Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 30. Sonntag im Lesejahr A 2020 (Matthäus)

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25. Oktober 2020 - Petruskrankenhaus - Kapelle, Bonn

1. Das Wichtigste 

  • Gott und den Nächsten zu lieben ist das Wichtigste. Doch dies nicht in der Weise, wie wir Wichtigstes und weniger Wichtiges unterscheiden, um das erste zu nehmen und alles andere zurückzustellen. "Wir fahren übers Wochenende aufs Land. Packe nur das Wichtigste ein!" - und alles andere bliebe als unwichtig daheim.
  • Gott und den Nächsten lieben. Es sind nicht Prioritäten, hinter denen anderes zurück stehen müsste. Gott und den Nächsten zu lieben ist das Wichtigste, weil es eine Weise ist, alles zu leben und zu sein. Oder, andersherum gesagt, es könnte alles in meinem Leben so weitergehen, wenn diese Liebe fehlt, doch alles hätte eine grundlegend andere Qualität. 
  • Und, natürlich würde nicht alles so weitergehen, sondern ich würde alles verlieren, wenn ich das Wichtigste weglassen könnte, Gott und den Nächsten zu lieben. Es wäre – um ein anderes Bild Jesu zu nehmen, als fehle das Licht der Welt und das Salz in der Suppe dieser Erde.

2. Von beiden Seiten

  • In den Notizen zu den Geistlichen Übungen, den Exerzitien, betont Ignatius von Loyola, dass Lieben immer von beiden Seiten ist. Liebe wird geschenkt und Liebe wird empfangen. Wer nicht beides kann, kann keines von beiden. 
  • Deswegen kann man so weit gehen zu sagen, dass Gott unsere Liebe "braucht", dass Gott Sehnsucht hat nach der Liebe des Menschen. Um wie viel mehr gilt das für jeden Menschen. Ohne die Erfahrung, selbst geliebt zu sein, und die Fähigkeit, Liebe zu empfangen, kann niemand von uns Liebe schenken.
  • Mehr noch: Eine Liebe, die nur geben will, will nicht lieben, sondern herrschen - oder, milder gesagt, will kontrollieren. Alles unter Kontrolle halten zu müssen, hindert viele daran zu lieben - auch wenn sie selbst aufrichtig meinen, sie würden alles aus Liebe tun.

3. Von Angesicht zu Angesicht 

  • Die Liebe, die das wichtigste Gebot von allen ist, sieht zwar wie ein abstrakter, allgemeiner Satz aus, ist aber immer ganz konkret im Angesicht des anderen. Die erste Lesung dieses Sonntags aus dem Buch Exodus ist daher aus dem Teil genommen, in dem die Zehn Gebote auf das konkrete Verhalten gegenüber anderen Menschen ausbuchstabiert werden.
  • Die Liebe Gottes ist nicht wie eine Gießkanne der Gnade, mit der Gott seine Liebe über alle Welt ausgießt, sondern immer von Angesicht zu Angesicht – so hat uns Gott beim Namen genannt und gerufen. So wendet er sich uns zu.
  • Deswegen werden wir das, wovon Jesus und die Pharisäer sich – durchaus im Konsens! – im Evangelium unterhalten, letztlich nur begreifen, wenn ich das dort genannte „Wichtigste“ in all den Kleinigkeiten meines Alltags wichtig sein lasse. In der konkreten, nächsten Begegnung ist dies das wichtigste: Gottes Liebe und die zu der oder dem, die mir die Nächsten sind. Amen.