Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)
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29. Juni 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius,
1. Jeder hat sein Kreuz zu tragen
- Jeder hat sein Kreuz zu tragen. Die Redensart gibt es auch in der unbiblischen
Form, jeder habe sein Päckchen zu tragen. Die Verkleinerungsform macht
es gleich nicht mehr so schwer, das Päckchen. Aber beiden Fassungen ist
gemeinsam das 'jeder'.
- Das verschleiert, dass die Päckchen unterschiedlich groß sind.
Es gibt Menschen, die haben ganz andere Pakete zu schleppen als ich. Das braucht
gar keine beschreibende Erläuterung. Man müsste schon blind durch
die Welt laufen, mit dröhnendem i-Pod im Ohr und rosaroter Brille auf der
Nase, um das nicht zu sehen. Da ist es zumindest zynisch, wenn nicht unanständig
zu sagen, jeder habe doch sein Päckchen zu tragen. Manche haben eben doch
ein Kreuz auferlegt bekommen, das sie zu Boden drückt.
- Auch stört mich das Beschwichtigende der Redeweise. Denn zumindest klingt
es fatalistisch. Wenn jeder sein Kreuz zu tragen hat, dann sprechen wir nicht
nur das Recht ab, über das eigene Leid zu sprechen. Wir fordern indirekt dazu
auf, es halt hinzunehmen, als unwandelbares Schicksal. Das Kreuz 'hat man' zu
tragen, es liegt halt auf jedermanns Schulter.
2. Das Kreuz auf sich nehmen
- Das Original klingt denn auch ganz anders. Jesus spricht im Aktiv von dem,
der "sein Kreuz auf sicht nimmt". Ganz deutlich steht hier eine Entscheidung
an. Niemand zwingt uns das Kreuz, von dem hier die Rede ist, auf uns zu nehmen.
Wir können es auch liegen lassen.
- Das Kreuz als Hinrichtungsart war zur Zeit Jesu so verbreitet, dass seine
Zuhörer das Bild unmittelbar verstanden haben. Die Hinrichtung beginnt
mit einer Folter. Dem Verurteilten wird der Querbalken aufgebunden, den er den
Weg hinaus vor die Stadt zu schleppen hat, vorbei an den Schaulustigen und Spöttern.
Um diesen Weg geht es. Jesus sagt nicht, 'wer sich nicht kreuzigen lässt...'.
Vielmehr spricht er ganz ausdrücklich von dem Weg: "Und wer nicht sein
Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig."
- Der Weg ist also der Weg, den Jesus selber geht. Er hat es zunehmend gewusst,
dass es ihm bevorsteht. Nun spricht er zu denen, die er berufen hat, mit ihm
zu gehen: damals den Aposteln, aber mehr noch und über alle Zeiten hinweg
zu denen, die seiner Botschaft glauben, dass Gott findet, wer Jesus sucht. Hatten
die Alten gesagt, dass die Liebe zur Gerechtigkeit der Elternliebe und dem Vierten
Gebot vorangehe, so spricht Jesus von sich selbst. Er ist von Gott gekommen.
An ihm entscheidet sich das Gelingen und Misslingen. Das Kreuz nimmt auf sich,
wer ihm, dem Gottessohn auf Erden, nachfolgt. "Wisst ihr denn nicht, dass
wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft
worden sind?"
3. Das Kreuz finden
- Worin also besteht das Kreuz? Was ist mein Kreuz, das ich aufnehmen und tragen
soll, damit ich das Leben finde? Die Frage beantwortet sich, so denke ich, in
meiner Biographie erst dann, wenn ich mit der Nachfolge beginne. Wenn ich die
Arme weit öffne und nicht mehr um mich selber kreise, sondern Gottes Weg
zu den Menschen nachgehe, dann wird das Kreuz mich finden. Dann gilt wirklich,
dass jeder ein Kreuz zu tragen hat: Jeder, der Jesus nachfolgt.
- Das erste Kreuz ist, dass ich mir meine Freunde nicht beliebig aussuche und
auch nicht meine Feinde. Jesus hat mit allen geredet und zu allen gepredigt.
Aber er wusste, dass diejenigen, die an ihrer Machtposition und der diese Position
legitimierenden Ideologie kleben, er wusste, dass diejenigen, die an den gegenwärtigen
Zuständen zu gut verdienen, um etwas ändern zu wollen, dass diese
ihm nicht Freund sind. Seine Freunde waren auch nicht einfach die Anständigen
und Frommen. Es waren die Kleinen und Sünder. Wer anfängt, die Kleinen
in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu stellen, wird erfahren, dass er
selbst klein gemacht werden wird.
- Das zweite Kreuz aber ist noch mehr meines. Die Grenze zwischen dieser Welt,
die um sich selbst kreist, und dem Evangelium, das zu Gott hin befreit, läuft
mitten durch mein Herz. Ich kann nicht bequem auf andere zeigen. Zu oft mache
ich selbst Kompromisse mit der Wahrheit und Abstriche bei der Liebe, weil es
mir doch viel zu sehr um mich selber geht. Darin doch besteht das Heilsame und
Rettende des Kreuzes, dass ich, vielleicht zum ersten Mal, etwas auf mich nehme,
was in kein Wellness-Paket passt und nicht meinem Ego schmeichelt. Und doch
werde ich erst dann und dort das Glück erfahren, wirklich ganz ich selber
zu sein und ungeahnte Liebe zu erfahren und in mir zu entdecken, wenn ich dem
vertraue, der mich einlädt ihm nachzufolgen. Amen.