Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Matthäus)

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26. Januar 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Kampagnen-Claim

  • Die Werbebranche nennt so etwas einen Kampagnen-Claim. Ein kurzer, knapper Satz, in dem zusammengefasst wird, worum es in der Werbekampagne geht. Der Claim, mit dem das Evangelium Jesus vorstellt heißt: "Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe."
  • Der Claim ist nicht flach, wie wir es von manchen heutigen Kampagnen kennen. Allein schon die Ankündigung des nahen Königreiches Gottes ist ein Paukenschlag. Denn es gibt einen regierenden König, den römischen Kaiser. Dieser hat nicht vor zugunsten eines Himmelskönigs abzudanken, der im abgelegenen Winkel einer abgelegenen Provinz von einem auf Prophet umgeschulten Bauschreiner ausgerufen wird, ganz wie damals die Boten durchs Land zogen, wenn ein Herrscherwechsel stattgefunden hatte und der neue Herrscher verkündet wurde. Der Fachausdruck für diese Verkündigung eines neuen Herrschers war damals übrigens euangelion. Und der Claim fordert die Menschen dazu auf, sich innerlich neu auszurichten - "Kehrt um!" -, da der neue Herrscher nahe ist. Man möge sich schon mal auf den Regierungswechsel einstellen.
  • Das geht ganz einfach. In bewegteren christlichen Kreisen macht man das so, dass der einzelne Jesus als seinen Herrn bekennt. Sie haben dann Jesus als ihren persönlichen Erlöser angenommen. Wenn ich das so probiere, komme ich mir etwas wie der rothaarige, etwas unbeholfene Freund von Harry Potter vor. Er heißt in den Romanen Ron Weasley und tut sich etwas schwer mit der Zauberei. Ich sehe ihn, wie er vor einem bösen Drachen steht und nach Lehrbuch den Zauberspruch sagt: 'Jesus accipio sicut mihi Salvatorem' - und nichts passiert. Im Roman käme jetzt Hermine und würde den Spruch richtig aufsagen und der Drache würde pulverisiert. Aber im richtigen Leben reicht es nicht, öffentlich und feierlich Jesus als Erlöser zu bekennen. Der Weg der Umkehr ist - zum Glück oder leider? - etwas komplizierter.

2. Vom Rande in die Mitte

  • "Kehrt um!" heißt es auf deutsch. Und doch ist klar, dass ein innerlicher Vorgang gemeint ist. Wenn Luther "Tut Buße!" übersetzt, hat er über das Ziel hinaus geschossen. "Ändert eure Einstellung!", ist zwar als Claim nicht mehr so griffig, trifft aber das von Jesus gemeinte. jedoch, gerade weil aber eine innere Einstellung gemeint ist, lohnt es sich auf das Äußere zu schauen. Innere Einstellungen und Gesinnungen ändern sich weniger dadurch, dass ich beschließe, innerlich jetzt anderes eingestellt zu sein. Ein öffentliches Bekenntnis kann hilfreich sein (wenn es nicht als harrypotterale Zauberformel missverstanden wird). Am meisten aber verändert sich die innere Einstellung durch eine geänderte Praxis. Hier gilt: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Daher der Blick auf die Äußerlichkeiten.
  • Als Erstes fällt auf, dass ein Ortswechsel berichtet wird. Von Judäa nach Galiläa, von Nazareth nach Kafarnaum. Jesus startet seine Kampagne also einerseits vom Rande her und stößt von dort später ins Zentrum. Und andererseits startet er ohne nazarenischen Heimvorteil. Das erst befähigt ihn zu seiner Umkehrkampagne.
  • Wenn wir nicht bereit und in der Lage sind, in den äußeren Umständen etwas zu ändern, werden wir auch keinen entscheidenden Schritt im Glauben machen. Bewusst wählt Jesus daher einen Ort, wo für ihn nicht alles so läuft, wie es immer schon war. Und dass er im "heidnischen Galiläa" beginnt, macht deutlich, dass dort ein Neuanfang eher möglich ist, wo man nicht in der unerschütterlichen Überzeugung lebt, ohnehin schon alles zu wissen. Den Glauben kann ich nur dann neu lernen, wenn ich gewohntes Territorium verlasse, im wörtlichen oder übertragenen Sinn. So wichtig die Gemeinschaft im Glauben ist. Mein Glaube wird dann erst dort zur Umkehr, wo ich mich nicht zu sehr auf seinen 'Besitz' verlasse.

3. Raus aus den Booten

  • Dazu kommen exemplarisch die beiden Brüderpaare der ersten Jünger. Zu Petrus und Andreas sagt Jesus: "Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen." Jesus sieht also bei den beiden Fähigkeiten, die bislang niemand, auch die beiden nicht, geahnt haben. Umkehr bedeutet also nicht nur Abkehr von Altem, sondern vor allem Aufbruch zu Neuem. Damit das aber nicht zur Allerweltsweisheit wird, sollte man darauf achten, dass dieser Aufbruch hier eindeutig als Nachfolge gemeint ist. Andreas und Petrus werden nicht zu neuer Selbstverwirklichung gerufen, sondern lassen sich in Dienst nehmen - und wachsen dabei über sich hinaus.
  • Das andere Brüderpaar, Jakobus und Johannes, wird auch in wenigen Worten vorgestellt. Umso auffälliger ist, dass bei den wenigen Worten vier Mal ein anderer genannt wird: Zebedäus, ihr Vater (je zwei mal das Wort Vater und der Name Zebedäus). Offenbar hatte Zebedäus seine Söhne gut im Griff. Sie arbeiten im väterlichen Familienbetrieb. Der Vater bestimmt ihr Leben. Wenn es im Evangelium daher heißt: "und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesu", können wir uns unschwer vorstellen, dass der Vater unfroh war, sein Fischereipersonal zu verlieren, und umgekehrt, dass die Söhne genau deswegen "sogleich" mitgekommen sind. Für sie ist die anbrechende Königherrschaft der Himmel gleichbedeutend mit der Befreiung aus der Herrschaft ihres Vaters.
    Das dürfte das schwierigste Kapitel bei dem "Kehrt um!" gerufenen Wechsel der inneren Einstellung sein. Denn ich kann mich nicht auf Jesus als meinen Erlöser einstellen, ohne die bisherigen Erlöser in Frage zu stellen. Das wird für viele - sehr viele! - bedeuten, sich zumindest innerlich mehr von ihren Vätern zu lösen. Das wird aber of auch die Bindung an wirtschaftliche Zusammenhänge betreffen - unseren jeweiligen Fischereibetrieb.
  • Aus all dem wird deutlich: Umkehr ist möglich, aber sie ist unter Umständen ein langer Prozess. Letztlich ist es der Prozess meines Lebens, in dem ich mich herausrufen lasse, nicht aufhöre neu vom Rand her zu denken, mich von sicher geglaubten Sicherheiten löse und mich auf das Wagnis einlasse, dass mich einer auffordert: Kehr um, denn das Himmelreich ist nahe! Amen.