Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2002 (Lukas)

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14. April 2002 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt/Main

1. Absetzbewegung

  • Zwei Jünger haben sich abgesetzt von den Aposteln in Jerusalem. Nicht am Karfreitag, in der Stunde der größten Verzweiflung, sondern in der Aufregung des Ostertages. Sie haben sich abgesetzt von den 11 Aposteln und den anderen Jüngerinnen und Jüngern und sind unterwegs in ein Dorf 11 Kilometer entfernt von Jerusalem. Sie gehen ihren eigenen Weg.
  • Es hat einen guten Grund, dass wir dieses Evangelium heute, zwei Wochen nach Ostern, noch einmal hören. Der Bericht von den Emmausjüngern ist keineswegs eine Anekdote, die Lukas einfach so aufgeschrieben hätte. Die Erfahrungen des Kleopas und seines unbekannten Freundes wurde von der jungen Kirche im Evangelium festgehalten, weil sich in der Geschichte dieser beiden exemplarisch zeigen lässt, wie christlicher Glauben möglich ist. Nach Ostern.
  • Für alle, die den christlichen Glauben - nicht ohne Grund! - am Besten unter den Fittichen der Apostel und der Bischöfe als ihrer Nachfolger aufgehoben sehen, werden Schwierigkeiten haben, sich diesem Evangelium zu stellen. Denn noch einmal: Die beiden jungen Männer setzen sich ab von den Aposteln und der Gemeinde in Jerusalem. Sie tun dies nicht als Flucht und Angst am Karfreitag, sondern weil sie am Ostertag eine Apostelschar in Verwirrung und Kleinglauben erlebt haben, eine Kirche, die nicht weiß, was sie glauben soll.

2. Erfahrung

  • Zwei Jünger sind unterwegs. Dass sie sich von den Aposteln abgesetzt haben, ändert nichts daran, dass sie Jünger sind: denn Jesus und sein Evangelium bewegt sie. Sie reden miteinander über Nichts anderes. Sie können darüber reden, was Ihnen für ihr Leben wichtig ist - und was ihnen genommen ist.
  • Die Erfahrung der beiden Jünger ist keineswegs, dass sie auf einmal Jesus gesehen hätten. Im Gegenteil, erst später ist ihnen klar geworden, dass in dem Fremden, der sich ihnen angeschlossen hatte, Christus selbst ihnen nahe gekommen ist.
    Wenn ich gefragt würde, ob ich Christus schon einmal begegnet bin, könnte ich auch nur mit einem "Nein" antworten. Es scheint es zu geben, dass mystisch begnadete Menschen so etwas wie Christus-Begegnungen haben. Manche reden davon, aber ich misstraue dem leicht.
    Die beiden Jünger haben mit einem Fremden gesprochen. Es heißt ausdrücklich, dass ihre Augen mit Blindheit geschlagen waren, dass sie Jesus nicht erkannten. Dass aber genau ist eine ganz normale Situation: Dass ich nicht überall Jesus identifiziere, sondern die Menschen, die mir begegne ernst nehme, wie sie mir begegnen. Vor allem das eine: Dass ich für die Frage, was ich hoffen, was ich lieben, was ich glauben kann auf andere höre. Es könnte sein, dass dabei unser Herz anfängt zu brennen, wenn wir merken, dass uns andere etwas Wertvolles vom Leben sagen können.
    Als es Abend wird, laden die beiden den Fremden von unterwegs ein, mit ihnen in das Gasthaus zu gehen. Dort, so heißt es, "als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen." Diese Schilderung nun ist eindeutig der Verweis auf die Erfahrung der Feier des Abendmahls. Denn dies ist genau die Formulierung, die das Evangelium auch für den Einsetzungsbericht verwendet.
    Hier, bei der Feier des Abendmahls, hier, in unserer Messe ist für jeden einzelnen Christen der Ort, das eigene Leben zu deuten und in den Fremden, die ein Stück dieses Weges mit mir gegangen sind, Gottes Gegenwart zu erfahren.
  • Das Evangelium ist also eine Einladung zur Mündigkeit im Glauben. Es ist die Aufforderung die Menschen ernst zu nehmen, die mich - vielleicht ganz zufällig - für ein Stück auf meinem Lebensweg begleiten. Es könnte sein, dass das Gesprächsthema dabei nicht - wie bei den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus - die Deutung der Heiligen Schrift ist. Zumeist reden wir nicht über den Glauben. Das Thema ist zu unanständig (entsprechend gültigem Moralkodex). Dennoch, so meine feste Überzeugung, kann ich Christus dort begegnen, wo ich andere ernst nehme und höre, was sie mir sagen.

3. Vergewisserung

  • Damit stellt sich aber die Frage, was das Kriterium dafür ist, dass ich nicht schlichten Unsinn in meine Erfahrung hineindeute. Woran merke ich, wenn ich zwar meine Gott zu begegnen, aber doch nur meinem eigenem Theoriegespinst nachhänge?
  • Die Erzählung von den Emmausjüngern endet damit, dass die beiden zurück gehen nach Jerusalem. Sie vergleichen ihre Erfahrung dort mit der Erfahrung des Petrus und der Apostel. Deren Erfahrung ist sehr verschieden, aber sie lässt sich vergleichen. Die Erfahrung der anderen gibt die Möglichkeit, meine Erfahrung kritisch zu sichten.
    Die Sprache der Apostel stammt aus einer anderen Zeit. Die Bilder und Theorien, wie die Tradition der Kirche über den Glauben an Jesus Christus spricht, ist nicht aus unserem Alltag genommen. Eben diese Tradition wird aber zur Vergewisserung darüber, ob ich mit der Deutung meiner Erfahrung und in meinem Nachdenken über Gott ganz in mir gefangen bin. Die Tradition in ihrer Fremdheit ist für mich die Chance, meine Erfahrung auf den Prüfstand zu stellen, ob ich Gott für mich privat definiert und gepachtet habe oder nicht.
  • Das Osterevangelium von den Emmausjüngern fordert auf zum Aufbruch, weg aus der Enge, die die Emmausjünger bei den Aposteln erlebt haben. Das Evangelium zeigt exemplarisch, wie Glaubenserfahrung gemacht werden kann. Es fordert dazu auf, diesen Glauben kritisch an dem zu prüfen, was Gott über die Zeiten hinweg der Gemeinschaft der Kirche an Erfahrung geschenkt hat. Und dieses Evangelium lädt ein das zu tun, was wir heute tun: Mit Christus das Brot zu brechen, damit uns die Augen aufgehen.