Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2006 (Lukas)
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30. April 2006 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Unbeholfen
- Die Osterberichte der Evangelien wirken unbeholfen. Das sei nicht respektlos
gemeint. Wer sich in die Texte der vier Evangelien vertieft, merkt schnell,
dass hier um jedes Wort gerungen wurde. Die Formulierung erfolgt in höchst
knapper und tiefsinniger Weise. Aber gerade deswegen macht sie die Unbeholfenheit
nur um so deutlicher. An Ostern erscheint der in der Welt, der sie doch überstiegen
hat. Höchste Transzendenz in der Immanenz. Das ganz Andere im ganz Vertrauten.
Greifbar und unnahbar, einfach und unergründlich.
- Was wir hören und lesen ist der notwendig unbeholfene Versuch, eine
Erfahrung zu schildern, die offensichtlich einzigartig war. Hätten die
Jünger einen Geist gesehen, es wäre furchteinflößend,
aber doch beherrschbar gewesen. Wäre Jesus einfach wieder - wie Lazarus
- putzlebendig aus dem Grab gestiegen und hätte weiter gelebt wie bisher,
es hätte den Jüngern vor Freude das Herz zerspringen lassen. Dieser
aber, der ihnen seine Hände und Füße zeigt, der vor ihren
Augen einen geratenen Fisch isst, bleibt völlig unbegreiflich, weil er
zugleich einer ganz anderen Wirklichkeit angehört, die alle Mauern sprengt.
Gottes Wirklichkeit wird für einige Zeit nach Ostern für die zu
Zeugen berufenen Jünger greifbares Geheimnis.
- Ostern kann nur erleben, wer sich darauf einlässt. Der Auferstandene
steht nicht herum wie ein Gegenstand, läuft nicht herum und ist identifizierbar
wie Herr Meier oder Frau Müller von nebenan. Zwei Jünger gehen einen
langen Weg mit ihm - brennenden Herzens - und lassen sich von ihm das Brot
brechen, bis ihnen das Herz (!) aufgeht. Elf Jünger finden ihn in ihrer
Mitte, aber sie erkennen ihn nicht.
2. Hoffend
- Wer versucht seine Hoffnung zu formulieren wirkt unbeholfen. Etappenziele
lassen sich klar benennen: diese Prüfung, dieser Abschluss, diese Reise,
dieser Job, dieses Projekt. Aber das ganz große Projekt, das das Leben
tragen soll, kann ich nur unbeholfen benennen. Es schwingt gleich die Angst
mit, lächerlich dabei zu wirken, wenn ich über "Glück",
"Erfüllung" oder wirkliche "Zufriedenheit" in mehr
sprechen soll als in diesen abstrakten Vokabeln.
- Die unbeholfene Hoffnung ist nahe an den unausgesprochenen Ängsten.
Wenn ich an die Hoffnung denke, wie es werden sollte, dann ist mir schnell
klar, dass dabei mancher Ballast über Bord gehen muss. Nirgends wird
das so deutlich wie in der Hoffnung auf geglückte Beziehung. Wird mich
die andere oder der andere ertragen können, wenn die schattige Rückseite
meiner strahlenden Oberfläche sich nicht mehr verbergen lässt?
- Am Anfang eines neuen Semesters stehen für die meisten Etappenziele
im Vordergrund. Darüber sollte sich niemand beschweren. Vielleicht lässt
sich nur so, Schritt für Schritt, etwas aufbauen. Und dennoch leuchtet
die Osterzeit auch den Hintergrund aus. In der völligen Verschiedenheit
von Gottes lebendiger Gegenwart an Ostern zu meiner Alltäglichkeit spüre
ich die Hoffnung, dass nicht nur der nächste Schritt gelingt und sinnvoll
ist, sondern auch das große Ganze meines Lebens.
3. Lebendig
- Eines machen die Osterberichte ganz klar. Die Erscheinungen des Auferstandenen
waren zeitlich begrenzt und deutlich anders, als andere Erscheinungen oder
Erfahrungen von Gottes Gegenwart. Wie das Zeichen des leeren Grabes hat Gott
am Anfang der Kirche Menschen Erfahrungen geschenkt, die sie weiter geben
sollten, weil darauf der neue Bund Gottes in Jesus Christus aufbaut. Das Besondere
dieser Erfahrung ist, dass Gott sich berühren lässt, körperlich
berühren.
- Uns ist die Leiblichkeit in der Eucharistie überliefert. In der Berührung
des Brotes werden wir darauf verwiesen, dass die Beziehung zu Gott nicht an
unserer Leiblichkeit vorbei geht. Ostern berührt unseren Leib, Fleisch
und Knochen. Ostern berührt unsere Biographie, Erlebnisse, Wachsen und
Verfallen, Freuden und Schmerzen. Hier und nicht in abgehobener Geistigkeit
findet Auferstehung statt. Jetzt, in diesem Leben und nicht als Anhängsel
nach dem biologischen Tod
- Die Jünger erkennen den Herrn, als er zu ihnen spricht. Maria Magdalena
erkennt ihn, als er ihren Namen nennt. Die um Simon Petrus versammelten Jünger
erkennen ihn, als er ihnen den Friedensgruß spricht und sie auf seine
sichtbaren Wunden verweist. Der Auferstandene ist nicht ein Gegenstand, sondern
ein Gegenüber, nicht eine Theorie sondern Gottes sprechende Gegenwart.
Gott zeigt in ihm seine Verletzlichkeit, um uns in unserer Verletzlichkeit
zu begegnen. Unsere zerbrechlichen, gestammelten Hoffnungen ebenso wie die
Wunden die uns geschlagen wurden, will er ansprechen und berühren und
uns darin zum Leben führen. Zur Auferstehung. Amen.