Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Fastensonntag Lesejahr A 2005

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6. März 2005 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Tauferneuerung

  • Wer von uns kann von sich sagen eine Bekehrung erlebt zu haben. Für die meisten ist der Weg des Glaubens ohne solche einschneidenden Erlebnisse gewesen. Die allermeisten wurden als Kinder getauft. Deswegen fällt es vielen schwer zu verstehen, worum es im heutigen Evangelium geht.
  • Die Lesungen der Fastenzeit laufen auf Ostern zu. Wir werden daran gewöhnt, längere Lesungen zu hören, als Vorbereitung auf die langen Passionsberichte an Palmsonntag und Karfreitag. Vor allem aber sind diese Lesungen ausgewählt im Hinblick auf diejenigen, die sich auf die Taufe in der Osternacht vorbereiten. Für sie ist es eine einmalige, herausgehobene Zeit. Für alle anderen ist es eine Zeit der Erinnerung - doch woran?
  • Das Johannesevangelium schildert eine einmalige Heilung. Genauer gesagt nimmt der Evangelist die Heilung eines Blindgeborenen durch Jesus zum Anlass, um in den lang ausgebauten Szenen und Dialogen mit dieser Heilung denen, die neu in die Kirche kommen, ihre Erfahrung im Leben Jesu zu spiegeln. Jede Taufvorbereitung in der Gemeinde ist für die schon Getauften aber auch eine Tauferneuerung.

2. Bekehrung

  • Bekehrung ist zuerst Erkenntnis. Christliche Erkenntnis aber ist nicht die Gnosis irgendwelcher Weltzusammenhänge und kann daher auch durch intensive Lektüre aus dem Bücherregal der Esoterikabteilung nicht gewonnen werden. Christliche Erkenntnis ist ein wachsendes Vertrautwerden mit Jesus Christus. Wie Paulus das durch den Hymnus im Epheserbrief ausdrückt: "Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden." Bekehrung ist ein Weg aus der Finsternis zum Licht - durch Christus.
  • Am Anfang steht das Wunder. Die Jünger sehen in dem Blindgeborenen nur ein theologisches Problem - hat seine Blindheit die Ursache in jemandes Sünde? Jesus jedoch sieht in dem Blindgeborenen den Menschen, der berufen ist, in der Gemeinschaft mit Gott zu leben. Zu dieser Gemeinschaft führt er ihn. Es beginnt mit der Berührung, körperlich betont durch den Speichel Jesu: damit salbt er die Augen des Blinden, wie die Taufbewerber mit Öl gesalbt werden. Von dort schickt ihn Jesus zum Teich Schiloach - das Wort "Schiloach" aber bedeutet "Gesandter" und verweist daher auf Christus, für den Getauften das Wasser des von Gott Gesandten.
  • Vom Erlebnis des Wunders ist es noch ein langer Weg zur Erkenntnis des Herrn. Bei der ersten Befragung durch die Nachbarn weiß der Mann nur zu sagen, dass einer Namens Jesus dies und jenes zu ihm gesagt hatte. Als er dann von den Pharisäern befragt wird, dämmert ihm bereits: Er ist ein Prophet. Nachdem seine Eltern sich vorsichtig aus der Affäre gezogen haben und die Pharisäer ihn mit neuem Nachdruck fragen, ist dem Mann deutlich, dass in Jesus Gott selbst am Wirken ist. Als ihn dann Jesus noch einmal anspricht, ihn fragt wie die Taufbewerber gefragt werden: "Glaubst du?", da erkennt und bekennt der Geheilte Jesus als den Menschensohn und Herrn.

3. Erneuerung

  • Unsere eigene Geschichte läuft zumeist anders als das "Muster" im Evangelium. Vermutlich ist die eigene Geschichte mit Gott sogar genau rückwärts gelesen. Im Memento unseres Glaubens kommt das letzte zu Anfang und das erste am Schluss. Der Geheilte im Evangelium erkennt am Schluss in Jesus, "den Herrn", vor dem er sich zu Boden wirft, zuvor, dass dieser einer "von Gott" ist, zuvor, dass er "ein Prophet" ist. Zu Beginn weiß er nur zu sagen: "Der Mann, der Jesus heißt", hat dieses und jenes gesagt und getan.
  • Die meisten Christen haben damit begonnen, Jesus als den Herrn zu verehren. Wir haben als Kinder schon unser Knie gebeugt vor dem Heiligen Gottes. Jesus ist uns vor aller Reflexion und Begrifflichkeit die Gegenwart des Heiligen gewesen. Dass zwischen Gott und Jesus eine Differenz ist, dass Jesus nicht einfachhin und ohne weiteres "Gott" ist, haben wir - wenn überhaupt - erst sehr viel später und manchmal schmerzvoll geahnt und wenn je begriffen, dass Gott sich seiner Gottheit entäußert, um sich in Jesus, dem Sohn, zu offenbaren.
  • Von hier war - oder ist - es noch ein weiter Weg zur Ursprungserfahrung des Geheilten. Lesen wir das Evangelium rückwärts ist zunächst die Erkenntnis, dass wir in Jesus einem Prophet begegnen. Denn in den Propheten wird Gottes Wort in der Geschichte bedeutsam, wird es ebenso politisch wie bedeutsam. Die eigentliche Ausgangserfahrung des Geheilten aber war, dass Jesus einer ist, der ihm ganz persönlich, als Mensch unter Menschen, begegnet ist und ihn geheilt hat. Am Anfang stand das Wunder, das Jesus an ihm getan hat. Wer von uns hat das am eigenen Leibe erfahren: Das Wunder, dass dieser Jesus uns in unserem eigenen Leben berührt hat, mich selbst sehend gemacht hat, mich auf den Weg der Konflikte mit meiner eigenen Familie und mit den selbstverständlichen Autoritäten geschickt hat? Das Wunder erst, der Durchbruch durch die Gesetzmäßigkeit des Selbstverständlichen, ist der Weg in das, was im vollen Sinn Glaube genannt werden kann. Amen.