Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Hinführung zu den biblischen Lesungen am 3. Sonntag im Lesejahr C 2022

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23. Januar 2022 - St. Peter, Sinzig

1.       Das Volk Gottes entdeckt die Bibel

  • An diesem Sonntag liegt es nahe, keine Predigt nach den Lesungen zu halten, sondern ein wenig zu spoilern und vorab etwas zu sagen, denn es sind drei wunderbare, große biblische Lesungen aus dem Buch Nehemia im Alten Testament sowie aus einem Paulusbrief und dem Lukasevangelium im Neuen. Doch die aktuellste Lesung ist überraschend die aus dem Alten Testament.
  • Im Buch Nehemia wird eine Versammlung des Volkes Gottes – also eine Kirchenversammlung – nach dem Kollaps des Systems geschildert. Das auf der Macht des Königtums gebaute alte System war gescheitert: äußerlich an der Übermacht der Babylonier, aber innerlich an sich selbst. Ein Gottesvolk, das auf die eigenen Machtstrukturen und Hierarchien setzt, statt auf Gott und seiner Gerechtigkeit, hat die Legitimation verloren. Ein System das den eigenen Erhalt über die Sorge für die Witwen und Waisen setzt, hat auf Gott vergessen. Erst die Verschleppung der Jerusalemer Elite in das Exil in Babylon, erst die eigene Machtlosigkeit hatte damals Israel zur Einsicht geführt. Wie man aktuell sieht, ist die kirchliche Führungselite noch nicht so weit.
  • Hören Sie also eine Lesung, in der sozusagen die erste Versammlung nach der Rückkehr und dem Wiederaufbau geschildert wird. Im Zentrum steht jetzt nicht mehr der König, sondern das wiederentdeckte Wort Gottes der Heiligen Schrift. Die Menschen tauchen – viele erstmals – in die Welt der Bibel ein, lassen sich die Passagen erklären, fragen nach, diskutieren und hören mit neuem Sinn, was da geschrieben steht. Erschütterung und Freude kommen hier zusammen. Achten Sie auch darauf, dass dieses Fest nicht ohne die Armen möglich ist: „Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben!“ heißt es ausdrücklich.
  • Der Psalm 19, der nun folgt, singt von dieser Freude über Gottes Wort!

2.        Ihr seid das Gottesvolk und der Leib Christi

  • Es folgt das nächste Stück aus dem Brief, den Paulus an die Christen in Korinth schreibt; einige Abschnitte aus diesem Brief werden seit letztem Sonntag als Lesung vorgetragen.
  • Achten Sie beim Hören des heutigen Abschnittes darauf, dass für Paulus Christwerden nicht nach dem Modell läuft: Da gibt es eine Kirche und durch die Taufe tritt jemand ein – ohne dass sich die Kirche dadurch verändert. Vielmehr ist die Kirche zu jedem Augenblick nur zu verstehen als die Versammlung, die Gott – sozusagen in diesem Augenblick – zusammenführt.
  • Wenn also Paulus schreibt, wie die Kirche aus vielen Gliedern besteht, die Gott zusammengefügt hat, dann schauen Sie sich heimlich um: Diese Kirche ist hier, die Versammlung der Heiligen von Sinzig. Luther übersetzt das sehr wortgenau: „Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft“. Das ist wörtlich und treffender als unsere Übersetzung: „in einen einzigen Leib aufgenommen“. Ihr seid dieser Leib. Das steht da ausdrücklich: „Ihr seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm!“

3.       Vom Evangelium überzeugen

  • Die Leseordnung hat für heute die allerersten Verse im Lukasevangelium mit dem öffentlichen Auftritt Jesu in Nazareth kombiniert – dazwischen liegen die Kapitel mit den Kindheitserzählungen und der Taufe im Jordan. Die Auswahl ist interessant, gerade mit den beiden Lesungen davor. Hatten wir in Nehemia von der Freude dieser Glaubensversammlung beim Neuanfang nach dem machtpolitischen Destaster gehört; hatten wir bei Paulus gehört, dass diese Versammlung, die Kirche, nicht ein fertiger Verein ist, in den man eintritt, sondern Christus immer neu gegenwärtig wird, wo Glaubende als Glieder am seinem Leib zusammen eine Kirche bilden – so geht es jetzt um die Glaubwürdigkeit des Ganzen.
  • So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest“, schreibt Lukas an einen gewissen Theophilus. Ob damit ein bestimmter Mensch gemeint ist, dem er seine Schrift gewidmet hat? Kann sein. Es kann aber auch sein, dass mit Theophilus jeder gemeint ist, der dieses Evangelium liest oder hört – denn der griechische Name entspricht dem deutschen Namen „Gottlieb“.   Wenn du ein Mensch bist, ein Mann oder eine Frau, ein Kind oder ein Jugendlicher, die oder der Gott liebt, dann kannst Du Dich anhand des Lukasevangeliums „von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen“.
  • Wie machst Du das, der Du Gott liebst? Indem Du liest, wofür Jesus steht. Gott, der Vater hat ihn „gesandt, damit er den Armen eine frohe Botschaft bringt; damit er den Gefangenen die Entlassung verkündet und den Blinden das Augenlicht; damit er die Zerschlagenen in Freiheit setzt und ein Gnadenjahr des Herrn ausruft.“ Das ist zuverlässig Gottes Handschrift, die Du wiedererkennst, wenn Du mit Gott vertraut bist. Vor allem aber kannst Du zuverlässig sehen, was das Evangelium in Dir bewirkt, wenn Du daraus lebst. Du wirst erleben, dass Kirche neu entsteht und verwandelt aus dem Wirken Gottes.