Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr C 2010 (1. Korintherbrief)

Zurück zur Übersicht von: 3. Fastensonntag (C)

7. März 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Jetzt Handeln

  • Im Anfang ist es das "Ich war es nicht" des Adam. Von dort her ist es immer wieder der Versuch, sich heraus zu reden, es auf andere abzuschieben oder wegzuerklären. Schuld sind die anderen. Und wenn ich doch selbst schuld bin, dann verweise ich auf andere, die sicher noch mehr als ich falsch gemacht hätten.
  • Dieses Ausweichen ist letztlich tödlich. Es verschließt in mir die Quelle des Lebens und lässt keinen Neuanfang zu. Weil ich Angst vor dem Neuanfang habe, bleibe ich lieber bei den lebensfeindlichen Gewohnheiten und verharmlose. Weil ich Angst davor habe, dass Schuld benannt wird, ersticke ich an dem Schweigen, das sich breit macht. Weil andere unter den Strukturen leiden, an denen ich nicht rütteln will, zerfrisst das Gift die Seelen.
  • Deswegen ruft Jesus zur Umkehr auf. Mit allen ihm zu Verfügung stehenden Bildern versucht Jesus seinen Jüngern deutlich zu machen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist umzukehren. "Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt", ist keine Drohung, sondern will zur Umkehr befreien. Jesus will die Chance deutlich machen: Der Feigenbaum hat jetzt seine Chance Früchte zu tragen.

2. Verhinderungsstrategien

  • Die Ausgangslage im Evangelium mag uns fremd erscheinen. Sie beruht auf dem Gedanken: Wer ein Unglück erlebt, sei selbst dran schuld. Wer sich gut benimmt, dem geschehe nichts. Jesus bezieht zu dieser Regel ("Tun-Ergehens-Zusammenhang") gar nicht Stellung, sondern dreht den Spieß rum: Wenn das so stimmen würde, dann ist das ein doppelter Grund, sich jetzt zu bekehren: "Meint ihr, dass nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt."
  • Wenn wir von anderen hören, dass sie schuldig geworden sind: 'Meint ihr, dass nur jene Sünder sind?'. Wir vergleichen uns gerne mit anderen. Und gerne suchen wir Vergleiche, in denen wir besser da stehen. Das beruhigt fatal. Denn damit bringen wir uns um die Chance zu entdecken, dass wir selbst anders können, besser können. Vielleicht werden deswegen in der Presse monströse Verbrechen so gerne gelesen, weil die eigenen Sünden dagegen so harmlos wirken.
  • Im Korintherbrief legt Paulus die Bibel konsequent aus: Alles, was wir dort finden ist aufgeschrieben zu unserem Heil. "Das aber geschah als warnendes Beispiel für uns: damit wir uns nicht von der Gier nach dem Bösen beherrschen lassen." Im Blick auf die Israeliten, die dem Mose nachfolgten ("auf ihn getauft" ist hier nicht im Sinne der christlichen Taufe verstanden) durch das Meer hindurch und unter der Wolke durch die Wüste, warnt Paulus davor, sich über die Vorfahren zu erheben. "Uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben". In der Erinnerung liegt die Chance zur eigenen Umkehr.

3. Im Glauben

  • All das könnte in jedem beliebigen Ratgeber stehen. Spezifisch christlich ist es noch nicht. Wobei das kein Einwand sein soll. Vieles von dem, was in der Bibel steht, findet sich auch andernorts in der Weisheit der Menschen.
  • Und doch gibt es in den heutigen Lesungen einige Punkte, die mir erst im Glauben aufgehen.
    • Erstens: Gott ist größer. Erst wenn ich begreife, wie sehr Gott größer ist als meine Welt und meine Vorstellungen, fallen all die Vergleiche mit anderen in sich zusammen. So lange ich mich nur an anderen Menschen messe, bleibt alles leicht folgenlos und wird als allzu menschlich abgetan. Erst in der Perspektive der Barmherzigkeit Gottes wird meine Unbarmherzigkeit offenbar.
    • Zweitens: Die Zeit ist knapp. Das ist der Punkt Jesu im Evangelium. Vor den Zeitläufen nach menschlichem Ermessen schieben wir das nötige Umdenken immer wieder auf. Das Gericht Gottes aber steht unmittelbar vor der Tür. Das wurde immer wieder als Zeitansage missverstanden. Es wird darin aber vielmehr deutlich, dass jeder Moment meines Lebens unmittelbar zur Ewigkeit ist. Jetzt entscheidet sich die Ewigkeit, nicht irgendwann. Auch wenn im Gleichnis vom Feigenbaum die Frist noch ein Jahr hinausgeschoben wird, drängt die Zeit. Jetzt ist die Chance anzufangen und mein Leben so umzubauen: Wir können jetzt "den Boden um den Feigenbaum herum aufgraben und düngen", damit er im kommenden Jahr wieder Früchte trägt.
    • Drittens: Gott ist da. Als erste Lesung wurde heute vor alles andere dir Ur-Erfahrung der Bibel gestellt. Gott offenbart dem Mose seinen Namen, als dieser meinte, in seinem Leben würde nichts Entscheidendes mehr geschehen. Gott spricht zu ihm: "Ich bin der 'Ich-bin-da'". "In allen Generationen" ist die Erfahrung des Glaubens die, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, wenn wir das Wagnis unternehmen, unser Leben zu verändern.
  • In der Mitte der Fastenzeit steht so noch einmal eindringlich der Ruf zur Umkehr. Zugleich hören wir die Ermutigung. Das selbe geschieht in unserem Gottesdienst. Wir bekennen unsere Sünden. "Herr, ich bin nicht würdig". Zugleich aber dürfen wir erfahren, dass Gott einkehrt unter unser Dach, ja, dass er sich selbst schenkt. Der Leib Christi, den wir empfangen, ist Nahrung und Stärkung. Wir haben einen "lebensspendenden Felsen", der mit uns zieht: Verlässlich wie ein Felsen, lebensspenden wie eine Wasserquelle. Amen.