Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr C 2016 (Lukas)

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24. Januar 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Drei Wege

  • Beispiel 1: Der Rechtsanwalt meines Vertrauens meinte: "Apple ist böse". Ob er dafür Beweise habe? Meint er: "Das steht sicher fest". Nun, so lange solche moralische Gewissheit nicht im Umkehrschluss sagen will, Windows sei mehr als das geringere Übel, werden der Aussage vermutlich sogar viele zustimmen. Aber bekanntlich gibt es andererseits mutmaßlich vernunftbegabte Menschen, die Apple vorziehen.
    Wie dem auch sei, dieses Beispiel zeigt schon für Alltagsfragen: Unter dem Druck, sich zu entscheiden, muss man irgendwie hinreichende Gewissheit für das eine oder andere entwickeln, denn ohne Computer geht es halt nicht. Ob man zur Abstützung der eigenen Gewissheit dabei die anderen für "böse" erklärt, oder sich so lange nicht für das andere Betriebssystem interessiert, wie das eigene noch irgendwie funktioniert, macht einen so großen Unterschied nicht.
  • Beispiel 2: "Papa beweise mir, dass du mich lieb hast". Wenn Ihr Sprössling mit diesem Ansinnen daher kommt, geht es mit ziemlicher Sicherheit um die Anschaffung von teurer Elektronik, Spielzeug oder dergleichen. Dass damit Liebe zu beweisen wäre, denkt vielleicht noch nicht einmal der Sprössling.
    Denn für Liebe kann es den einen logisch zwingenden Beweis nicht geben. Auch der Sprössling muss dann gegebenfalls erst lernen, ohne solche Beweise auszukommen. Die Zuverlässigkeit der Liebe zeigt sich in vielen, in die selbe Richtung laufenden Linien, nicht in dem einen, großen Beweis.
  • Beispiel 3: Der Evangelist Lukas widmet seine Schrift, das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte, einem gewissen Theophilus, und schreibt ihm, er habe es unternommen "allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest."
    Hier ist also die Möglichkeit, die "Zuverlässigkeit der Lehre" zu prüfen, nicht davon abhängig, dass Lukas Augenzeuge gewesen wäre, noch dass er Wunder unwiderlegbar beweist, sondern indem er aus anderen Quellen das der Reihe nach aufschreibt, was mit dem von Theophilus in der Gemeinde Gelernten übereinstimmt. Als er Christ wurde, wurde er in der Gemeinschaft der Kirche in den Glauben eingeführt, bei Freunden, Fremden, bei Familienangehörigen und Paten. Jetzt soll er das mit den von Lukas zusammen getragenen Quellen vergleichen, um die "Zuverlässigkeit" prüfen zu können.

2. Glaubensbeweise

  • Das erste Beispiel (Apple oder Windows) illustriert, wie vielleicht die meisten mit dem Glauben umgehen. Sie nehmen ihn als mehr oder weniger gegeben wie ein Computer-Betriebssystem. Solang man damit einigermaßen zurecht kommt, besteht kein Bedarf, sich für die anderen zu interessieren. Man erklärt die andere Firma für böse (oder wenigstens noch viel schlimmer als die eigene), oder man fragt einfach gar nicht. Hauptsache mein System funktioniert irgendwie. Wird man selbst gefragt, geht man achselzuckend dem aus dem Weg: Ich war immer schon katholisch, die anderen sind auch nicht besser und irgendwie komme ich damit zurecht. (Im übrigen scheint in Sachen Religion zu gelten: Kein Betriebssystem ist auch eines.)
  • Das zweite Beispiel ("Papa, hast du mich lieb") kommt auch vor. Menschen wollen einen Beweis, dass es Gott gibt. Sie wissen, was sie von ihm wollen, und sind irgendwie beleidigt, wenn Gott es ihnen nicht gibt. Oder sie rennen von Gemeinde zu Kirche, von Wallfahrtsort zu Wunderstätte, denn irgendwo muss doch dieser Beweis sein. Sie lernen nicht die Sprache Gottes, der in vielen Linien spricht; sie beharren auf ihrer Forderung nach dem einen Beweis und werden darin notwendig frustriert.
  • Dem gegenüber ist der Anspruch des Lukasevangeliums herausfordernd. Er bietet dem, der als Christ bereits eigene Glaubenserfahrung gemacht hat an, eine innere Prüfung der Stimmigkeit zu machen. Die "Zuverlässigkeit der Lehre" wird nicht durch den einen finalen Beweis erwiesen, sondern dass dadurch, dass die Heilige Schrift, der in der Kirche gelebte Glaube und die eigene geistliche Erfahrung zusammen stimmen. Es sind viele Linien, die das Ganze ergeben.

3. Taufe

  • Wenn wir, was immer noch der Normalfall ist, Kinder taufen, dann sollten wir dafür Gründe haben: Eine Perspektive, dass dieses Kind einmal eine eigene Entscheidung zum Glauben wird fällen können. Das bedeutet, dass die Paten und Eltern zusammen mit dem Kind den Glauben so leben, dass eine eigene Stellungnahme des späteren Jugendlichen oder Erwachsenen möglich wird.
    Natürlich kann es sein, dass das Kind mit dem selben Betriebssystem gewohnheitsmäßig weiter macht, wenn es damit groß geworden ist. Aber mehr ist dann eben auch nicht. Irgendwann hat der Glaube dann seine Kraft verloren und ist verdunstet.
  • Die Bibel jedoch geht immer davon aus, dass der Glaube nur aktiv gelebt werden kann. Neben den vielen Beziehungen, in die ein Mensch hinein geführt wird, ist der Glaube die eine Beziehung, die sich von allen unterscheidet; er ist die eigene, persönliche, vertrauende Beziehung zu dem, der mich geschaffen hat.
    "Die Lehre" handelt dabei von der Geschichte, die Gott mit den Menschen vor und außer mir hatte. Durch die der systematische Glaubenslehre - die Dogmatik, das Glaubensbekenntnis - zusammen mit dem Glaubensgedächtnis der Bibel haben wir die Möglichkeit, unsere eigene Erfahrung zu vergleichen, ihr eine Sprache zu geben, sie weiter zu entwickeln und dadurch das eigene nicht absolut zu setzen. Deswegen auch ist es so wichtig, dass in der Bibel das Scheitern und das Ringen um Vertrauen einen so breiten Raum einnimmt. Sonst würden wieder nur Menschen sich absolut setzen.
  • Wir feiern diesen Gottesdienst als Gemeinschaft. Jeder von uns ist unterwegs, absolut jeder. Wir feiern diesen Gottesdienst im Vertrauen, dass Gott gegenwärtig ist: nicht nur im Wort der Bibel, nicht nur im Heiligen Sakrament, sondern auch in den vielen Linien, die wir im eigenen Leben und dem der Menschen um uns herum sehen, und die uns die Gewissheit geben, die wir brauchen, um diesem Gott zu vertrauen. Amen.