Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C (Offenbarung)

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1. Mai 2021 - St. Peter, Sinzig

1. Schweigen

  • Kirche ist dort, wo Jesus Christus nicht verschwiegen wird. Das wäre eine mögliche Definition. Kirche so zu verstehen ist folgenreich. Denn wo Jesus Christus verschwiegen und sein Kreuz vertuscht wird, wäre dann nicht mehr Kirche im eigentlichen Sinn, sondern nur noch eine leere Hülle. Gebäude, Verwaltung, Ämter mögen weiterbestehen. Kirche ist es nicht mehr.
  • Vermutlich kennen die Meisten hier die Macht des Schweigens aus eigener Erfahrung. Über manche Sachen wird nicht gesprochen, damit sie vergessen werden. Oft genug weiß es dennoch jeder und das Schweigen lastet schwer. Der weiße Elefant steht in der Mitte des Raumes und niemand spricht es aus.
  • Dahinter stecken natürlich Interessen: Angst vor der Wahrheit, wackelige Positionen und schwindender Einfluss, gefährdetes Ansehen. Vielleicht ganz banal auch finanzielle Interessen. Das gilt besonders, wenn Unrecht weggeschwiegen und Gewalt geleugnet wird. Das gilt auch dort, wo Gott verschwiegen wird – oder die Ohnmacht Gottes, das Kreuz.

2. Verkünden

  • Das Buch der Offenbarung bricht das Schweigen: Jesus Christus offenbart sich dem Seher Johannes. Dieses letzte Buch unserer Bibel schildert, was er im Glauben erkennt: In immer neuen Visionen. In rätselhaften Bildern, die ihrerseits in anderen, älteren Schriften der Bibel wurzeln. In Andeutungen, die nur die Glaubenden verstehen. Fällt das Buch in die Hände von römischen Autoritäten, bleibt es ihnen verschlossen. Mit sieben Siegeln.
  • Nach der Überzeugung der Christen bleibt überhaupt der ganze Sinn der Weltgeschichte mit sieben Siegeln verschlossen, solange nicht "das Lamm, das geschlachtet wurde" die Siegel bricht und die Schriftrolle öffnet. Wir wissen: "das Lamm" ist Jesus, der Gesalbte Gottes, der Gottes Liebe in der Ohnmacht des Kreuzes offenbart hat. Das Lamm ist das große Gegenbild zu allen Machtstrukturen, wo immer sie nicht den Menschen dienen. Wenn wir Christen das verschweigen, verschweigen wir Gott.
  • Und nur aus dieser Perspektive ist unsere Weltgeschichte zu verstehen. Nur wer diese Liebe lebt – zumindest die Sehnsucht hat, sie zu leben – wird Gott in der Geschichte auch des eigenen Lebens finden. Wer nur sich selbst lebt, bleibt blind; wo immer wir beginnen, uns im Vertrauen auf Gott in der Liebe loszulassen, beginnt die Auferstehung.

3. Liturgie

  • Kirche ist dort, wo Jesus Christus nicht verschwiegen wird. Der christliche Gottesdienst ist im Kern, dass das Schweigen gebrochen wird. In der Sprache des Buches der Offenbarung geschieht das dadurch, dass wir auf Erden im Gottesdienst sprechen, singen und feiern, was die Engel im Himmel singen und feiern: "… ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron".
  • Die Astrophysiker stellen riesige Parabolantennen auf, um Signale aus dem Weltraum aufzufangen. Christen kommen am Sonntag zum Gottesdient zusammen, um die Melodie aus einer noch anderen Welt, der Gegenwart Gottes, aufzufangen. Alles andere, was ein Gottesdienst bewirken mag, kommt erst danach. Zuvor sprechen und singen wir davon, was dort, im Himmel, laut verkündet und besungen wird. Und das ist nicht belanglos: "Reichtum, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob" – damit werden auf Erden die Mächtigen verherrlicht. Die Engel aber singen: Allein das Lamm ist herrlich; der, der sein Leben aus Liebe hingab, der die Gewalt der Mächtigen ausgehalten hat, der an der Seite derer ist, die heute geschunden, vergewaltigt, missbraucht, kleingemacht werden. Wenn das Lied des Lammes gesungen wird, werden diese Menschen von Gott geehrt. Wo ihr Schicksal ausgeblendet wird, ist nur nicht Hülle, keine Kirche Gottes. Nicht nur die Fürsten und Bürokraten in der Kirche vergessen dies allzu leicht, auch die Gemeinden und Gruppen. Und für wen Christentum nur noch abstrakt ein tradierter Wertekanon ist, bleibt das vollends verschlossen.
  • "Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was in der Welt ist, hörte ich sprechen: Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit."
    Dazu unser "Amen" zu sprechen, sind wir Kirche. Diese Wirklichkeit Gottes in unserer Welt laut zu singen und zu verkünden ist unser Echo auf den Lobgesang der Engel. Amen.