Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag C (Predigt zu Exodus)

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15. Oktober 2000 - khg Göttingen Universitätskirche, St. Nikolai

Predigt zum ökumenischen Erstsemester-Gottesdienst Göttingen
2000 Sonntag, 15. Oktober 2000, khg Göttingen Universitätskirche, St. Nikolai

1. Mose

  • Die Biographie des Mose beginnt im Chaos. Mitten in den ethnischen Säuberungen in Ägypten geboren, wird er von seinen Leuten als Säugling ausgesetzt, wird von Ägyptern gefunden, wird ausgerechnet einer Hebamme aus seinem eigenen Volk wieder anvertraut, er versucht zu diesem Volk dazu zu gehören, und endet in einen Mord verwickelt. Aus diesem Chaos bleibt ihm nur die Flucht.
  • Der Zufall spielt ihm in die Hand. In der Fremde eröffnet sich ihm eine Chance. Eine gute Partie, eine Hochzeit, ein reicher Schwiegervater, Einstieg in das Viehzuchtgeschäft. Jetzt scheint das Leben des Mose in geordneten Bahnen zu verlaufen. Er hat die Sache im Griff.
  • Da passiert ihm das mit dem Dornbusch. Es war leichtsinnig, näher hinzugehen, neugieriger Leichtsinn. Die Neugierde des Mose aber ist verständlich. Da brennt ein Dornbusch - und verbrennt doch nicht. Der Dornbusch hat die Kraft zum Feuer ohne ein Strohfeuer zu sein. Mose will sich das näher ansehen, denn die Standarderfahrung heißt: Kraft verbraucht sich, Feuer verglimmt. Vielleicht erinnert sich Mose daran, vielleicht traut er der sicheren Laufbahn im Geschäft seines Schwiegervaters nicht so vollkommen? Mose ist jung und rechnet damit, dass doch noch etwas Neues in seinem Leben passiert.

2. Gott der Väter, Gott des Leides

  • In der Tat ist das Feuer im Dornbusch Zeichen für die Gegenwart von etwas Überraschendem. Der Text berichtet: Gott spricht aus dem Dornbusch, aus dem Feuer, das brennt ohne sich zu verbrauchen.
    Aber die Überraschung für Mose, der Schock ist groß: Der Gott, der da spricht, stellt sich heraus als der Gott seines Vaters, als der Gott aus der Welt, aus der er weggegangen ist. Er hatte doch das alles verlassen, um neu anzufangen und stößt hier wieder nur auf das Alte. Da verhüllt Mose sein Gesicht.
  • Ein fremder Gott hätte Mose eher interessiert. Ein fremder Gott kann unvoreingenommen angeschaut werden. Er ist interessant, weil er neu ist. Er tut auch nicht weh. Ich kann ihn wie eine seltene Blume bestaunen. Der Gott meiner Väter aber erinnert daran, dass dieser Gott mir aufgezwungen wurde; oder daran, dass im Namen dieses Gottes Unheil geschehen ist durch Menschen, die meine Vorfahren sind. Mose verhüllt sein Gesicht, weil er fürchtet, Gott anzuschauen!
  • Wie recht tut Mose, sein Gesicht zu verhüllen, sich zu schützen. Denn Gott will etwas von ihm. Mose ist dem Chaos in Ägypten entkommen, hat nun eine einigermaßen gesicherte Zukunft. Aber Gott konfrontiert ihn wieder mit dem Elend in der fast schon vergessenen Heimat. "Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid." Und Gott will, dass Mose sich ebenfalls davon anrühren lässt, dass er sich einspannen lässt, dass er sich der Unsicherheit wieder aussetzt.

3. Der Name des Herrn

  • So weit die Geschichte aus dem zweitem Buch Mose, dem Buch Exodus. Eine ganz andere Geschichte ist meine eigene. Wo ist mein biographisches Chaos? Wo ist mein Versuch mein eigenes Leben zu gestalten? Und bricht in diese Linien, die ich mühsam gezogen habe, ein Feuer ein, das mehr ist als momentane Begeisterung? Bleibt dies letztlich doch nur der Gott meiner Vorfahren, mit dem ich nichts zu tun habe?
  • Gott gibt dem Mose seinen Namen. Es heißt ausdrücklich, dass dies der Name ist "in allen Generationen". Jahwe ist der Name und aus Ehrfurcht vor diesem Namen sprechen ihn gläubige Juden niemals aus, sondern sprechen immer nur von "der Herr".
    Dieser hebräische Name "Jahwe" ist aber auch in sich dunkel. Eine Übersetzung ist kaum möglich. Es handelt sich um eine Verbform, die sonst nicht existiert. Luther hat die Übersetzung versucht "Ich bin, der ich sein werde", und die Züricher Bibel schreibt "Ich bin, der ich bin". Der Name Gottes ist dunkel, aber es ist ein helles Dunkel. Denn es wirft ein helles Licht darauf, dass Gottes Name nicht festlegbar und nicht verfügbar ist. Er ist keine Zauberformel und keine ein für alle Mal betonierbare Traditionsformel. Die Einheitsübersetzung, die wir gehört haben, nennt Gott den "Ich-bin-da". Gottes Name ist Gegenwart und Zukunft, die nicht festgelegt sind - außer dem Einen, dass Gott gegenwärtig ist.
  • Diese Gegenwart hat etwas Bedrohliches. Ich kann Gott nicht ausweichen oder zumindest nur um den Preis, dass ich systematisch Wirklichkeit des Menschen ausklammere und diffamiere.
    Die Gegenwart ist aber zugleich etwas überwältigend Positives: Nirgendwo ist menschliches Leben auf sich allein gestellt. Ob in der Unterdrückung des Volkes in Ägypten, ob in der Einsamkeit auf dem Berg Horeb, ob in den Suchbewegungen meines eigenen Lebens. Gott ist da, Gott ist in sich Zukunft, die gestaltet werden will. Diese Gegenwart ist eine Zukunft, die nicht verbraucht ist, noch bevor sie angefangen hat. In der Litanei von der Gegenwart Gottes (Gotteslob Nr. 764) haben wir das Ringen um diese Zukunft in all ihrer Dramatik durchdekliniert. Die Schlussfrage hies "Könntest du jemals Vertrauen enttäuschen?". Gottes Antwort heißt: Ich bin der "Ich-bin-da".