger Mühe Wasser holen kann. Er organisiert
keine Kampagne gegen die ungerechte Rollenzuteilung, dass die Frauen für das Wasserholen zuständig sind. Er versteht
nicht einmal, dass das alles die Probleme der Leute sind.
- Statt dessen redet er - abgehoben - über abstrakte Probleme.
2. Fragen stellen
- Andererseits bekennt die Frau: "Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe", und es wird berichtet, dass ihr ganzes Dorf
zum Glauben an Jesus findet. Daher lohnt es, den Weg dorthin nachzuzeichnen. Vielleicht ist das "pastorale Konzept"
Jesu doch nicht so unbrauchbar.
- Die Voraussetzungen für das Gespräch waren denkbar schlecht. Juden reden nicht mit den Samaritern, weil diese
vom Gauben an den einen Gott abgefallen waren. Jesu Frage nach einem Schluck Wasser war daher ein
Tabubruch. Und so wird schon am Anfang deutlich, dass Jesus etwas geben kann: Wer ihn bittet, erhält lebendiges
Wasser.
- Allerdings müssen erst andere Schranken durchbrochen werden. Der Frau geht es wie uns zumeist. Wir bleiben an
der Oberfläche der Dinge hängen: Wir hören Wasser, wir sehen Wasser - und wir denken nichts als Wasser. Der
Glaube sieht und hört mehr.
- Allerdings beginnt das Gespräch am Jakobsbrunnen erst einmal damit den Horizont aufzusprengen. "Lust auf
mehr!" zu machen. Natürlich kann man sich mit dem Oberflächlichen zufriedengeben und dabei stehen bleiben.
Damit kommt man wenn es gut geht auch durchs Leben durch, wenn auch nicht durch den Tod.
- "Mehr" ist nicht einfach mehr von dem, was wir haben, sondern radikal anderes. Mehr von dem was wir haben, verändert
nicht wirklich, es verlängert nur, schiebt hinaus und verdrängt. All die kleinen Ziele in meinen Leben sind schön und
wichtig. Aber wenn ich sie vorschiebe, um damit die Frage nach dem Leben selbst zu verschieben, dann richten sie mehr
Schaden an denn Nutzen. Wie viele guten Vorsätze beginnen damit zu sagen: "Wenn ich erst einmal..."?
- Wir verschieben ja, um zu verdrängen. Denn wenn ich mir die Frage stelle, wie es um mein Leben steht, stoße ich
unwillkürlich auf die Frage, wie ich dastehe, vor Gott und vor mir. Ich kann die Frage nach dem "lebendigen Wasser"
nicht zulassen und die Frage nach meiner Schuld, der Gebrochenheit in meinem Leben, außen vor lassen.
- Was immer der Hintergrund der "fünf Männer" ist, die die Frau gehabt hat, in dieser Biographie ist Gebrochenheit
Realität: Scheitern, Versagen, Schuld, von mir, von anderen. In Wirklichkeit hat die Frau nicht vieles gehabt,
sondern nichts. Wenn wir mit dem Leben nur flirten, unverbindlich antesten und ausprobieren, haben wir das
Leben nie gehabt, nie gelebt.
- Für uns unvermittelt wechselt das Thema auf die Frage, von welchem Berg aus Gott anzubeten ist. Dies war ein
wichtiger Streitpunkt zwischen den Juden und den Samaritern.
Dahinter steht aber genau das Thema, das davor zur Sprache kam: Was kann ich anbeten und wo?, ist die Frage,
was für mich wirklich zählt, wo wirklich Leben stattfindet, welches Leben nicht aufreibend ständig neues Futter
braucht, um über den Tag und die Nacht zu kommen.
3. Die Antwort heißt: Gemeinschaft mit ihm
- Jesu Antwort ist Hoffnung und Gegenwart zugleich: "Die Stunde kommt und sie ist schon da". Die Ewigkeit beginnt hier
und gerade deswegen ist die eigentliche Grenze nicht mehr der physische Tod, so schmerzlich er auch sein mag, sondern
der Übergang zum Glauben und zum Bekenntnis.
- Der Glaube an den Messias, der schon da ist, verändert das Leben. Er ist die Speise, die die anderen nicht kennen. Die
Gemeinschaft mit Jesus im Gebet, im Wort, im Mahl des Brotes ist nicht nur eine abstrakte Perspektive auf das Leben,
sondern eine verändernde Lebenspraxis. Mit der in Jesus offenbar gewordenen Liebe Gottes wird es möglich, Schuld zu
benennen, ohne daran zu zerbrechen.
- Vielleicht kann die Frau künftig zusammen mit den anderen am Morgen zum Brunnen gehen, statt in der Mittagshitze
alleine, als Ausgestoßene, gehen zu müssen. Vielleicht wird die Grenze zwischen Juden und Samaritern überschritten.
Vielleicht fällt der nächste Schritt leichter, wenn ich den ersten großen gehe. Es gehört Mut dazu, zu bekennen. Amen