Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Fastensonntag Lesejahr A 2017

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26. März 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Bittgebet

  • Beten ist für viele Christen vor allem: Gott um etwas zu bitten. Jesus selbst ermutigt dazu. Das Bittgebet macht deutlich: Wir erwarten und erhoffen etwas von Gott. Wir gehen davon aus, dass Gott auf uns hört.
  • Allerdings: Was wäre das für eine Beziehung, wenn Partner nur dann miteinander sprechen, wenn sie vom anderen etwas haben wollen. Bestenfalls käme noch ein mehr oder weniger herzliches 'Danke' nach. Aber ansonsten sähen die zwei keinen Grund, miteinander zu sprechen. So offensichtlich das bei zwei Menschen unsinnig, ja in einer Freundschaft oder Liebe widersinnig wäre, so wenig wird die Beziehung zu Gott lebendig sein, wenn das Beten sich auf das Bittgebet beschränkt.
  • Hinzu kommt ein zweites: Für viele Christen verliert das Bittgebet auch dort nicht seine Bedeutung und seinen Wert, wo ich davon ausgehe, dass Gott weiß, was gut ist für mich, oder wo ich die Erfahrung mache, dass die Bitte des Gebets nicht erhört wird. Dennoch ist es ein wertvolles Gebet, Gott meine Sehnsucht und meine Hoffnung anzuvertrauen - und dann im Gebet hinzuzufügen: 'doch dein Wille geschehe' (wie es ja auch im Vater Unser heißt).

2. Unerbetene Heilung

  • Der Mann aus dem heutigen Evangelium hat Jesus nicht um Heilung gebeten. Die Heilung war ganz sicher in seinem Sinn und er hat sich darüber gefreut. Aber es fällt auf, dass Jesus ihn heilt, ohne dass er seine Bitte ausgesprochen hätte. Es fällt auf, weil Jesus an anderer Stelle viel Wert darauf legt zu fragen: "Willst du gesund werden? " (Joh 5,6).
  • Ich denke, dass darin sich eine Erfahrung widerspiegelt, die viele Menschen kennen: Gott schenkt etwas, um das ich gar nicht gebeten habe; ich wäre nie darauf gekommen, dass diese Heilung möglich ist oder ich hätte nie gedacht, dass das, was da geschieht, heilsam ist. Es sind diese Ereignisse, die erst im Rückblick sich als ein Geschenk herausstellen; selbst das Kreuz ist so zu einer Gnade geworden, obwohl Jesus ausdrücklich darum gebetet hatte, dass dieser Kelch an ihm vorüber gehe (Mk 14,36 - Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Johannesevangelium hier wie an vielen Stellen um diese synoptische Tradition weiß und Joh 18,11 "Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat - soll ich ihn nicht trinken?" das deutet).
  • Das Evangelium nach dem 9. Kapitel bei Johannes erzählt im Anschluss an die Heilung einen großen dramatischen Bogen, durch den "das Wirken Gottes offenbar werden" soll. Hier würden ganz viele Aspekte lohnen, vor allem der Widerstand, den der Geheilte sofort erfährt, als er sich zu seiner Heilung durch Jesus bekennt, aber auch etwa die Entfremdung zwischen ihm und seiner Familie in Folge der Ereignisse. Mir ist besonders wertvoll die Beobachtung, dass der blind geborene Mann sich auf die Situation einlässt, lange bevor er auch nur ahnt, wohin das führt. Die Anweisung Jesu "Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach!" hat er sicher nicht als Teil einer bevorstehenden Heilung verstanden; auch wusste er keineswegs, wer Jesus ist. Und doch wäre er ohne diese Bereitschaft zu gehen, nicht geheilt worden. Ich ahne nur, wie viele heilsame Wege abbrechen, weil es an der Bereitschaft fehlt, sich auf etwas Ungewohntes, Neues, Unabsehbares einzulassen.

3. Sehen können

  • Nicht jedwedes Gebrechen kann auf diese Weise geheilt werden, sondern vor allem die Blindheit. Dabei macht das Evangelium ganz ausdrücklich klar: Nicht die körperliche Blindheit trennt von Gottes Liebe ("Weder er noch seine Eltern haben gesündigt"). Vielmehr ist das eigentlich von Gottes Leben Trennende die Blindheit des Geistes.
  • Das rätselhafte Wort "Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden", ist zum Verständnis ganz zentral. Durch die Konfrontation mit Jesus und vor allem seinem Kreuz sortiert sich das Feld. Angesichts der konkreten Gegenwart Gottes versagen diejenigen, die von sich selbst meinen alles zu wissen und Gott und Gott zu kennen. Dagegen offenbart sich Gott dem Blinden, der nie auf die Idee gekommen wäre, mit seinen leiblichen Augen die sichtbare Gegenwart Gottes zu schauen.
  • Von daher ist Evangelium (frohe Botschaft) an dieser hoch symbolischen Erzählung, dass Gott sich uns Menschen zeigt, wo wir nicht meinen, schon alles zu wissen und die Welt gut sortiert zu haben. Vor allem zeigt sich Gott dort, wo Menschen an der Seite Jesu ihr Kreuz zu tragen haben, Opfer sind von Willkür, Gewalt und Verfolgung - manchmal sogar wie hier durch die Amtsinhaber der religiösen Institution. Amen.